Mooncry - A Mirror's Diary

Review

Das letzte SABATON-Album lag schon einige Jahre zurück. Tausend mal hatte er es schon aufgelegt. Er kannte jeden Ton, jedes Wort und hatte tatsächlich als Einziger auf der Welt den kleinen Verspieler beim dritten Song in der zweiten Strophe entdeckt, von dem die Produzenten eigentlich meinten, ihn fast komplett weggemischt zu haben. Aber Hans-Knut war nicht so leicht hinters Licht zu führen. Zwar hatte es fast sein Leben zerstört, da seine Lieblingsband anscheinend nicht in der Lage war alle Passagen richtig einzuspielen, doch konnte er eines schönen Morgens, nachdem er sich einen aktuellen GUNS ‚N ROSES-Auftritt reingezogen hatte, der Band verzeihen, indem er zu der Ansicht gelangte, dass es noch weitaus schlimmere Dinge in der Welt gab. Trotzdem sehnte sich Hans-Knut langsam wieder nach neuem Stoff seiner Heroen und da er den Medien und gefilterten Nachrichtenorganen nicht trauen wollte, machte er sich alleine auf den Weg in den kalten Norden. Als er aber am Rheinstrome stand und sich per Schiff in die Nordsee verfrachten lassen wollte, kam es, dass er – aufgrund einer angeborenen Rechts-Links-Schwäche – den falschen Dampfer bestieg, welcher ihn in Richtung Bodensee bugsieren sollte.

So strandete Hans-Knut also eines schönen Tages in einem Orte mit dem wohlklingenden Namen Tettnang, den er für das tiefste Schweden hielt, da seine geografischen Bildungsmöglichkeiten an seiner ehemaligen Schule leider arg begrenzt waren. Als er sich nun im Ort umschaute, bald hierhin, bald dorthin ging und seine Lauscher spitze, hörte er Geräusche, die aus einer Laube, die etwas abseits lag, zu kommen schienen. Diese Laute kamen ihm seltsam vertraut vor. Ob er es wirklich hörte oder ob es nur Einbildung war vermochte er nicht zu sagen, doch war ihm als höre er einen stampfenden Mid-Tempo-Song, gezielt eingesetzte Choräle und Joakim Brodèn, wie er aus voller Kehle die Zeilen eines ihm unbekannten Liedes sang. Voller Freude beschleunigte Hans-Knut seine Schritte, in der Annahme, Sabaton endlich gefunden zu haben. Er hatte sich zwar nie vorstellen können, dass solche Rockgiganten in einer solch kleinen Laube proben könnten, pries aber gleich darauf die Bescheidenheit, die von solch einem Orte ausging.

Hans-Knut kam näher und näher und war sich absolut sicher, dass dies der Ort war, den er so lange gesucht hatte. Da man sein Klopfen aufgrund der Lautstärke nicht vernahm, fasste er sich ein Herz und drückte langsam die Klinke herunter. Doch was bot sich ihm für ein Anblick? Anstatt den berühmten Militärhosen, sah er schwarze Beinbekleidungen! Schwarze! Und als sich sein Blick aufrichtete überkam ihn die Gewissheit, dass diese Herren hier ganz und gar nicht SABATON waren.

Da er seinen Augen zunächst nicht trauen wollte, ging er langsam, wie in Zeitlupe noch einmal die Klänge durch, die er auf dem kurzen Weg bis hierher vernommen hatte. Er hatte stampfende Songs gehört, die sich in einem gemäßigten Tempobereich angesiedelt hatten. Auch waren da opulente Choräle. Auch klang der Sänger doch über weite Strecken fast genauso wie das schwedische Powerorgan. Also bis hierhin musste es sich ganz eindeutig um SABATON handeln. Doch irgendetwas war auch anders gewesen, was er in froher Erwartung vorher einfach verdrängt hatte. Eine derart dauerhaft breite Untermalung hatte er bei SABATON vorher nie gehört. Und war da nicht eine Ballade gewesen, die eine gewisse Lagerfeuerstimmung erzeugt hatte und „The Beast Within Me“ geheißen hatte? Überhaupt schien diese ganze Musik deutlich düsterer und nachdenklicher zu sein. Teilweise fühlte sich Hans-Knut an seine erste Freundin erinnert, die im Gothic-Kleidchen von einer verträumten NIGHTWISH-Ballade zur nächsten geschlittert war.

Schweiß lief ihm langsam den Nacken hinunter. Wenn dies hier nicht SABATON waren, wer denn dann? Von den Musikern der Laube ungläubig angeschaut, öffnete Hans-Knut langsam seinen Mund und stammelte eine Entschuldigung, an die sich eine hektische Frage, wer sie denn verdammt nochmal seien, anschloss. „Wir sind MOONCRY“, sprachen sie, „und erproben gerade unser neues Album „A Mirror’s Diary“, dass wir Ende letzten Jahres herausgebracht haben.“ Hans-Knut fühlte sich allein und hilflos, war er doch hier an einem Ort, an dem er dieses Mal keine Noten, keine Texte und auch keine Fehler erkennen konnte. Erschöpft sank er zu Boden. Die fünf Musiker kümmerten sich sofort um ihn, lösten seine Verkrampftheit durch die eine oder andere alkoholische Essenz und luden ihn ein, ihrem Liedgut weiter zu lauschen. Hans-Knut, innerlich halb gestorben, entschloss sich, dass es wohl das Beste sei und versuchte sich nun endgültig auf diese Schweden, die keine waren, einzulassen.

Im Laufe der Stunde, die das Set dauerte, erhaschte Hans-Knut weitere Facetten von MOONCRY. Er kam zu der Erkenntnis, dass die Balladen eine besondere Stärke ihrer Musik waren, auch wenn sie vor Pathos hin und wieder ein wenig zu sehr trieften. Als abgebrühter SABATON-Hörer war er dies aber zu Genüge gewohnt. Ein wenig störte ihn aber, dass zahlreiche Songs sehr austauschbar daherkamen. Zwar bemühte sich die Band innerhalb der großen Eingängigkeit viel Abwechslung anzubieten, doch setzten sich nur ein paar wenige Einzelmomente in Hans-Knuts Gedächtnis fest. So war das fixere „Puppet Crow“ mit dem eindringlichen Refrain eines seiner Lieblingsstücke. Außerdem musste er den Jungs einen ausgezeichneten Sound bescheinigen, der internationalen Profiproduktionen in keiner Weise nachstand.

Als er schließlich den Heimweg antrat und hoffte dieses Mal wirklich den Dampfer nach Norden zu erwischen, lies er sich noch einmal alles durch den Kopf gehen. Sein Fazit war, dass diese Band hier am Bodensee über ausgezeichnete spielerische Qualitäten verfügte. Groß waren die Klangwelten, die sie erschaffen hatten, klein aber der Eindruck, den die Songs an sich in ihm hinterlassen hatten. Freilich waren „Puppet Crow“, „Defamed Pride“ und „The Beast Wihtin Me“ ausgezeichnete Stücke, doch freute er sich auch, wenn er auf der heimischen Anlage wieder seine ihm bekannten Ohrwürmer auflegen konnte. Und so kam Hans-Knut zu der Erkenntnis, dass MOONCRY und ihr neues Album für all diejenigen etwas war, die sich von SABATON schon immer mal gewünscht hätten, dass diese doch mal ein wenig von der Partyschiene runterkämen, tiefgründige Seelentexte schreiben und ein Orchester einsetzen würden. So wie NIGTHWISH halt, nur mit einem Kerl am Mikro…

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14.02.2014

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