Amon Amarth
Amon Amarth setzen zum großen Sprung an

Interview

Amon Amarth setzen zum großen Sprung an. Ihr letztes Werk „Versus The World“ stellte den bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere dar, der Nachfolger „Fate Of Norns“ soll nun nachlegen und dem Quintett zu noch höheren Ehren verhelfen. Inwieweit das trotz des vorherrschenden Midtempos dieser Platte möglich ist, versuchte ein früh morgens (das Interview wurde um 10 Uhr an einem Tage kurz nach dem Wacken Open Air geführt) überraschend gesprächiger Sänger Johann Hegg zu analysieren. Dass dabei noch viele andere Themen gestreift wurden, versteht sich von selbst, sodass auch der führende Redakteur schnell immer wacher wurde.

Amon Amarth

Ihr habt dieses Jahr zum dritten Mal in Wacken gespielt. War es der Höhepunkt für euch auf diesem Festival trotz des verunglückten Sounds?

Ja, dieses Jahr hat alles getoppt. Wir haben Freitag Nacht um 2 Uhr gespielt und es waren ca. 20.000 Leute da. Das einzige, was jetzt noch besser käme, wäre die Headliner-Position um 22 Uhr. Aber das liegt alles nicht in unserer Macht. Wir haben diesen Platz zugewiesen bekommen, sind auf die Bühne gegangen und haben unser Bestes gegeben. Immerhin war es angenehmer als in der Mittagshitze von 2002.

Vielleicht reicht es ja mit eurem neuen Album zum Headliner auf der Black Stage. Aber lass uns kurz vorher noch auf „Vs. The World“ eingehen, da es auf eine gewisse Weise euer Durchbruchsalbum war.

Ja, da hast du im Prinzip recht. Aber „The Crusher“ hat davor schon sehr viel bewirkt, damit „Vs. The World“ so einschlagen konnte. Es hat die Leute für uns geöffnet. Wir haben aber auch viel für diese Platte getourt. So konnten wir mehr Publikum als zuvor erreichen. Das darf man nicht vergessen.

Steigert sich mit vermehrtem Tourstress euer Bedürfnis, langsamere Songs zu schreiben? „Vs. The World“ war schon langsamer als „The Crusher“, aber „Fate Of Norns“ übertrifft seinen Vorgänger nochmals.

Nein, das haben wir nicht geplant. Wir hatten nicht von Anfang an vor, ein langsames Album zu machen. Wir sind sehr spontan, wenn wir Songs schreiben. Wir müssen einfach fühlen, dass unser neues Material gut ist. Das ist diesmal bei den schnellen Sachen einfach nicht passiert.

Ihr habt das gesamte Album nach Fertigstellung noch ein zweites Mal abmischen lassen. War das geplant?

Ja, das war so angedacht. Die Pressepromos haben eine Art Rough Mix, während das fertige Endprodukt vom Sound her etwas geöffnet wurde. Es ist aber kein großer Unterschied zu hören. Der Grundklang ist derselbe.

Hattest du wieder Unterstützung von deiner Schwester beim Schreiben der Texte wie auf „Vs. The World“?

Haha, nein. Diesmal hat meine Schwester keinen der Texte mit verfasst. Unterstützung erfahre ich von ihr aber immer. Egal, ob im lyrischen Umstellen und Verbessern meiner Worte oder in anderen Dingen.

Ich nehme an, ich brauche nicht zu fragen, ob sich die Texte wieder um Wikinger-Themen drehen. Ist es wahr, dass in der Vergangenheit schwedische Bands – also auch ihr – Probleme gehabt haben, wenn sie Wikinger-Lyrik verwendet haben?

Ja, das stimmt. Man stand sofort in der rechten Ecke. Das ist heute übrigens immer noch so. Wir haben es zum Glück geschafft, im Bezug auf Amon Amarth diese Vorwürfe zu entkräften. Das hängt natürlich nicht unwesentlich mit unserem Erfolg zusammen, denn nur so hast du die Chance, mit der Presse zu reden. Andere Bands haben diese Möglichkeit nicht und leiden noch darunter, dass Wikinger-Themen weiterhin mit Rechtsradikalismus verbunden werden. Und das nur, weil die Rechtsradikalen-Bewegungen viele Wikinger-Symbole verwenden.

Was hat es mit dem Titel „Fate Of Norns“ auf sich?

Die Nornen sind Schicksalsgöttinnen. Sie weben das Schicksal eines jeden Menschen. Somit dreht sich das gesamte Album um Schicksal an sich. Der Titeltrack handelt von einem Vater, der seinen Sohn verloren hat. Er muss mit seinem Kummer und diesem Verlust umgehen lernen und diese Situation akzeptieren. Es ist eine sehr emotionale Geschichte.

Inwieweit inspirieren dich Erlebnisse des heutigen Lebens, die du dann quasi in deinen Lyrics in die Wikingerzeit transferierst?

Das passiert ständig. Auf „Fate Of Norns“ verarbeite ich z.B. sehr stark die Trennung von meiner Freundin. Ähnliches ist auf unseren vorherigen Alben auch schon geschehen.

Welches Schicksal haben die Nornen für dich gewoben?

Haha, wenn ich das wüsste… Aber es ist witzig, ich schreibe ein Album über Schicksal und glaube nicht mal wirklich daran. Ich denke, jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und voll und ganz für sich selbst verantwortlich. Es gibt immer zwei Möglichkeiten: 1. die richtige Entscheidung, 2. die falsche Entscheidung. Am Ende musst du eben mit den von dir getroffenen Entscheidungen arbeiten und umgehen können.

Das heißt quasi dann, dass Erfolg die Summe richtiger Entscheidungen ist?

In den meisten Fällen ja. Andererseits machen einen falsche Entscheidungen stärker, weil man lange kämpfen muss, um wieder auf den richtigen Weg zu gelangen.

Welche falschen Entscheidungen habt ihr in eurer Karriere bisher getroffen?

Wir haben wahrscheinlich sehr viel verbockt. Aber wir haben immer hart daran gearbeitet, vorwärts zu kommen. Es ist sehr schwer zu beurteilen, ob jetzt eine unserer Entscheidungen gut oder schlecht war, denn wir wissen ja nicht, wie es auf die andere Art gelaufen wäre. Deswegen muss man den Weg seines Lebens akzeptieren.

Habt ihr also gemerkt, dass es unvorteilhaft ist, wenn jeder Musiker nur allein im Studio ist, wie bei „Vs. The World“ geschehen? Oder habt ihr diese Arbeitsweise als richtige Entscheidung angesehen?

Nein, diesmal haben wir wieder versucht, so oft wie möglich alle zusammen im Studio zu sein. Aufgrund unserer Jobs war das natürlich nicht immer möglich. Und für mich macht es, ehrlich gesagt, auch keinen Sinn, die ganze Zeit dort abzuhängen, denn auf die Musik an sich habe ich keinen großen Einfluss. Also komme ich immer etwas später, höre mir die Tracks an und starte dann mit meinen Aufnahmen.

„Fate Of Norns“ erscheint als limitierte Erstauflage mit Bonus-DVD. Auf ihr ist euer Gig in Island enthalten. Wie war es dort oben?

Island war großartig, vor allem die Show, die auf der DVD zu finden sein wird. Sie fand in einem zwar kleinen, aber pickepacke vollen Club statt. It was brutal and fucking metal! Wir waren die erste nicht-isländische Death Metal-Band, die in Island gespielt hat. Das ist schon eine einzigartige Erfahrung. Island als Land ist wunderschön. Die Landschaft haut einen wirklich um. Rejkjavik ist eine klasse Partystadt. Die Leute dort trinken wie verrückt.

Wie haben die Fans diese seltene Möglichkeit genutzt, mal richtig auszurasten?

Wir haben zwei Shows gespielt. Eine in dem oben erwähnten, kleinen Club. Er war mit 150 Leuten ausverkauft. Sie sind abgegangen wie Hölle. Das Publikum war trotzdem sehr breit gefächert. Normale Leute, Death Metal-Fans, usw. Die zweite Show ging in einem Jugendclub über die Bühne. Demnach wurde kein Alkohol verkauft. Somit war die Menge etwas zurückhaltender. Aber wir haben sie aufgewärmt. Keine Frage, haha!

Nach so vielen Gigs und mit dementsprechend viel Erfahrung im Rücken kein Wunder! Was ist euch während des letzten sehr dichten Tourjahres noch so an Kuriositäten begegnet?

Einiges. In Frankreich haben wir während der Fahrt die zwei Hinterreifen unseres Busses verloren. In Madrid hat unser Fahrer selbigen sogar in ein Haus gesetzt. In Island sind wir von der Polizei eingesackt worden. Das Härteste ist jedoch in Israel passiert. Wir haben dort letztes Jahr eine Show in einem mit 800 Fans ausverkauften Club gespielt. Die Stage Security war bewaffnet. Sie hatten Pistolen und Gewehre. Nach jedem Song wurden wir angewiesen, die Leute ein wenig runter zu bringen und zu beruhigen, weil sie so ausgerastet sind, dass sie sich sogar untereinander verletzt haben. Nach vier Liedern drohte der Clubbesitzer sogar damit, die Show zu canceln. Zum Glück wurde es danach etwas beschaulicher, aber als wir den letzten Song anspielten, rasteten wieder alle komplett aus. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Es ist ein Wunder, dass niemand gestorben ist. Total verrückt!

Ihr geht im Herbst schon wieder auf Tour. Braucht ihr, gerade nach solchen Erlebnissen, nicht auch irgendwann einmal eine Pause?

Wir werden genau nach dieser Tour Ende November eine kleine Pause einlegen. Ich muss dringend mal wieder Ferien machen. Das letzte Mal, dass ich mich an einen echten Urlaub erinnern kann, war vor zehn Jahren. Ich werde diese zwei Wochen nutzen, um einfach mal weg zu fahren. Ich denke, es wird mich nach Miami verschlagen. Einfach nur relaxen, erholen und nichts tun.

Da passt es dann ja gut, dass ihr eure Skandinavien-Tour mit Cannibal Corpse wegen logistischer Probleme absagen musstet. Geht euch dadurch nicht trotzdem einiges an Geld durch die Lappen?

Nein, nicht wirklich. Wir sind in Skandinavien gar nicht so groß, wie alle vielleicht denken. Mit dieser Tour hätten wir unseren Namen dort ausbauen können. Deswegen ist es schon schade, dass dies nicht zustande kommt. Zumal es unsere erste, richtige Tour durch Skandinavien gewesen wäre. Wir hätten als Opener spielen müssen. Somit wäre der finanzielle Ertrag nicht allzu groß gewesen. So kommt es nämlich zu den angesprochenen, logistischen Problemen. Wir hätten unsere Transportmöglichkeiten aus eigener Tasche bezahlen müssen. Das konnten wir uns nicht leisten. Traurig, aber eine brutale Tatsache.

Das verstehe ich jetzt aber nicht. In Deutschland seid ihr fast Black Stage-Headliner des Wacken Open Airs, aber in Skandinavien eine kleine Nummer? Wie kommt das?

Keine Ahnung. Ich denke, mittlerweile wächst unser Name auch in Skandinavien. Unser größtes Problem war, dass die Szene in Schweden für ein paar Jahre fast komplett tot war. Wir starteten zwar gleichzeitig mit In Flames, wurden aber durch diverse Widrigkeiten wie Einbrüche in den Proberaum, etc. ca. zwei Jahre zurück geworfen. Als wir dann wieder auf der Bildfläche erschienen, war Death Metal gerade out und Black Metal das große Ding. In Flames konnten sich aber in diesen zwei Jahren schon eine Fanbase erspielen. Natürlich spielten auch noch die vorhin schon erwähnten Probleme mit der Wikinger-Thematik eine größere Rolle. Im Endeffekt hätte ich es aber gar nicht anders haben wollen, denn so konnten wir langsam unsere Persönlichkeiten entwickeln und sie durch den Kampf über die Jahre stärken. Ich denke, wir haben das Beste aus der Situation gemacht und hart dafür gearbeitet, dass wir jetzt hier sind.

Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen, oder?

Doch. Noch ein Wort an unsere Fans: Trinkt Bier und Jägermeister, haha!

Galerie mit 26 Bildern: Amon Amarth – Rockharz Open Air 2023
02.09.2004

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