Natassievila - Impermanence

Review

Leserreview von Gilles de Rais

Mit Anfang 30 gehöre ich glücklicherweise nicht zu den Leuten, die über Rock ’n‘ Roll der Marke VENOM mit dem Black Metal-Kult in Berührung gekommen sind. Vielmehr waren es dionysische Alben wie „Nord…“ (SETHERIAL), „Channeling the Quintessence of Satan“ (ABIGOR) oder „Impergium“ (NIDEN DIV. 187). Musik die anspruchsvoll und gleichzeitig tief impulsiv ist. Rasend schnell, aggressiv, häufig komplex und doch in der Emotion primitiv. Klänge, die so weit weg von gängigen Rock-Schemata entfernt sind, wie man es sich nur vorstellen kann. Das war und ist mein Feuer. Leider ist dieser für den Musiker als auch den Hörer anspruchsvolle Stil schon seit der Jahrtausendwende so gut wie ausgestorben. Der Nachwuchs hat sich mehr auf die Image- und Markenpflege konzentriert, als auf das Lernen der Instrumente und das Erschaffen außergewöhnlicher Kompositionen.

Mit wenigen Ausnahmen: Die Turiner Band ADVERSAM beispielsweise konnte vor drei Jahren mit „Proclama“ einen würdigen Nachfolger zu ihrem Klassiker „Animadverte“ abliefern – und überforderte mit dem Epos gleich 90 Prozent der selbsternannten Musikjournalisten, die es sich in ihren seichten SECRETS OF THE MOON- und WATAIN-Gefilden gerade so gemütlich gemacht hatten.

Eben jene Musiker aus dem ADVERSAM-Umfeld, namentlich die beiden beneidenswert talentierten Summum Algor (Drums) und Asterion (Gitarre) haben jetzt mit ihrer zweiten Band NATASSIEVILA ein Album abgeliefert, das es schafft, mich (und hoffentlich viele andere Fans des Neunziger-Black Metals) endlich wieder in Unruhe und Rage zu versetzen.

Wie zu erwarten ist „Impermanence“ vom Stil nicht zu weit entfernt vom aktuellen ADVERSAM-Kosmos: Schnell, melodisch, rastlos, stolz und chaotisch, dabei aber immer logisch und mit dem nötigen roten Faden, der es dem geschulten Ohr ermöglicht, der Komposition bis zum Ende zu folgen. Was dominiert ist natürlich der für Summum Algor typische, unglaublich schnelle Blast-Beat, der stilistisch entfernt an Otto Wiklund (IN BATTLE, SETHERIAL) erinnert, allerdings viel kontrollierter und musikalischer ausfällt als bei dem bereits verstorbenen Schweden.

Getrieben von den Drums jagt Asterion ein Ausnahme-Riff nach dem anderen durch seine Gitarre. Beiden Musikern hört man an, dass sie viele Jahre konzentrierter Übung und unzählige Proben hinter sich haben. Noch nie habe ich im Black Metal ein Werk gehört, das gleichzeitig so tight und gefühlvoll eingespielt wurde – abgesehen von ADVERSAM natürlich. Es gibt unzählige Momente, in denen man von der Gitarre zunächst brutal überrannt und kurz darauf mit süßlich-schrägen Melodiebögen wieder umschmeichelt wird. Die Noten entfalten in dem devoten Hörer eine intensive, unangenehm angenehme und gleichzeitig hochmütig Grundstimmung.

Flankiert wird diese Raserei von Negatium Corporis (Ex-NEFARIUM), der nicht nur für den primitiven und dekadenten Gesang Verantwortung übernimmt, sondern die Stücke durch überraschend kreative Bass-Läufe bereichert, die sich perfekt in das Klanggewand einfügen. Synthetische Sounds spielen eine stark untergeordnete Rolle, sind aber vorhanden und setzen wichtige Akzente.

Àpropos Sound: Obwohl im gleichen Studio produziert, präsentiert sich „Impermanence“ mehr mit den Farbtönen der „alten Schule“ als das mächtige und zeitgemäße „Proclama“. Schlagzeug und Saiteninstrumente haben einen analogen Klang, der entfernt an die mysteriösen Grieghallen-Tage erinnert. Trotz dieser Tatsache und der atemberaubenden Geschwindigkeit haben es Band und Produzent geschafft, jedem Instrument, jedem noch so kleinen Detail einen würdigen Platz zu verleihen. Kurz: Die Abmischung des Albums ist eine Meisterleistung.

Übrigens, auch das sollte nicht unerwähnt bleiben, steht hinter dem Begriff „Impermanence“ ein interessantes religiöses Konzept, das man so nicht unbedingt auf einer Black Metal-Platte erwartet hätte. Jeder ist frei, tiefer in diese lyrische Welt von NATASSIEVILA einzutauchen.

NATASSIEVILA vereinen auf ihrem aktuellen Album alle Stärken, die man sich nur wünschen kann: Packendes Songwriting, weit überdurchschnittliches technisches Talent und ein charmanter, zum altmodischen Stil passender Klang. Manchmal fällt es mir schwer zu glauben, dass dieses Werk von Menschenhand geschaffen wurde, so perfekt ist es.

Wem meine Worte zu euphorisch erscheinen, der darf sich gerne selbst überzeugen. Join this Order und Dark Horizons Records sind die nötigen Schlüssel, die ihr braucht. Und da es sich um ein Werk aus einer anderen Zeit zu handeln scheint: Wie wäre es, wenn Ihr auf den üblichen Internet-Konsum verzichtet, mir vertraut und gleich eine Bestellung macht? Denn „Impermanence“ ist viel zu groß, als dass man es über ein lausiges MP3 kennen lernen sollte. Join this Order!

27.04.2012

Der metal.de Serviervorschlag

Oder auch: "Wer 'Impermanence' von Natassievila mag, wird auch das hier mögen." Lass andere Leser wissen, welche Platten sie noch anchecken sollten, wenn ihnen "Impermanence" gefällt.

Es gibt noch keine Empfehlungen zu diesem Album. Willst du die erste abgeben? Dann registriere dich oder logge dich ein.

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 36575 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

4 Kommentare zu Natassievila - Impermanence

  1. frostwolf sagt:

    Also zunächst: So eine schamlos unversteckte Vertriebs/Promotions-absicht habe ich ja selten in einem Review gesehen. Ich hoffe da fallen ordentlich Prozente für Dich ab… Habe mir ein paar der Tracks online angehört und finde dass das absolut belangloser 0-8-15 BM ist, durch die Keys sogar relativ kitschig. Würde das Album keinesfalls kaufen und jedem davon abraten dies blind zu tun – bitte vorher reinhören. Fande die Adversam Sachen schon nicht überragend, das hier ist keineswegs besser. Guter BM aus Italien? – Versuchts lieber mal mit Common Grave und Konsorten…

  2. Christian sagt:

    Besser als frostwolf hätte man es kaum sagen können. Ich wollte nur nicht der Erste sein, der nörgelt.
    Was mich sowieso wundert, seit wann User Reviews auf der Startpage gefeatured werden.

  3. Marco sagt:

    Aufjedenfall kein schlechtes Album, jedoch bedarf es meines Erachtens mehr, um die übertriebene Euphore des Rezensenten zu rechtfertigen. Revolutionär ist hier nicht viel und der Sound ist bedeutend zu modern, um hier Parallelen zu 90er BM auch nur zu erwähnen. Eins sollte allerdings im Review-Kontext hervorgehoben werden: Es ist besser als jede bisherige und vermutlich auch zukünftige Watain VÖ.

    8/10
  4. Nachtfrost sagt:

    Mir kam die Lobeshymne auch arg verdächtig und übertrieben vor. Nun höre ich die gekaufte CD und muss sagen: Wirklich sehr geil! Abwechslungsreich, kurzweilig, finster, schnell. Überragend abgemischt, super gespielt, guter „Gesang“! Das meiste in dem Review kann ich wirklich unterschreiben, wenn ich auch nicht eine glatte 10 vergeben würde, das scheint dem Fan vorbehalten…

    9/10