Adrenaline Mob
Rock'n'Roll-Paten und Underdogs

Interview

Er ist der Chef im Ring, der musikalische Obermafioso, der Pate des Rock’n’Roll – Russell Allen, seines Zeichens Sänger und Frontmann von ADRENALINE MOB, ist jedenfalls um kein Etikett verlegen, wenn es darum geht, sich in Position zu reden. Seine stärkste Waffe: Er labert ohne Punkt und Komma und kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Da hat das Schild an der Tür zum Interviewraum, „Russell at work“, eher beschönigenden Charakter. Besonders fahrlässig: Ihn über sein Lieblingsthema Politik und Medien in den USA dozieren zu lassen. Wir haben seinen Redeschwall filtriert und liefern Euch Einblicke in die amerikanische Seelenlandschaft – die sich im Sinne Allens unter dem Titel des neuen ADRENALINE MOB-Albums „We The People“ zusammenfassen lässt.

Russell Allen spricht über …

… den Albumtitel „We The People“

„We The People“ ist die erste Zeile der amerikanischen Verfassung … genauer gesagt der Unabhängigkeitserklärung. (überlegt) Die ganze Idee des amerikanischen Traums ist, in der Lage zu sein, seinen Traum zu verfolgen und das Streben nach Glück. Das ist die Grundidee von Freiheit. Zugrunde gelegt von meinen Vorfahren. Meine Vorväter kämpften in den Revolutionskriegen an der Seite von Washington gegen die Briten. Meine Familienlinie väterlicherseits geht bis dahin zurück. Für mich ist „We The People“ aber kein politisches Statement. Wir nehmen keine Seite ein, wir sind nicht pro-dies, wir sind nicht anti-jenes. Es ist nur ein Kommentieren der heutigen Situation.

… Amerikas Parteiensystem

Ich war stolz auf unser Land, in dem Sinn, dass sich die Medien mit ihrer Macht, einen bestimmten Kandidaten zu bevorzugen, nicht durchgesetzt haben. Hillary (Clinton, Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei) wurde in den Medien bevorzugt. Ich bin unabhängig, ich bin nicht für eine bestimmte Partei. Wir haben in meiner Familie für Unabhängigkeit gekämpft, ich bin ein unabhängiger Kerl. Bevor es nicht eine unabhängige Partei gibt, da bin ich zu dir ganz ehrlich, werde ich nicht wählen gehen.

… Berufspolitiker

Für viele Politiker sind wir Wähler nur eine Nummer. Sie schauen darauf, welche Aussage ihnen am meisten Aufmerksamkeit beschert. Sie werden mittlerweile darauf getrimmt, sie trainieren das. (George W.) Bush wurde darauf hingezüchtet. Er hat all die richtigen Colleges besucht, um Präsident zu werden. Bei Clinton ist es genau dasselbe. Das sind Karrierepolitiker. Sie studieren Politikwissenschaften, verstehen, wie alles läuft. Trump ist all das nicht. Er ist ein Geschäftsmann. Er ist ein aufstrebender Existenzgründer und Geschäftsmann. Er hat Sachen geschafft, er hat aber auch Fehler. Seine Kritiker stellen aber immer nur die Fehler heraus.

… Donald Trump

Es gibt unabhängige Kandidaten, und Trump ist nicht unabhängig. Ich habe mir die Vorausscheidungen angeguckt, und bei den Republikanern waren sie mit ihren 25 Kandidaten höchst lächerlich. Ich habe die Tragikomödie genossen, jedenfalls bis zu einem bestimmten Grad. Deshalb war ich in gewisser Weise für Trump, weil er ein totaler Underdog war. Als wahrer Amerikaner hat man ein Herz für den kleinen Mann, den Underdog. Wir wollen, dass der kleine Mann gewinnt. Wir wollen, dass der Typ gewinnt, der keine Gewinnchancen hat. Wir hassen es sogar, wenn unsere Lieblingssportmannschaft zu häufig gewinnt. Wir wollen die Aufregung sehen, und wir haben die Aufregung bekommen. Ob er (Trump) es gut macht, wird die Zeit zeigen.

Russell Allen (Adrenaline Mob, Symphony X)

Die Sonnenbrille sitzt: Russell Allen ist der Pate des Rock’n’Roll.

… die US-amerikanische Medienlandschaft

Die Medienlandschaft war noch nie so polarisiert wie heute. Heute wird behauptet, dass CNN ist pro-links und Fox News pro-rechts, so als ob sie in einem Krieg wären. Dieser Medienkrieg ist zu einem beschissenen Zirkus geworden. Dieser ganze Präsidentschaftsfindungsrummel ist zu einem Witz in der ganzen Welt geworden. Für mich als Patrioten ist das beschämend.

… seine tägliche Presseschau

Bei den Wahlen wurde auf CNN eine Umfrage zitiert, wonach Hillary 67 Prozent der Stimmen hätte. Nur eine Millisekunde wurde darauf hingewiesen, dass dies ein CNN-Poll ist, also eine Umfrage unter CNN-Zuschauern und somit nicht repräsentativ. Danach erschien auf allen Sendern das Ganze nur noch als Umfrage – ohne Hinweis darauf, dass sie nicht repräsentativ ist. Das hat die Stimmung total beeinflusst. Man muss also genau schauen, dass man alle Informationen, die man benötigt, zusammenbekommt, um sich ein Bild von der Wahrheit zu machen. Teilweise drucke ich mir die Nachrichten aus unterschiedlichen Medien aus und markiere die Übereinstimmungen mit gelbem Textmarker. Daraus kristallisiert sich eine kleine Liste von Fakten heraus.

… das US-amerikanische Hinterland

Das US-amerikanische Hinterland hat ziemlich gelitten. Die Industrie liegt am Boden, es gibt keine Arbeit, die Leute verlieren ihre Häuser. Wir haben das so satt. All diese schrecklichen Sachen sind passiert, auch mir. Der Wert meines Hauses ist auf Null gegangen. Mein Vater hat mit dem Dotcom-Crash all sein Erspartes für die Rente verloren. Ich war total angepisst deswegen und habe auf dem ersten Album einen Song darüber geschrieben, „Feelin‘ Me“. Mein erster politischer Song, wenn man so will, auch wenn es nicht so offensichtlich war, denn die Fans kannten die Hintergründe ja nicht.

… Touralltag

Wir sind eine Radioband, vor allem in Amerika. Das heißt, man muss morgens früh aufstehen, um in den Morgenshows im Radio Interviews zu geben. Ich bin aber daran gewöhnt, ich habe Kinder, sechs und acht. Sie stehen mit den Hühnern auf und sorgen dafür, dass ich es auch mache. Aber ich liebe das. Und dann hat man bis zum Soundcheck um 16:00 Uhr Zeit. Meistens gibt es aber immer jemanden, mit dem man die Stadt erkunden kann. Als Sänger mag ich es auch, jeden Tag an der frischen Luft zu sein. Das kann ich dann abends beim Konzert anbringen – „Hey, ich war heute in der Burg Soundso“ – „Yeah!“ Für mich als Sänger ist es eine Möglichkeit, den Leuten einen Anknüpfungspunkt zu geben. Indem ich nicht nur der coole Rockstar bin, der mit Sonnenbrille umherläuft, sondern indem ich mich für die lokale Kultur interessiere.

… ADRENALINE MOB als Liveband

Oh yeah, auf jeden Fall – wir sind eine Live-asskick-rock-band. Rauszugehen und den Leuten High-octane-hardrock zu geben, ist das, wofür wir leben. Deshalb heißen wir ADRENALINE MOB, es geht dabei um Adrenalin. Um die Energie.

… den Unterschied zwischen ADRENALINE MOB und SYMPHONY X

Es ist bei allen Bands um Hingabe im Sinne von Rock’n’Roll. SYMPHONY X ist dabei natürlich mehr wie eine Theaterproduktion. In dieser Band bin ich ein Schauspieler. Ich bin in meinem realen Leben ja kein Odysseus und habe mit einer Seeschlange gekämpft – obwohl ich das gerne glauben würde, aber ich habe es nicht gemacht. (lacht) SYMPHONY X war also immer so etwas wie ein Spielfilm, nur halt als Musik. Auf der letzten Tour habe ich sogar Masken getragen, um zu verdeutlichen, dass ich auf der Bühne schauspielere. Die Leute haben das verstanden. Es ist nicht das reale Leben, es geht nicht um alltägliche Probleme.

Bei ADRENALINE MOB kann ich aber wie beim neuen Album „We The People“ auf die politische Stimmungslage in meinem Land eingehen. Die ist gerade sehr aufgeheizt. Ich kann zum Beispiel auch über meine Erfahrungen mit Autismus schreiben, wie beim Song „All On The Line“ auf dem ersten Album. Die Themen liegen mir näher am Herzen, und es ist mir wichtiger, als Vater über menschliche Erfahrungen zu schreiben. Ich bin keine introvertierte Person, aber ich kann eine selbstbeobachtende Perspektive einnehmen. Ich kann vom Herzen her schreiben und singen. Es ist wahrer, transparenter.

Bei ADRENALINE MOB schauspielere ich nicht auf diese Weise. Das Image mag übertrieben sein – ich habe Spaß daran, ein Rock’n’Roll-Gangster zu sein, der Pate des Rock’n’Roll oder der Pate des Heavy Metal. Aber das betrifft nicht die Musik, den eigentlichen Kern. Und es hat keine Ähnlichkeiten mit mir, ich bin doch sehr unterschiedlich. (lacht)

… das Maskottchen auf den Albumcovern

Das bin ich nicht, das ist unser MOB-Boss Tony Bones oder Boss Bones, wie wir ihn manchmal auch nennen. Er ist ein italienischer Mafia-Kerl, ein untoter Mafioso. Sein Charakter ist weder gut noch böse, sondern gleichgültig, man sieht ja auf dem Cover das Engelchen und den Dämonen. Ich bin halt ein totaler IRON MAIDEN-Fan und liebe Eddie, ich liebe MEGADETH und Vic Rattlehead. Also haben wir uns Tony Bones als unser Maskottchen ausgedacht. Das gehört zum Metal dazu.

13.07.2017

- Dreaming in Red -

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