Cripper
Zeit für einen klaren Standpunkt

Interview

CRIPPER sind seit über zehn Jahren eine feste Konstante in der deutschen Metal-Landschaft. Mit dem 2014er Album „Hyëna“ konnten sich die Hannoveraner einen Deal bei Metal Blade angeln und die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklimmen. Die neue Platte „Follow Me: Kill!“ ist der nächste Schritt der Band, weg von ihren Thrash-Wurzeln. Wieso, weshalb, warum das Ganze, verrieten uns Gitarrist Christian und Frontröhre Britta, trotz kleiner technischer Schwierigkeiten.

Britta: Christians Rechner ist gerade abgeraucht und wir bekommen den nicht mehr ans Laufen. Ich hoffe die Verbindung über das Handy ist okay.

Aber klar, das läuft! Dann legen wir mal los. Mit der neuen CRIPPER-Platte „Follow Me: Kill!“ entfernt ihr euch ja zunehmend von euren Wurzeln und öffnet euch vielen modernen Einflüssen. Was hat diese Entwicklung ausgelöst?

Britta: Das ist gar nicht so konkret auszumachen. Es war auf jeden Fall nicht so, dass wir uns bewusst dazu entschieden haben, uns von unseren Anfängen zu entfernen. Als wir mit „Hyëna“ durch waren und es an ein neues Album ging, wollten wir den Songwriting-Prozess verändern. Wir haben unsere Songs bisher immer auf die gleiche Art zusammen im Proberaum erarbeitet. Mittlerweile wurde uns das etwas langweilig und wir brauchten mal was anderes. Deshalb haben wir zu Beginn des Prozesses das ganze Album als atmosphärische Kurve aufgemalt. Wo soll es ein heftigen Einstieg geben? Wo soll es ruhiger werden? Diese Fragen haben wir uns auch für jeden einzelnen Song gestellt. Dann haben wir was ganz verrücktes gemacht und alle Songs parallel zueinander geschrieben. Dabei haben wir uns immer wieder gefragt, in wie fern einzelne Teile im Kontext des Albums Sinn machen. Das hat definitiv zu einem anderen Ergebnis geführt als sonst.

Christian: Vielleicht noch zu deiner Frage nach den modernen Einflüssen. Wie du sagst, waren unsere ersten ein bis zwei Veröffentlichung wohl etwas traditioneller. Aber auch das war nie so beabsichtigt. Wir haben uns nie limitiert, sondern folgen nur einem logischen Prozess Schritt für Schritt. Wir hören relativ wenig traditionellen Thrash. Deshalb ist nur normal, dass auch was anderes bei uns raus kommt.

Wenn ihr gleichzeitig an allen Songs gearbeitet habt, gilt das auch für die Texte? Gibt es da vielleicht inhaltliche Zusammenhänge?

Britta: Also das Texten war eine echte Herausforderung. Dadurch, dass wir so fragmentiert gearbeitet haben, habe ich erst sehr spät angefangen, die Texte zu schreiben. Das war die kürzeste Schreibperiode, die ich jemals für die Lyrics hatte. Wenn ich Texte schreibe, ist es nicht so, dass ich mich hinsetze und mir überlege über was für ein Thema ich jetzt philosophieren möchte. Normalerweise setze ich mich hin, hör mir einen Song an und dann sprudelt es los. So war es jetzt auch. Aber dadurch, dass die Texte in einem so kurzen Zeitraum entstanden sind, spiegeln sie eine kürzere Spanne aus meinem Leben wieder, weshalb sie durchaus auch inhaltlich zusammenhängen. Außerdem sind die Texte sehr viel politischer ausgefallen als sonst. Da war ich selbst sehr überrascht. Aber die anderen fanden es auch cool und es war sowieso an der Zeit, mal eine klare Stellung zu beziehen.

Durch die vielen verschiedenen Einflüsse, die auf „Follow Me: Kill!“ zusammenkommen, klingen die Songs untereinander sehr unterschiedlich. Warum ergibt das Album in euren Augen trotzdem ein in sich stimmiges Gesamtwerk?

Christian: Wir versuchen immer innerhalb eines Songs so eine Art von Mixtur vorzunehmen. Selbst in unseren schnellen, unbarmherzigen Songs, bringen wir gerne mal Parts ein, die anders sind. Das haben wir auch auf den letzten Alben schon so gemacht. Keiner unserer Songs schießt einfach stur in eine Richtung und das verbindet sie am Ende miteinander.

Britta: Ich finde schon, dass das Album ein bisschen episodenhaft zu sehen ist. Den Zusammenhang erhalten die Songs durch das Format Album. Die Songreihenfolge ist dafür sehr wichtig und darüber haben wir uns auch viel Gedanken gemacht. Ein anderer Punkt ist der Sound, in den wir ebenfalls viel Arbeit gesteckt haben. Wir hatten sehr konkrete Vorstellungen für den Sound und haben dafür viel rumprobiert. Es war uns wichtig, sowohl für die atmosphärischen, als auch die Baller-Parts den richtigen Ton zu finden. Das war nicht immer einfach, aber ich denke der Sound hält alles gut zusammen.

Ich muss auch gestehen, dass eher atmosphärische Songs wie „World Coming Down“ oder „Running High“ für mich die Highlights der Platte darstellen. Könnt ihr euch vorstellen, dass sowas in Zukunft noch mehr Platz bei CRIPPER einnimmt?

Britta: Also wir haben in der Vergangenheit schon gemerkt, dass uns solche langen, verzwirbelten Songs live unfassbar viel Spaß machen. Man kann damit sehr gut eine Atmosphäre aufbauen und Kontakt zum Publikum knüpfen, weil es einfach intensiver ist, als ein zweieinhalbminütiger Baller-Song. Bei dem hast du Spaß, vielleicht noch ein Bier im Kopp und alles ist gut. Wir haben einfach mehr Freude an komplexeren Songs und haben deshalb auch auf dem neuen Album mehr davon zugelassen. Ich könnte mir schon vorstellen, dass das in Zukunft ein weiterer Ast wird.

Christian: Also wir brauchen eine gute Balance zwischen Partysongs, die live natürlich immer ganz gut zünden und komplexeren Stücken. Wenn wir zum Beispiel eine Headliner-Show mit über 70 Minuten Spielzeit, wer will da ausschließlich die Dreiminuten-Klopper hören? Das können vielleicht andere Bands wie SLAYER ganz gut, aber würde uns doch eher langweilen. Aber großes Lob, dass du genau die Songs raushebst. Ich sehe ja, dass du wohl eher aus dem traditionelleren Bereich kommst, deshalb freut es mich, dass dir genau die Songs so gefallen, die da herausstechen.

Ich fand die vor allem deshalb so cool, weil ihr euch damit aus der Masse hervorhebt. Es gibt ja echt wenige Bands, die im Thrash verwurzelt sind und sich sowas mal trauen.

Britta: Es fühlt sich aber nicht an wie trauen.

Christian: Klar, von außen beurteilt man das, selbst wenn man die Band durchgehend verfolgen sollte, immer in Etappen. Man hört von Album zu Album und da gibt es immer diverse stilistische Sprünge. Als Band startet der Songwriting-Prozess aber immer recht früh nach dem fertigstellen einer Platte. Deshalb fühlt es sich viel natürlicher an, mehr so als würde alles ineinander fließen. Manche Songs auf einem Album sind dann auch gerne schon mal drei Jahre alt, manche sind halt erst drei Monate alt. In unserem Fall ist es gerade etwas gleichalt, da wir das Material sehr geballt geschrieben haben.

Ihr habt ja vorhin schon kurz das Thema Live-Auftritte angeschnitten. Macht ihr euch beim Songwriting für CRIPPER schon Gedanken darum, ob die Songs live auch umsetzbar sind? Gerade im Studio hängt man sich bei einzelnen Songteilen ja doch gerne mal etwas weit aus dem Fenster.

Britta: Also wir lehnen uns nicht nur aus dem Fenster, sondern fallen gleich raus. Dadurch werden wir aber auch besser. Trotzdem gestehen wir, dass manche Songs auf dem Album für uns unspielbar sind. Es ist jetzt nicht so, dass man im Studio unendlich viele Möglichkeit hat zu mogeln. Aber manche Songs lassen sich kaum am Stück spielen, ohne das einem der Arm abfällt. Im Studio muss das eben nur einmal klappen, live ist das aber was ganz anderes.

Christian: Außerdem kommen wir zwar immer vorbereitet ins Studio, aber haben längst nicht alles endgültig festgelegt. Der ein oder andere Lead-Gitarren-Part entwickelt sich zum Beispiel erst während der Arbeit im Studio. Manchmal hat die Zeit vorher nicht gereicht, manchmal die Inspiration gefehlt. Manchmal denkt man auch beim Anhören eines Songs: „Oh, da ist aber noch ein Loch.“ Dann überlegt man sich abends noch was und spielt es am nächsten Tag ein. Manche Dinge wachsen erst im Studio zusammen. Da spielt man dann gerne noch eine dritte oder vierte Gitarrenspur ein und fragt sich: „Wer soll das denn spielen? Wir haben doch nur zwei Gitarristen.“ Wir hatten aber nie Bock drauf, dass sowas vom Band kommt. Also überlegt man sich dann, auf welche Spur man live vielleicht verzichten kann. Wir machen uns da aber nicht schon im Proberaum Gedanken drum. Sonst würde man den Song beschneiden und das wäre total blöd.

Ein Song, der mich sehr überrascht hat, ist „Mother“. Bei dem Titel hätte ich nicht mit einem so harten Stück gerechnet. Seid ihr alle so wütend auf eure Mütter oder wie kommt’s?

Britta: In dem Stück habe ich mich mit dem Thema Mutterliebe auseinandergesetzt. Auch wenn ich selber keine Mutter bin, habe ich natürlich eine. Eine Mutter-Kind- oder Mutter-Tochter-Beziehung ist von einer untrennbaren Liebe geprägt, egal was passiert. Manchmal ist das positiv, manchmal aber auch negativ. Du kannst dich eben nicht von deiner Mutter lossagen wie von anderen Menschen. Und von diesen Schwierigkeiten der Mutterliebe handelt der Song.

Vor kurzem habt ihr noch ein Video zu „Into The Fire“ veröffentlicht. In dem wird ja ein ganz schönes Gelage gefeiert, was ist die Idee dahinter?

Britta: Also dahinter steckt die Aussage, dass die Leute, die dort essen, so etwas wie Anführer oder Politiker sind, die vergessen haben, was um sie herum passiert. Sie essen ihres Gleichen und sind völlig blind für das, was um sie herum passiert. Da spielt eine Band auf dem Tisch und sie bekommen das nicht mal mit. Die Aussage des Songs ist, dass heutzutage jeder seiner Stimme Ausdruck verleihen kann. Es ist eine Aufforderung nicht jedem Idioten ins Feuer zu folgen, sondern seine Stimme zu erheben und klar zu machen, dass man nicht mit allem Einverstanden ist, was auf der Welt so geschieht.

Viele Bands geben sich heutzutage mit Lyric-Videos und einfachen Performance-Clips zufrieden. Warum war es euch wichtig da etwas mehr Aufwand zu betreiben? Lohnt sich das überhaupt noch?

Britta: Es ist einfach unglaublich Befriedigend für uns als Künstler. Die Musik ist natürlich immer das Herzstück unseres Schaffes. Aber über so ein Video kann man sich einfach sehr gut ausdrücken. Das gehört für uns einfach dazu. Wenn es nur um Klicks geht, kann man das natürlich auch anders machen.

Christian: Für uns ist das gar keine Frage, ob es sich lohnt. Es geht einfach darum, unsere Kreativität auch auf einer anderen, in diesem Fall visuellen Ebene darzustellen. Das kann das Produkt sinnvoll erweitern. Manchmal hast du Bilder im Kopf und es juckt dich in den Fingern, das auch umzusetzen. Artworks, Merchandise und Videos waren schon immer eng verknüpft und sind für uns genauso wichtig, wie ein Album. Wenn wir Shows spielen und wieder ein leichtes Plus auf dem Konto haben, wird das sofort genutzt und wir machen zum Beispiel ein neues Video.

Britta, ich hab mal zufällig auf Facebook gesehen, dass du mit CRITIAL MESS seit kurzem noch in einer anderen Band aktiv bist. Was hat es damit auf sich und hat das irgendwelche Auswirkungen auf CRIPPER?

Britta: Natürlich hat das immer gewisse Auswirkungen, wenn ein Bandmitglied noch in einer anderen Combo aktiv ist. Ich war schon lange auf der Suche nach einem zweiten Projekt. Ich hatte einfach Bock drauf mal mit ganz anderen Menschen Musik zu machen und auch stilistisch was anderes zu machen. Wir spielen Death Metal, bei dem es noch etwas härter zur Sache geht. Es hatte sich jetzt einfach so ergeben, denn die Leute mit denen ich das mache, kenne ich schon ewig. Außerdem teilen wir uns auch den Bassisten mit der Band. Also unser neuer Bassist Lommer spielt auch bei CRITICAL MESS. Wir haben jetzt auch ein Album aufgenommen und gucken mal, was das gibt. Im Vergleich zu CRIPPER ist natürlich noch nicht so viel passiert. Aber es ist eine sehr erfrischende Erfahrung und wenn man das mit zu seiner anderen Band nehmen kann, haben glaube ich auch alle was davon.

Galerie mit 20 Bildern: Cripper - Metal Diver Festival 2018
10.09.2017

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