Destruction
Mehr Satan als je zuvor

Interview

Zehn Jahre nach „Thrash Anthems“ liefern DESTRUCTION einen zweiten Teil ihrer Neuaufnahmen ab. „Thrash Anthems II“ verpasst elf weiteren Klassikern eine Frischzellenkultur. Frontmann Schmier hat sich unseren Fragen zur Arbeit im Studio und der heutigen Bewertung alter Problemfälle gestellt.

Guten Abend Schmier, wie geht’s dir so? Hast du dich gut von deinem Sturz auf dem Summer Breeze erholt?

Schmier: Ja geht, das dauert natürlich etwas. Ich hab direkt danach ’ne Schulter-OP gehabt. Die Schulter ist einfach ein tragender Teil des Körpers, deshalb muss ich im Moment noch ein wenig aufpassen. Wir hatten kurz danach schon ein paar Shows, da musste ich ganz schön aufpassen. Jetzt mache ich gerade etwas Reha und Muskelaufbau. Mittlerweile bin ich wieder bei etwa 70 Prozent. Wann ich die 100 wieder erreiche, ist aber noch nicht klar. Eigentlich durfte ich mich nach dem Unfall knapp sechs Wochen gar nicht bewegen, weil ich den Arm in einer Unfallschlaufe hatte. Ich bin jemand, der gerne Sport macht. Wenn man dann zu Hause sitzen muss und merkt, wie alles steif wird, ist das ungeil. Aber ich hatte noch Glück, die Bänder sind nicht gerissen und insofern ist das noch ganz gut verlaufen.

Jetzt habt ihr mit „Thrash Anthems II“ ’ne neue DESTRUCTION-Platte am Start. Wie seid ihr denn darauf gekommen, genau zehn Jahre nach dem ersten Teil noch mal solche Neuaufnahmen alter Klassiker zu machen?

Schmier: Wir haben seit der Reunion regelmäßig alte Kamelle neu vertont und als Bonustracks verwendet. So kam es dann auch zur ersten „Thrash Anthems“, viele Leute wollten, das wir Mal eine ganze Platte mit neuen Versionen dieser alten Kamellen machen. Natürlich gibt’s auch immer die, die sagen, die Klassiker seien unantastbar, aber das ist am Ende nun mal unsere Entscheidung. Wer das nicht kaufen will, muss es halt nicht kaufen. Trotzdem war die erste Platte ein Erfolg. Auf unserem letzten Album „Under Attack“ haben wir auch „Thrash Attack“ noch mal neu eingespielt und das kam auch wieder extrem gut an. Da kam dann die Frage auf: „Ey, nächstes Jahr wird ‚Thrash Anthems‘ zehn Jahre alt, wollen wir sowas nicht noch mal machen?“ Dann habe ich ein wenig in Fankreisen rumgefragt und viele hielten das für eine geile Idee. Deshalb sind wir zwischen der Europa- und der USA-Tour spontan ins Studio gegangen und haben das aufgenommen. Zu dem Zeitpunkt hat Nuclear Blast noch gesagt: „An einem Best-Of-Album sind wir nicht interessiert.“ Deshalb kam es dann auch zu dieser Pledge-Kampagne. Die Fans haben die Songs mit ausgewählt und wir haben verschiedene limitierte Formate angeboten, um die Platte zu finanzieren. Trotzdem bin ich froh, dass Nuclear Blast die Platte jetzt doch macht. Keep it in the family halt.

Jetzt hast du mir meine Frage, wie es zur Pledge-Kampagne kam schon vorweg genommen. Aber warum hat sich Nuclear Blast dann doch zu einer Zusammenarbeit für die Platte entschieden?

Schmier: Am Anfang redet man oft über ein Projekt, unter dem man sich nichts konkretes vorstellen kann. Blast sind zudem auch quasi ausgebucht und haben viele Releases am Start. Da kann ich schon verstehen, dass die eher kein Best Of wollen. Als sie das Endergebnis gehört haben, waren sie aber doch interessiert. Natürlich geht’s da auch ums Geld. Eine Plattenfirma zahlt nicht gerne einen großen Vorschuss für Aufnahmen und für Best-Of-Alben am liebsten gar keinen. Da mussten wir dann ein bisschen nachverhandeln. Am Ende des Tages sind wir aber sehr happy bei Blast. Die Fans, die gepledget haben, haben jetzt die limitierteste DESTRUCTION-Scheibe ever bekommen. Wir haben nur 150 gepresst und 600 CDs. Das war’s. Diese Erstauflage wird irgendwann super rar sein, Ich denke, das ist für die Fans ein cooles Ding. Für uns war das auch interessant. Ich würde es nicht unbedingt noch mal machen, weil wir uns um alles alleine kümmern mussten. Das war anstrengend und viel Arbeit. Ich will aber keine Plattenfirma sein, deshalb ist es gut, dass Nuclear Blast das jetzt doch macht.

Die Fans hatten ja auch Einfluss auf die Tracklist der neuen Platte. Gab’s denn auch Songs, die ihr auf jeden Fall drauf haben wolltet?

Schmier: Das ganze Auswahlverfahren war entwaffnend, weil es zwischen uns und den Fans quasi Einstimmigkeit gab. „Frontbeast“, der bislang ja nur auf einem Demo erhältlich war, wurde am meisten gewünscht. Ansonsten halt die Klassiker wie „Confused Mind“, „Satan’s Vengeance“, „The Antichrist“ und so. Es gab einen Song, den einige genannt haben, den wir nicht wollten. Zum anderen war es auch schwierig einen Song von der „Cracked Brain“ auszuwählen, denn mehr wollte ich dann auch nicht davon machen. Die alten Songs sollten eben im Vordergrund stehen. Aber am Ende ging es natürlich darum, was willst du als Musiker spielen und was kannst du heute noch vertreten? Es war schon sehr lustig, im Studio die Texte rauszuhören. Für manche Songs gab es keine Lyric-Sheets mehr. Da mussten wir bei unserem alten Schlagzeuger im Keller suchen oder das Internet zu Rate ziehen. Da standen natürlich oft falsche Lyrics, die die Fans selbst rausgehört haben. Ich hab im Studio noch nie so oft „Satan“ gesungen, jetzt wo die ganzen alten Evil-Songs zusammenkamen, hahaha.

Du hast ja gerade schon „Cracked Brain“ angesprochen. Obwohl die Platte ein etwas schwieriger Punkt in der Geschichte von DESTRUCTION ist, habt ihr auf beiden „Thrash Anthems“-Alben jeweils einen Song davon aufgenommen. Ist es vorstellbar, dass es in Zukunft noch mehr von dem Album mit deiner Stimme zu hören gibt?

Schmier: Also ich sag mal, die Zeit heilt ja alle Wunden. Ich war beim Entstehungsprozess der Platte noch dabei und bin währenddessen ausgestiegen. Das hat natürlich Narben hinterlassen und auch lange wehgetan. Aber irgendwann war auch mal gut. Vor zehn Jahren schon, bei „Thrash Anthems“, war das kein Problem mehr für mich, etwas davon zu machen. Außerdem weiß ich auch, dass der Titelsong der Platte gut bei den Fans sehr gut ankommt, weshalb wir den auch öfter live gespielt haben. Nächstes Jahr gibt es noch mal Neuauflagen unserer alten Klassiker als Remaster auf CD. Die sind ja alle nicht mehr so gut erhältlich. Vielleicht machen wir „Cracked Brain“ dann als Doppel-CD, eine mit den Original-Versionen und eine mit meinen Vocals. Wir haben sogar noch ein paar bislang unveröffentlichte Bonustracks von der Scheibe gefunden. Da könnte man sicherlich ein wertiges Re-Issue machen. Aber deshalb wollten wir auf „Thrash Anthems II“ auch nicht zu viel verblasen, weil wir eben vielleicht was sehr spezielles machen können. Wobei das auch davon abhängt, wie wir uns da mit der Plattenfirma einig werden.

Du hast vorhin schon die Schwierigkeiten mit den Texten angesprochen. Versucht ihr bei solchen Neuaufnahmen den Charakter der Songs beizubehalten oder geht es auch darum, die Stücke neu zu interpretieren?

Schmier: Also der Respekt vor den Songs steht immer im Vordergrund. Deshalb haben wir auch nicht viel an den Stücken geändert. Klar, ein paar Arrangements hier und da haben wir verändert. Aber ich hab sogar beim Singen versucht, den 80s Spirit zu erhalten und mit einer ähnlichen Einstellung wie damals ranzugehen. Unser Produzent V.O. Pulver kennt DESTRUCTION schon lange und hat uns immer mal wieder gesagt, wenn wir irgendwo zu viel gemacht haben. Das verlief immer sehr respektvoll. Wir wissen ja auch, was die Fans wollen. Die Stücke neu zu interpretieren hätte den Spirit der Originale zerstört und das wollten wir auf keinen Fall.

Auf „Thrash Anthems“ hattet ihr damals noch zwei komplett neue Songs im Gepäck. Warum habt ihr diesmal darauf verzichtet?

Schmier: Die erste „Thrash Anthems“ entstand ja auch so ein bisschen, um die Zeit zwischen zwei Scheiben zu überbrücken. Diesmal ist „Under Attack“ noch gar nicht so alt. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, keine neuen Songs zu schreiben. Stattdessen haben wir uns für die „Holiday In Cambodia“-Covernummer entschieden. Mike kam an und meinte: „Hey, damals 86/87 haben wir das doch öfter gespielt. Lass uns den doch auf der Platte machen.“ Außerdem weiß ich, dass viele DESTRUCTION-Fans auch Bezug zu so altem Punk-Kram haben. Darum war das ein bisschen ein Herzenswunsch für uns.

Jetzt hast du ja vor kurzem auch mit deinem Nebenprojekt PÄNZER eine neue Platte veröffentlicht. Wie steht Mike eigentlich zu der Band? Hatte er am Anfang vielleicht Bedenken, dass sich das negativ auf DESTRUCTION auswirken könnte?

Schmier: Naja, son‘ bisschen komisch hat er schon geguckt am Anfang. Aber er weiß ja auch, dass ich professionell genug bin, um das trennen zu können. Mit DESTRUCTION spielen wir das ganze Jahr über und da muss PÄNZER dann hinten anstehen. Doch es gibt eben auch Phasen, wo bei uns nicht so viel geht und da würde ich mit PÄNZER nächstes Jahr gerne noch ein paar Shows spielen. Mike versteht das auch. Er hat keinen Bock auf ein zweites Projekt und das kann ich auch verstehen. Aber ich mach eben einfach gerne Musik. Bei PÄNZER habe ich einige alte Freunde um mich geschart und diesen klassischen Heavy Metal zu spielen macht richtig Bock. In der Beziehung kommt sich das Ganze eigentlich nicht ins Gehege.

Gestartet hast du die Band mit Stefan Schwarzmann und Herman Frank. Beide haben dafür ihren Post bei ACCEPT geräumt. Trotzdem ist Herman zwischenzeitlich ausgestiegen. Wie kommt’s?

Schmier: Herman Frank wollte ein Solo-Projekt machen und da konnte ich ihm dann auch nicht helfen. Ich bin jemand, der auch seine eigenen Songs schreiben will. Wir haben PÄNZER gegründet, um unsere eigenen Songs im PÄNZER-Style zu schreiben. Herman ist ein sehr großer Songwriter und hatte viel Nachholbedarf auch selber Songs zu schreiben. Deswegen ist seine Soloband für ihn jetzt optimal. Da ist er der Chef und alleinige Songwriter. Er kann jedes Jahr ’ne Platte rausdonnern und deutschen Heavy Metal spielen. Er ist echt ’ne Riffmaschine. In der Beziehung ist er, glaube ich, ganz happy, so wie es ist. Jetzt macht jeder seins. Wir haben unser Ding ein wenig aufgefrischt und er hat auch ’ne coole Platte gemacht und hat seine Freiheiten.

Galerie mit 13 Bildern: Destruction - Metal Hammer Paradise 2023
10.11.2017

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