Der W
Interview mit Stephan Weidner zu "III"

Interview

Der W

DER W, das ist nicht nur Stephan Weidner wie er leibt und lebt, obwohl er natürlich für den Namen der Band Pate steht, sondern auch Dirk Czuya an der Gitarre, JC Dwyer am Schlagzeug und Henning Menke am Bass. Nur um das noch einmal zu betonen. Denn dass es sich beim W um ein echtes Bandgefüge handelt, lässt Stephan in unserem Interview immer wieder durchblicken. Wir haben aber nicht nur über die Band und Stephans Gefühl innerhalb dieses Gefüge gesprochen, sondern auch über den unheimlich großen und wichtigen Erfolg von „III“, haben frei heraus und kontrovers „Autonomie!“ hinterfragt und am Ende sogar noch ein ernstgemeintes Angebot für all jene unter euch ergattert, die mit Stephan und DER W eigentlich gar nichts am Hut haben. Lest selbst.

 

Stephan, erst einmal gute Besserung! Ich hoffe deinem Arm geht es mittlerweile schon etwas besser? Ihr habt aufgrund dieses „Malheurs“ – hoffentlich für jeden verständlich – die Tour, die eigentlich im November stattfinden sollte, auf den April verschoben, wenn ich richtig informiert bin. Wie „weh“ tut einem Musiker eigentlich eine solche Entscheidung zu treffen? Oder ist eine Tour für dich wie jede andere Arbeit auch, d.h. es spielt für dich keine Rolle, ob du nun unterwegs bist oder im Studio dein eigenes Album oder das von anderen produzierst?

Meinem Arm geht es gut, danke der Nachfrage. Ich habe keine Schmerzen mehr und seit der OP keine Taubheitsgefühle gehabt. Allerdings habe ich den Arm, auf ärztlichen Rat, keiner großen Belastung ausgesetzt. Mitte Januar beginne ich wieder mit dem Gitarre spielen und damit meine Muskulatur aufzubauen. Erst dann zeigt sich wohin die Reise geht. Ich bin aber zuversichtlich in Kürze wieder der Alte zu sein.

Eine Tournee zu verschieben tut immer weh. Und diese besonders. Gerade weil wir schon darauf brannten, die neuen Songs live zu präsentieren, wir gut vorbereitet waren und die Stimmung innerhalb der Band nicht besser hätte sein können. Nach monatelanger Arbeit im Studio und der so positiven Resonanz auf DER W III wäre die Tour der perfekte Jahresabschluss gewesen. Dementsprechend schwer fiel es uns die Konzerte zu verlegen. Wir haben lange hin und her überlegt und auch darüber nachgedacht, die Tour mit einem anderen Gitarristen zu spielen. Letztendlich haben wir uns aber gegen diese Option entschieden, weil wir fanden, dass unser Publikum einen fitten W und eine eingespielte Band zu sehen bekommen sollte, wir jede Show genießen wollten und Dirk, JC und Henning der Meinung waren, dass es unserem Vibe und der extrem guten Bandchemie vielleicht nicht gut täte. Außerdem ist unser Nightliner schon voll belegt und keiner wollte seine Koje teilen, haha. Spaß beiseite, eine Tourverlegung hat natürlich auch eine wirtschaftliche Komponente, und ohne das Verständnis und Entgegenkommen aller involvierten Unternehmen und Clubbesitzern hätte die Absage ein finanzielles Fiasko werden können. Auch das Verständnis der Fans, die kaum Karten zurückgaben, ist nicht selbstverständlich. Ich darf mich daher an dieser Stelle bei allen Hallenbesitzern, bei meiner Crew, Caterern, Nightliner-Verleihern und bei Rockshop für ihre Unterstützung und Kulanz bedanken. Das war ganz großes Kino.

Die Arbeiten im Studio und während einer Tour sind elementar anders. Ich mag beides. Wäre die ewige Warterei auf den Auftritt nicht und würde ich meine Familie nicht irgendwann vermissen, könnte ich mit dieser Band ewig on the Road sein. Es gibt nicht viel, dass so befriedigt, wie an einem guten Abend in die Augen der Menschen im Publikum zu sehen, das Gefühl, sie erreicht zu haben und für zwei Stunden miteinander verschmolzen zu sein.

„III“ ist bereits dein drittes „Solo“-Album innerhalb von nur vier Jahren – das geht ja Schlag auf Schlag! Bist du so ein kreativer Kopf, oder arbeitest du manchmal auch mehrere Tage oder sogar Wochen an neuen Songideen und den Texten?

Ich könnte noch viel kreativer sein, würde ich mich nur um die Musik kümmern können. Ich glaube, dass die Businessseite und das ganze Drumherum den Großteil meiner Zeit beanspruchen. Danach kommt das Texten und dann erst der Kompositionsprozess. Die Freiheit eigene Entscheidungen treffen zu können, kreativ und geschäftlich selbst zu bestimmen, die Kontrolle, Übersicht und die Verantwortung in allen Bereichen zu haben und zu beanspruchen, frisst jede Menge Energie und Zeit. Ich will das so und jammere diesbezüglich nicht. Und ja, ich sitze oft Wochen und Tage an Songs und Texten. „Sleep is the enemy“ singt DANKO JONES so treffend…

Gratulation! „III“ hat Platz Zwei in den Media Control Charts erreicht. Trotzdem hört man DER W noch immer nicht wirklich im Radio. Drauf geschissen oder ärgert dich diese Ignoranz doch etwas?

Wenn ich ehrlich bin, ist die Antwort ein klares „Jain“. Ich bin in der privilegierten Situation keine Radiosongs schreiben zu müssen und will das auch gar nicht. Trotzdem hätte ich nichts dagegen, würden unsere Songs einer breiteren Menge zugänglich gemacht. Massenkompatibel möchte ich aber nie werden, auch wenn ich meine das Rezept zu kennen. Mir wäre dabei nicht wohl in meiner Haut, schreibe ich doch zu allererst für mich.

Deine Texte sind sehr offen und lassen schon ziemlich deutlich durchblicken, was dir am Herzen liegt. Wie schwer fällt es dir eigentlich, diese Art „Seelenstriptease“ auf der Bühne darzustellen? Oder hat das eine mit dem anderen für dich wenig zu tun?

Ich lasse die Leute nur das hören und sehen, was ich will. Wer glaubt mich zu kennen versteht die Komplexität meines und aller Wesen nicht. Ich habe kein Problem damit, meine nachdenkliche und verletzliche Seite zu zeigen und zu teilen. Ich mag Texte mit Tiefgang, kann und will nur über Dinge singen die ich wirklich fühle oder mitfühle. Ich finde es erfüllender meinen Zuhörern zu vermitteln, dass sie nicht alleine sind, dass wir alle weinen, scheißen, fressen, trauern, lieben, verletzen, zweifeln und voller Fehler und Ängsten sind. Na und? Wenn ich mit nun fast 50 Jahren immer noch über Gewalt, Saufen, Exzesse und von „wilden Jungs“ singen würde, würde ich mein „heute“ nicht akzeptieren und meine Verantwortung anderen gegenüber nicht erkennen. Es gibt für alles eine Zeit. Ich bin auch heute noch nicht domestiziert und liebe es, das Tier in mir von der Leine zu lassen. Ich muss das aber nicht mehr jedem mitteilen, habe das ausgiebig bei den ONKELZ getan und jedes Wort gelebt. Seelenstriptease? Ja und gerne, aber die Klamotten behalte ich an. Auch wenn man glaubt, in meinen Texten die Person Stephan Weidner 100% erkennen zu können, stimmt das nur zum Teil. Ich fühle mich beschenkt, meine Umwelt und die Menschen die darin leben wirklich spüren und mit ihnen fühlen zu können. Viele meiner Songs handeln von ihnen und ihrem Schmerz, der dann in meinen Texten zu meinem wird. Bei allen Tränen, es wird auch irgendwo gelacht. Ich lache gerne und viel!

Wie beurteilst du eigentlich ganz allgemein die Entwicklung vom ersten zum zweiten, und jetzt zum dritten Album?

Ich sehe sie als Prozesse, als Momentaufnahmen und Teil meiner persönlichen Entwicklung und Findung als Sänger und Gitarrist. Aus einem Projekt entwickelte sich in wenigen Jahren auf ganz natürlich Weise eine Band. Jedes Album hat seine Qualitäten und Makel und wird von mir geliebt. „III“ zeigt die Möglichkeiten und das Potenzial, das in dieser Band steckt, am deutlichsten auf, und nimmt deshalb eine Sonderstellung ein. Es macht einfach so viel mehr Spaß in einer Band zu spielen, als mit „Hired Guns“ unterwegs zu sein. Hätte ich erahnen können, dass dieses „Wir“-Gefühl noch einmal in mir aufkommt, hätte ich mich bzw. uns nicht DER W genannt.

Nimm’s mir nicht übel, aber „Autonomie!“ ist für mich auch nach vielen Monaten, die die Platte in meinem CD-Player mittlerweile rotiert, teilweise immer noch ein harter Brocken. Es gibt da diese ganz besonderen Songs wie z.B. „Fleisch“ oder „Lei(D)figuren“, die bei mir auf Anhieb „click“ gemacht haben, aber dann gibt es da auch einige Stücke, die ich mir kaum anhören kann und meistens überspringe, wie z.B. „Urlaub mit Stalin“ oder „Der Hafen“. Wolltest du mit diesem Album viel zu viel, und ich habe deshalb den Eindruck, dass das Album ein wenig „überladen“ wirkt?

Diese Meinung hast Du nicht alleine. Ich kann heute nachvollziehen was Du meinst. Auch wenn jeder mit dem ich spreche andere Kritikpunkte und einen anderen Titel nennt mit dem er nicht klar kommt. Vielleicht haben wir zu viel gewollt und experimentiert. Vielleich waren Sound und Stil zu wenig homogen. Aber gerade das war auch das spannende an „Autonomie!“. Und nicht wenige teilen diese Auffassung. Wir wollten einfach keine gute Idee am Straßenrand stehen lassen, entdecken und alles ausprobieren. Dem klassischen Metal- und ONKELZ-Fan bluteten dabei wohl möglicherweise die Ohren. Ein wenig Absicht war da schon dabei – ich mache Musik ja nicht um Erwartungen zu erfüllen, haha.

Ich finde aber, das Album war gesanglich schon ein ganzes Stück reifer als „Schneller, Höher, Weidner“, oder?

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob Gesang wirklich „reif“ sein kann, denn ich als Konsument sozusagen „beurteile“ Songs anhand des Songwritings und dem Ganzen, aber die Songs auf „Autonomnie!“ waren natürlich schon als Einheit ausgeklügelter… Im direkten Vergleich mit „Autonomie!“ ist „III“ meiner Meinung nach dann auch ein gesunder Schritt zurück. Das Album klingt straight, sehr rockig und macht einfach Spaß. Siehst du das genauso oder zumindest ähnlich?

Sehe ich genauso. Das Album rockt einfach mehr, die Songs und der Sound wirken homogener und sind es auch. Dieses Mal wurde jeder Song und jede Song-Idee gemeinsam gejammt, weiterentwickelt und auf Bandkompatibilität geprüft. Wir glauben jetzt „unseren“ Sound gefunden zu haben, sind überzeugt davon, erst ganz am Anfang zu stehen. Wie spannend ist das denn? Ich will jetzt endlich touren und den Scheiß live spielen!!

Was macht für dich persönlich denn einen perfekten Song aus? Kannst du uns spontan ein Beispiel nennen?

Den perfekten Song gibt es möglicherweise gar nicht. Aber es gibt ein Lied für jeden Moment und jede Stimmung. Die Besten schaffen es, dass du in ihnen versinkst und nehmen dich mit. Beim Bier mit den Kumpels kickt mich andere Musik als beim Sex. Wenn ich alleine im Auto sitze lege ich GLUECIFER auf und anderen Schweinerock. Beim Kochen und beim Essen darf es Ambient sein und mal elektrisch brutzeln. Den perfekten Song für eine Fahrt durch die Wüste und bzw. oder nachdem du dich von einer Frau getrennt hast, den gibt es: ARCHIVEs „Again“.

Vielen Dank für die Gelegenheit zu diesem Interview! Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen? Die letzten Worte an dieser Stelle gehören dir:

Vielen Dank für euer Interesse und die Möglichkeit des Interviews. Wer das liest ist doof, haha.

Wer bisher keinen Bock auf unsere Band hatte, keinen Cent an uns verschwenden würde, mich aufgrund meiner ONKELZ-Vergangenheit oder meiner Arroganz eh noch nie ausstehen konnte, trotzdem aus unerklärlichen Gründen dieses Interview gelesen hat und sich traut mir das zu mailen, den lade ich herzlich Backstage auf ein Bier bei einem DER W-Konzert seiner Wahl ein. Natürlich mit Begleitung und anschließendem Gedankenaustausch. Das Angebot ist ernstgemeint! Schreibt uns an: info@3r-entertainment.de. Bei Nichtgefallen gibt es die vorgefertigte Meinung zurück.

 

Fotograf: Christian Thiele

Galerie mit 25 Bildern: Der W - Wacken Open Air 2023
03.01.2013

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1 Kommentar zu Der W - Interview mit Stephan Weidner zu "III"

  1. Gorgoth sagt:

    Gilt das Angebot, Backstage auf nem Der W Wunschkonzert, n Bier mit dir zu zischen Stephan auch für Fans, die es geniesen bei deiner Mucke abzurocken, die deinen musikalischen Weg schon Jahrzehnte verfolgen,die die die Onkelz lieben,(wat n deutsch … die die die XD ) statt dich oder einen der anderen Jungs zu verachten und auch für jene die doch hier und da ma etwas Schotter für CD´s,Shirts und Konzerte ausgegeben haben und denen deine Arroganz am Arsch vorbei geht, weil sie dich so mögen wie du bist? Denn lade mich herzlichst dazu ein 😀 Bin im Astra Berlin 20.4. dabei ^^

    Gehab dich wohl bis dahin und noch gute Besserung für deinen Arm! \m/