Deicide
Interview mit Steve Asheim zu "To Hell With God"

Interview

Sie sind seit Anfang der 90er Jahre kaum noch wegzudenken aus der antichristlich geprägten Death-Metal-Szene Floridas und es ist stets eine Freude zu sehen und natürlich in erster Linie zu hören, dass DEICIDE immer noch genügend umgedrehte Kreuze im Hintern haben, um den Anhängern des heiligen Schreiners paroli zu bieten. Drummer Steve Asheim wurde kurzerhand ans Kreuz genagelt und mit Fragen zur Band, zum neuen Album „To Hell With God“ und zu immer wieder aufkeimenden Gerüchten konfrontiert.

Deicide

Hey Steve, welcome back! Oder müsste es eher heißen, ihr seid „immer noch“ da? Um „Till Death Do Us Part“ herum kursierten seinerzeit Gerüchte, dass dies‘ eventuell euer letztes Album sein würde. Ist an diesen Gerüchten etwas dran gewesen oder war das alles nur Blödsinn? Was war los?

Nun ja, in den den Gerüchteküchen wird immer viel halbgarer Mist zusammengebraut. Aber wenn man in einer Band spielt und Alben veröffentlicht, kann ohnehin alles passieren. Es hätte sicherlich unser letztes sein können, andererseits habe ich mir das auch schon bei „Serpents Of The Light“ (1997, Anm. d. Verf.) gedacht. Es ist schwer zu sagen, was die Zukunft bringt. Ich denke, solange wir am Leben sind, ist es immer möglich, dass wir an einem neuen Album basteln werden.

Wenn ich mit Leuten über DEICIDE spreche, kommen immer wieder die Hoffman-Brüder ins Gespräch. Sind sie damals (wann überhaupt genau?) eigentlich von selbst gegangen oder habt ihr sie vor die Tür gesetzt? Böses Blut? Habt ihr noch Kontakt?

Sie haben die Band auf eigene Entscheidung hin verlassen, großartig Kontakt zu ihnen besteht allerdings nicht mehr.

Soweit ich das mitbekommen habe, haben sie AMON reaktiviert. Was hältst du davon, dass sie mit der DEICIDE-Vorgänger-Band, an der du und Glen ebenfalls beteiligt wart, nochmal ins Rennen gehen wollen?

Was soll ich da sagen… ich wünsch‘ ihnen viel Glück dabei.

OK, haken wir das ab und kommen direkt zu „To Hell With God“. Jungs, ihr habt aus meiner Sicht ein überraschend abwechslungsreiches Album vor den schwarzen Altar geworfen. Ich würde sogar behaupten, dass dieses euer bislang vielseitigstes Album ist. Würdest du dem zustimmen?

Ich bin überzeugt, dass es ein wirklich gutes Album geworden ist, ich bin jedenfalls sehr glücklich damit. Die meisten Leute scheinen es auch sehr zu mögen, was natürlich eine feine Sache ist. Ich kann verstehen, was du mit Vielseitigkeit meinst – es gibt auf dem Album sowohl den DEICIDE-Stil der älteren Schule, als auch aktuellere Töne. Ich meine, wir wollen uns ja auch nicht selbst langweilen.

Der Sound ist sehr gelungen. Ihr habt mit Mark Lewis (u.a. THE BLACK DAHLIA MURDER) aufgenommen. Wie genau sah die Aufgabenverteilung aus und welchen Einfluss hatte er direkt auf das Endergebnis?

Seine Aufgabe war es vor allem, uns groß und gewaltig klingen zu lassen. Brachial, heavy, brutal – eben nur das Beste vom Besten. Deshalb hat er sich vor allem um das Schlagzeug und die Gitarren gekümmert. Ich habe schon ein paar Mal mit ihm aufgenommen und wusste daher, dass wir einen ziemlich fetten, aber dennoch transparenten Sound bekommen würden. Man soll ja in all dem Chaos auch tatsächlich was hören und erkennen.

Steve, du schreibst die meisten oder wenn ich nicht falsch liege sogar das komplette Song-Material im Alleingang oder? Wie sind die anderen beteiligt? Ich meine, mit Jack Owen und seiner CANNIBAL-CORPSE-Vergangenheit habt ihr einen erfahrenen Saitenmann, der sicher einiges beisteuern könnte.

Ja, das meiste Material seit 1995 stammt aus meiner Feder. Klar, Jacks Talent hat sich natürlich sofort angeboten, als er zu uns gestoßen ist; doch er wollte nichts schreiben, obwohl ich ihn gefragt hatte. Er wollte bloß bei den Arrangements helfen und vor allem spielen. Letztendlich hat er dann doch ein paar Songs beigetragen, und gerade diese haben dieses Old School Feeling mit reingebracht. Man kann die Unterschiede zwischen seinem und meinem Schreibstil deutlich erkennen. Und das sorgt ja dann auch für die gelungene Abwechslung.

Mir ist aufgefallen, dass ihr dieses Mal noch mehr Melodien und vor allem mehr filigrane Soli eingewoben habt. Zusammen mit dem von mir erwähntem, abwechslungsreichem Song-Material habt ihr nach meinem Empfinden mit „To Hell With God“ euer musikalisch reifstes Album abgeliefert. War es euch im Vorfeld wichtig, dass ihr euren Sound erweitert und immer feiner werdet oder stöpselt ihr einfach ein und guckt dann, was hinterher rauskommt? Arbeitest du mit einer Art Vorabvision oder nimmst du das was kommt?

Ich habe es im Prinzip wie immer gemacht: Wenn ich Songs schreibe, dann will ich so heavy, eingängig und brutal wie nur möglich sein, ohne mich dabei selbst zu kopieren oder zu wiederholen. Allerdings unterscheidet sich das Demomaterial doch ziemlich vom endgültigen Resultat, was man auf dem Album hören kann. Ursprünglich waren meine Songs wesentlich länger, mit ausgedehnteren Blastparts und viel mehr Chaos. Die Jungs haben dann dabei geholfen, dem Ganzen etwas mehr Struktur und Bodenhaftung zurückzugeben, denn ehrlich gesagt.. es war schon ziemlich heftig, was ich da anfänglich komponiert hatte. Die Arbeit im Team war echt cool, jeder hat seinen Teil dazu beigetragen, um die Songs zu verfeinern und zu vollenden. Ich denke, das hat dann auch zu dem beigetragen, was du so schön beobachtet hast, nämlich die Erweiterung unseres Sounds und dem reiferen Charakter der Musik. Wir sind alle ziemlich glücklich mit dem, was wir da geschaffen haben.

Teilen sich Jack und Ralph eigentlich die Soli oder hat einer von beiden die besseren Finger?

Wir wollten ja, das Jack einige Leads übernimmt, aber er wollte, das Ralph das alles übernimmt. Und er hat mal wieder – wie immer – einen großartigen Job abgeliefert.

Wie ist das denn jetzt überhaupt mit Ralph Santolla? Hier und da lese ich, dass er vollwertiges Mitglied bei euch ist, dann wieder, dass er nach wie vor einen Session-Job ausübt. Was ist Fakt?

Fakt ist wohl, dass er letztendlich keinen festen Status hat. Wir holen ihn wann immer es geht mit ins Boot, er ist sozusagen unsere Bandhure, hehe! Wenn er also nicht mit OBITUARY rumhurt, hängt er bei uns rum, perfekte Teilung. Solange er nicht mit den Obis unterwegs ist, wird er uns bei Aufnahmen und auf Tour begleiten. Sollte er mal keine Zeit haben, springt Kevin von ORDER OF ENNEAD ein. Wir haben da glücklicherweise einen Ersatz für Ralph gefunden, die Obis scheinbar noch nicht. Kevin ist sozusagen unser Backup, wenn wir nicht auf Ralph warten können.

Da fällt mir ein, um Glen kursierten vor ein paar Jahren Jahren auch ab und an Gerüchte, dass er keinen Bock mehr hätte. Stimmt das oder auch gossip?

Haha, er will schon seit 1992 aufhören, und tut das auch alle paar Jahre mal… nur um dann letztlich wieder zurückzukommen. Er braucht halt immer mal ne Pause, so wie jedermann. Wir haben schon so lange zusammen durchgehalten, das werden wir auch weiterhin tun.

Mir ist bereits auf den letzten Alben aufgefallen, dass Glen seine hohe Kreischstimme weniger einsetzt als früher, bzw. wird sie, wenn sie vorkommt, nicht gleichwertig soundmäßig eingesetzt, sondern wird stets sekundär behandelt. Ich persönlich fand es gerade auf euren ersten Alben so geil, wie dieser doppelzüngige Satan da am Mikro brüllt und kreischt. Satanischer geht’s eigentlich kaum.

Er macht das, weil er das so wollte. Wenn man den Studiokram innerhalb von drei Tagen erledigt haben will, muss man eben nehmen was man kriegt. Genauso läuft’s auch, wenn man eine längere Zeit im Studio verbringt; es kommt halt immer darauf an, was man anstrebt. Die Stimme, die du auf dem neuen Album hörst, ist also genau das, was er diesmal wollte.

Besonders sticht mir da „Legion“ ins Auge. Zugegeben auch das Album von euch, welches mir am allerbesten gefällt. Das Teil ist einfach Killer von vorne bis hinten. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass ihr die Scheibe zweimal aufnehmen musstet, weil die erste Aufnahme zu schnell gespielt war und das Album sonst viel zu kurz geworden wäre. Es folgte angeblich eine zweite Aufnahme-Session, in der ihr das Tempo reduziert habt. Ist das wahr? (Wenn ja könnt ihr das Ding in Zukunft ja mal als Bonus mitveröffentlichen. Würd‘ ich gern mal hören das Gehämmer)

Wenn ich mich recht erinnere, ging es in dieser Geschichte um „Once Upon The Cross“. „Legion“ ist natürlich schon verdammt schnell, „Once Upon The Cross“ dagegen einen Tick langsamer. In der ersten Session beliefen sich die Songs auf insgesamt etwa 25 Minuten. Wir haben das Ganze dann nochmal in einer etwas gemäßigteren Geschwindigkeit aufgenommen, allerdings nicht um einfach Zeit zu schinden – es hat den Songs auch mehr Raum zum Atmen gelassen.

Deicide

„To Hell With God“ ist natürlich ein typischer DEICIDE-Titel, wie es sich jeder wünscht, der DEICIDE mag und hört. Ihr habt also noch lange nicht die Faxen dicke davon, den Christen ans Bein zu pinkeln?

Haha, nein, offensichtlich nicht. Hey mann, wenn du in einer Band namens DEICIDE spielst… Death Metal spielst… was willst du da schon erwarten? Wir tun was wir können, für die Menschheit.

Ich habe euch in den 90ern mal live gesehen (das war in Hamburg, glaube zur „Legion“) und musste damals schon feststellen, dass du ein beeindruckend präziser und vor allem wahnsinnig schneller Drummer bist. Ist dir eigentlich bewusst, dass du mittlerweile einen recht guten Ruf als Schlagwerker besitzt?

Danke für das Kompliment. Ob ich mir meines Rufs bewusst bin? Eher nicht, es ist eher ein Nicht-Ruf… mir ist das egal. Ich prügel einfach weiter drauf los, kümmere mich um mein Schlagzeug, nehme die Dinge wie sie kommen – und mein Ruf, der kommt ganz gut mit sich selbst klar.

Wie wichtig ist dir Technik in der Musik und wie sieht für dich die optimale Balance zwischen eben Technik, simpler Eingängigkeit (?) und mitreißenden Killerparts aus?

Nun, da kommt dann das Künstlerische ins Spiel. Viele Musiker können technisch absolut topfit sein, haben aber kein echtes Händchen für eingängige Riffs; das kriegen dann andere besser hin. Man muss seine Optionen abwägen, wenn man versucht wirklich mitreißende Death Metal Songs zu schreiben. Es geht darum, die Balance in den eigenen Fähigkeiten zu finden, seine eigenen Möglichkeiten zu entdecken.

Gibt es Bands oder Alben, die dich in letzter Zeit beeindruckt haben?

Ehrlich gesagt, nein, weil sich alles in meinem Kopf nur um DEICIDE und ORDER OF ENNEAD dreht. „World Painted Blood“ von SLAYER gefiel mir allerdings sehr gut.

DEICIDE auf deutschen Bühnen – Werdet ihr „To Hell With God“ hierzulande auf den Brettern promoten?

Davon kannst du ausgehen. Soweit ich weiß, wurden auch schon einige Termine in Deutschland bestätigt. Wir werden natürlich auch Songs des neuen Albums spielen, ich freue mich schon darauf, wieder auf deutschen Bühnen zu stehen.

Danke für die bereitwillige Auskunft. Ihr gehört unumstritten zur Speerspitze des Florida-Death-Metals! Weiter so!

Danke ebenfalls! Das Rad der Geschichte lässt sich halt schlecht zurückdrehen, hehe.

Galerie mit 10 Bildern: Deicide - Party.San Metal Open Air 2023
14.02.2011

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