Arch Enemy
Interview mit Sharlee D'Angelo und Daniel Erlandsson zu "Khaos Legions"

Interview

Arch Enemy

Ein ganz gewöhnlicher Wochentag Mitte März in einem Provinznest, irgendwo zwischen Köln und Dortmund: ARCH ENEMY haben am Vorabend einen Aufwärmgig absolviert und stellen sich nun der Presse. Zunächst steht für die versammelte Journaille das Rudelhören des neuen Albums „Khaos Legions“ an, das zwar noch nicht fertig abgemischt ist, aber als erstes „richtiges“ Album seit gut vier Jahren natürlich Gesprächsstoff genug bietet, genauso wie die randvollen Tourpläne der Band. Bassist Sharlee D’Angelo und Drummer Daniel Erlandsson waren so nett, sich in gemütlicher Runde unseren Fragen zu stellen.

 

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Gestern habt Ihr Euer erstes Konzert im Zuge der Veröffentlichung von „Khaos Legions“ gespielt. Wie hat es Euch gefallen, hier in diesem kleinen Club zu spielen?

Sharlee: Es hat großen Spaß gemacht. Es war cool, dass man den Leuten direkt ins Gesicht sehen konnte. Es war unser erster Auftritt seit dreieinhalb Monaten, deshalb waren wir vielleicht ein wenig eingerostet. Aber da der Club sowieso nach Punkrock aussieht, macht es auch nichts, dass wir ein paarmal daneben gelegen haben. Aber so schlecht war es auch nicht.

Daniel: Nein, für uns ware es eine großartige Erfahrung, die neuen Songs zu spielen. Bei den beiden Songs haben die Leute dann ja auch nicht gemerkt, dass wir uns verspielt haben [lacht]!

Sogar Angelas [Angela Gossow, Sängerin von ARCH ENEMY; Anm. Red.] Bruder und Mutter waren hier. Habt Ihr die beiden vorher schon mal getroffen?

Sharlee: Na klar, sie waren schon bei einer Menge Shows von uns hier in der Gegend… Ja, es war großartig, Benny [Angelas Bruder; Anm. Red.] beim Crowdsurfen zuzusehen [lacht]

Ihr habt jetzt Euer erstes Album seit vier Jahren draußen, da „The Root Of All Evil“ doch eher eine Best-Of-Collection darstellt. Kamen Euch die vier Jahre wie eine Pause vor?

Daniel: Nein, überhaupt nicht. Wir waren ja die meiste Zeit auf Tour.

Sharlee: Eigentlich sogar dauerhaft. Daniel hat beispielsweise seine Drumtracks zu „The Root Of All Evil“ zwischen zwei Konzertreihen eingespielt, und den Rest haben wir erst nach einem Jahr aufgenommen. Das Album konnten wir gar nicht am Stück aufnehmen, sondern mussten es in einzelnen kleinen Schritten zusammenfügen. Wir bekamen ständig neue Angebote, auf Tour zu gehen, so dass man wirklich nicht von einer Pause sprechen kann. Im November haben wir dann einen Break gemacht, um neue Musik aufzunehmen. Wir hätten aber locker noch sechs Monate weiter touren können.

Wie schreibt Ihr neue Songs? Wenn Ihr permanent auf Tour seid, müsst Ihr neuen Stoff ja auf Tour schreiben?!

Sharlee: Ja, uns fallen eine Menge Sachen auf Tour ein, hier eine Melodie, dort ein Riff. Vor allen Dingen vor den Shows, wenn wir uns im Backstagebereich warm spielen.

Daniel: Oder jemand schnappt sich im Hotel eine Gitarre und fängt einfach an zu spielen.

Sharlee: Zum Beispiel ist uns eine der Melodien von „No Gods, No Masters“ in Kanada eingefallen. Wir hatten einen Tag frei, und draußen war es superkalt…

Ihr habt also zu jedem einzelnen Part eine Erinnerung, wo und wann Ihr sie geschrieben habt?!

Daniel: Bei diesen Teilen stimmt das, aber die meisten Sachen fallen uns während der Proben ein.

Sharlee: Dazu muss man wissen, dass wir immer proben, wenn wir vor einer Tour ein neues Liveset einstudieren. Aber dabei sind wir nicht sehr diszipliniert und wollen ständig neuen Stoff spielen… das macht einfach mehr Spaß [lacht]! Es ist ein ständig fortwährender Prozess.

Jetzt habt Ihr das Album zusammen.

Daniel: Ja, es war harte Arbeit, aber das Album ist noch nicht fertig abgemischt. Zunächst sollte unser Produzent Rickard Bengtsson das Album abmischen, aber als die Deadline näher kam, wurde klar, dass er es nicht rechtzeitig fertig bekommen würde. Deshalb haben wir Andy Sneap für den kompletten Mix angeheuert. Morgen werde ich nach England fliegen, um Andy hier und da noch ein paar Anweisungen und Tipps zu geben, wie er mit dem Material umgehen soll.

Sharlee: Ja, es ist gut, wenn jemand von uns dabei ist. Es sind häufig kleine Details, die einen großen Einfuss auf das Gesamtergebnis haben, und da möchten wir einfach jemanden dabei haben, der eine Vorstellung des Gesamten hat.

Aber mit Andy Sneap habt Ihr schon häufiger zusammengearbeitet?

Daniel: Ja genau, wir wissen wie er arbeitet, und er kennt das Ideal, wie wir klingen möchten. Ich finde auch, dass jetzt der Rohmix, den wir gerade gehört haben, schon richtig gut geklungen hat, ohne dass er fertig war.

Wie würdet Ihr „Khaos Legions“ in wenigen Worten beschreiben?

Daniel: ARCH ENEMY at its best!

Sharlee: Ich würde sogar sagen: Musik von ihrer besten Seite!

Nach dem ersten und bislang einzigen Eindruck nach zu urteilen, klingt sie auf jeden Fall sehr vielfältig. Würdet Ihr sagen, dass das ein Wesensmerkmal der Platte oder von ARCH ENEMY überhaupt ist?

Sharlee: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber wir hatten all diese Elemente schon vorher in unserem Sound. Diesmal sind sie vielleicht ein bisschen stärker ausgeprägt, es ist von allem etwas mehr. Wenn wir vorher 100 Prozent von einer Sache hatten, sind es diesmal 250 [lacht]!

Was könnt Ihr mir über den Albumtitel „Khaos Legions“ verraten? Angela sagte gestern in ihrer Ansage, dass sich der Titel auf die Fans bezieht…

Sharlee: Im Grunde genommen, ja. Es geht darum, dass man die Welt um sich herum kritisch betrachtet und schaut, wie man sie ändern kann. Und wenn du in der Geschichte zurückschaust, wirst du immer eine Zeit des Chaos finden, bevor die Welt wieder in geordneten Bahnen verläuft. Das trifft natürlich auch auf das zu, was zum Beispiel gerade in Ägypten, Tunesien und Libyen abgeht. Dort ist einfach der Punkt erreicht, wo die Leute nicht mehr alles mit sich machen lassen, wo ein Wechsel der Bedingungen nötig ist. In Ägypten ist das ziemlich gut abgelaufen, ganz anders als in Libyen, das ist einfach schrecklich. Die Leute haben genug von einer Sache und möchten sie ändern. Ob sich das in eine bessere Richtung entwickelt, wird erst die Zeit zeigen. Es steht aber die Hoffnung im Vordergrund, dass es besser wird.

Preisfrage: Warum wird im Titel Chaos mit einem ‚K‘ geschrieben?

Sharlee: Ähm, es sieht besser aus [lacht]! Aber – das Wort wird im Griechischen genauso geschrieben.

Mal was ganz anderes: Ich frage mich, wie die Beziehung zwischen Michael und Christopher auf musikalischer Ebene ist – gibt es da manchmal so eine Art Wettstreit?

Sharlee: Nein, eher anders herum. Beide sind eigentlich die totalen Gitarrennerds, aber sie harmonieren als Team wirklich wunderbar miteinander. Sie stacheln sich auch häufig gegenseitig an, weil sie bei unterschiedlichen Sachen besser als der andere sind.

Daniel: Genau, sie ergänzen sich gut. Manchmal hat Christopher eine Idee und denkt, sie sei nicht gut. Dann kommt Mike und spielt eine Melodie dazu, und dann passt das perfekt zueinander.

Wenn Ihr neue Songs schreibt, wissen also beide schon ungefähr, wer welchen Part spielen wird?

Sharlee: Ja, ich denke, das ergibt sich ganz natürlich. Sie haben beide ihre Spezialgebiete und wissen, wenn der andere einen Part besser spielen kann.

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Was war für Euch beide der herausforderndste Part bei den Aufnahmen?

Daniel: Bei mir war es so, dass ich meine Parts ganz alleine eingespielt habe. Im Studio war nur noch unser Produzent Rickard Bengtsson. Einen Tag, nachdem wir die Songs fertig hatten, bin ich ins Studio gegangen und habe meine Parts nur mit Klicktracks eingespielt, ganz ohne begleitende Gitarren.

Sharlee: Dafür ist es aber ganz gut geworden [lacht]!

Daniel: Die einzige Sache war, dass sich unser Produzent durch das Fehlen der Gitarrenspuren etwas zu sehr auf Details beim Drumspiel konzentriert hat. Das wäre nicht nötig gewesen. Aber trotzdem hat es ja gut hingehauen.

Sharlee: Bei mir war ein Part bei „Yesterday Is Dead And Gone“ eine kleinere Herausforderung. Es macht halt einen Unterschied, wenn du den Song als Band spielst oder alleine im Studio, wo du jedes noch so kleine Detail hörst. Als ich den Part hörte, dachte ich, dass er scheiße klingt, weswegen ich ihn nochmal geändert habe. Das kann dir aber immer mal passieren, dass man im Studio Sachen noch umstellt oder umarrangiert.

Daniel: Im Studio die Sachen aufzunehmen ist einfach eine komplett andere Situation als im Proberaum zu spielen und die Energie der Band mitzunehmen. Im Studio bist du ganz allein auf dich gestellt und musst versuchen, diese Atmosphäre wiederherzustellen.

Welchen Einfluss hat Euer Produzent auf die Musik?

Sharlee: Ich würde nicht sagen, dass er einen Einfluss auf die Musik an sich hat, weil wir mit den fertig arrangierten Songs ins Studio gegangen sind.

Daniel: Ich denke auch, dass wir in einer Position sind, wo wir niemanden benötigen, der uns sagt, was wir zu tun hätten.

Ihr hattet also die volle Kontrolle über Eure Musik!?

Sharlee: Genau. wir hatten diesmal wahrscheinlich eine klarere Vorstellung als jemals zuvor, wie die Musik klingen sollte.

Daniel: Im Proberaum haben wir ein kleines Aufnahmestudio eingerichtet, mit dem wir jede Probe mitschneiden. Davon fertige ich dann auf dem Laptop einen Rohmix an und verschicke das Material an die anderen. Dann kann jeder noch seine Änderungsvorschläge äußern.

Sharlee: Das ist ein viel konzentriertes Arbeiten als früher. Früher hatten wir von unseren Proben nur eine Art Kassettenrekorderaufnahme, bei dem man keine Details raushören konnte. Ich würde sagen, dass dadurch unser Arbeiten auch schneller geworden ist.

Daniel: Diese Arbeitsweise hat sich einfach als für uns am besten erwiesen. Diesmal haben wir uns zudem darauf konzentriert, Stücke erstmal zu Ende zu schreiben, bevor wir einen neuen Track angefangen haben.

Sharlee: Wobei wir aber dazu neigen, Songs immer wieder umzustellen und einzelne Parts zu tauschen… Letztlich müssen wir uns selber bremsen und eine Deadline setzen, damit dieser Prozess nicht endlos weiter geht… und man am Ende bei „Chinese Democracy“ angelangt ist [lacht]!

Daniel: Das passiert, wenn man zu viel Geld und keine Deadline hat [lacht]!

Vielleicht wäre dann so etwas wie „Chinese Revolution“ ein guter Titel für Euer nächstes Album?!

Daniel: Das könnte aber gefährlich sein, wenn wir durch China touren.

Wart Ihr schon mal in China auf Tour?

Daniel: Ja, zweimal sogar schon. Wir haben selbst nicht gedacht, dass wir dort überhaupt hätten touren können, weil unsere Texte doch ziemlich „revolutionär“ sind. Vorher werden üblicherweise die Texte von einer Zensurstelle geprüft.

Sharlee: Bei uns musste unser chinesischer Promoter der Stelle Texte schicken, und er hat dann eben die eher unpolitischen Stücke ausgewählt.

Daniel: Gut, dass er nicht einen Song wie „Revolution Begins“ ausgesucht hat [lacht]. Dann wäre die Tour sofort wieder abgesagt worden.

Wie ist denn die Stimmung bei den Konzerten? Und wer kommt in China zu den Konzerten?

Sharlee: Ich würde sagen, dass mindestens die Hälfte der Fans Kids sind, deren Eltern in amerikanischen oder europäischen Firmen in China arbeiten. Als wir das erstemal in Peking aufgetreten sind, gab es im Zuschauerraum mehrere Sektoren, die teuersten Tickets waren direkt vor der Bühne und die billigsten hinten. Deswegen war es etwas leer vor der Bühne, da stand eher das gemäßigte Publikum, das man lieber auf den Sitzreihen am Rand gesehen hätte. Aber hinten ging ordentlich die Post ab, sogar die Barrieren nach vorne sind niedergerissen worden. Glücklicherweise ist da nicht mehr passiert, weil im Zuschauerraum auch das Militär anwesend war, aber sie haben nicht eingegriffen.

Bei Euren gefüllten Tourplänen, gibt es da noch ein Land, in dem Ihr noch nicht getourt seid, aber mal gerne touren würdet?

Sharlee: Das ist ein bisschen schwierig, weil uns langsam die Länder ausgehen [lacht]! Aber wir waren noch nie auf dem afrikanischen Kontinent. Wir werden aber im Mai in Marokko auftreten, und nach Südafrika kommen wir diesmal auch. Es sind also die beiden Enden des Kontinents. Ich weiß nicht recht, ob es eine so große Extrem-Metal-Szene in Ghana oder Gambia gibt, aber wenn ja, dann würde ich sofort dort auftreten wollen. Im Gespräch war jetzt aber Indien, und Thailand und Malaysia wären auch nicht schlecht. Wenn wir es angeboten bekommen, spielen wir gerne überall.

Daniel: Letztes Jahr hatten wir einen wirklich einzigartigen Auftritt auf den Malediven. Wir waren, glaube ich, sogar die erste internationale Rockband, die jemals dort aufgetreten ist.

Sharlee: Das Verrückte war, dass der Veranstaltungsort direkt am Ende der Insel lag und wegen eines Sturms überflutet war. Also musste das Konzert verschoben werden. Als wir dann am nächsten Tag aufgetreten sind, kam das Wasser wieder und die Zuschauer standen am Ende bis zur Hüfte im Wasser.
Zufällig sind wir ein paar Tage vorher auf den Färöer Inseln aufgetreten, und der Veranstaltungsort lag direkt am Meer. Dummerweise gab es da auch ziemlichen Regen und Sturm, und schließlich ist die halbe PA aufs offene Meer getrieben. Zum Glück hatten die Veranstalter Ersatz. Ziemlich chaotisch das Ganze, aber es hat sehr viel Spaß gemacht!

Ein schönes Schlusswort! Vielen Dank für das Interview!

Galerie mit 30 Bildern: Arch Enemy - Rockharz Open Air 2023
13.05.2011

- Dreaming in Red -

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