(Dolch)
Tanzbare Tode und Shakespeare

Interview

(DOLCH) kamen um 2014 mit ihrer ersten, schlicht „Demo I“ betitelten Veröffentlichung um die Ecke und waren durch Mundpropaganda im Untergrund in aller Munde. Kurz darauf wurde mit „Licht.Maschine.Herz“ ein weiteres Demo bei Totenmusik nachgeschoben, woraufhin das deutsche Qualitätslabel Ván anbiss. Ein schneller Aufstieg.

Umso beachtlicher, da die Musik kaum mit Promo oder großen Touren beworben wurde, die Demos aber trotzdem weggingen wie warme Semmel und die Originale heute begehrte und beinahe unerschwingliche Sammlerstücke sind. Das war unter anderem Anlass, die beiden Demos in Form einer Compilation kurze Zeit später zusammenzulegen, behutsam zu erneuern (re-mastered und mit neu aufgenommenen Bassspuren unterlegt) und unter dem Namen „I + II“ bei Ván erneut zu vertreiben. Ein Jahr später (2016) folgte eine Split mit KING DUDE, seines Zeichens ebenfalls Vertrauter in vielen Verbundprojekten bei Vàn. Dieses Jahr ging es für (DOLCH) und KING DUDE zusammen mit den Housemates von THE RUINS OF BEVERAST auf kleine Europatour. Kurz zuvor wurde noch neues Futter in Form der EP „An den Mond“ veröffentlicht. Mittlerweile ist auch die nächste Veröffentlichung „III: Songs of Happiness… Words of Praise“ erschienen. Grund genug um mit den im Hintergrund agierenden Künstlern, die sich erstaunlich bedeckt halten (können), ein paar Worte zu wechseln…

(DOLCH)

Grüße ins (DOLCH) Camp! Wie lief es auf der Tour mit KING DUDE und euren Labelkollegen THE RUINS OF BEVERAST?

Hallo! Diese Tour war das bisher größte Abenteuer, welches wir mit unserer Musik bestreiten durften. Es war wild, erfolgreich, lustig, anstrengend und wir konnten eine Menge lernen. Wir zwei waren mit 16 anderen, unglaublich liebenswürdigen Menschen in einem Nightliner unterwegs, unserem Zuhause für 2 Wochen – und wir durften mit zwei, bzw. drei großartigen Bands die Bühne teilen. Teilweise waren die Shows ausverkauft, Essen, Anderlecht, Paris, London und Jena zum Abschluss waren für uns die Highlights!

Wie ist es damals zu der Kollaboration mit Ván gekommen und wie läuft die Zusammenarbeit? Totenmusik ist weiterhin für die Tapeveröffentlichungen zuständig?

Wir haben damals, ohne viel Erwartung, einfach ein Tape an Sven von Ván Records abgegeben. Dann haben wir uns persönlich getroffen und ein Bier getrunken (oder auch zwei, drei…). Die Zusammenarbeit läuft perfekt, wir fühlen uns bestens aufgehoben, nicht nur bei der besten Adresse für Tonkunst, sondern auch in der Ván-Familie, denn genau das ist es, eine Familie! Totenmusik ist weiterhin das Label für unsere Tapes, richtig, und das ist genauso perfekt für uns.

Gibt es noch potentielle Traumpartner, was zum Beispiel Touren oder Splits angeht?

Also wir haben gerade wie oben erwähnt mit THE RUINS OF BEVERAST auf derselben Bühne gestanden, am Ende auch gleichzeitig dort oben musiziert bzw. gesungen, ich weiß nicht was jetzt noch kommen soll? Die Split mit KING DUDE und eine Coverversion von DEAD MOON, wofür wir persönlich bei Fred & Toody Cole um Erlaubnis gebeten haben, lassen eigentlich keine Wünsche mehr diesbezüglich offen.

Als Tourpackage seid ihr tendenziell eher mit Bands die einen dunklen, atmosphärischen Sound haben unterwegs, eure eigene Musik fällt auch grob in diese Richtung (mit Metal hat eure Musik ja eher weniger zu tun, trotzdem seid ihr auf einem Label welches vorwiegend in der Richtung liegt und auch optisch und vom dunklen, atmosphärischen Sound kommt die Ästhetik von (DOLCH) dem Umfeld recht nahe). Gleichzeitig habt ihr auf „An den Mond” ein Cover einer amerikanischen Punkband. Gibt es überhaupt so etwas wie Berührungsängste in musikalischer Hinsicht bei euch?

Genau, Du sprichst vom Lied „Dagger Moon“ von DEAD MOON. Das ist eine unserer Lieblingsbands, nicht nur musikalisch, sondern hier stimmt einfach alles, die Leute hinter der Band, das Design. Ich finde DEAD MOON sind, trotz allem „punkigen“ Charme, sehr, sehr düster, düsterer als viele Black Metal Bands, die ständig nach Luzifer jauchzen. Auf jeden Fall passt das super zu uns und zu unserem Label, aber wenn Du gezielt von Berührungsängsten sprichst: Außer Ska und Reaggae fürchten wir uns vor nichts! Wir verstehen uns in erster Linie als Künstler, wir wollen kommunizieren, das ist wichtiger, als zu „entertainen“. Um unsere Ideen zu kommunizieren, bedienen wir uns vielfältiger Mittel, rein musikalisch, meine ich. Alles andere ist langweiliges Schubladendenken. Dafür haben wir keine Zeit und dafür gibt es auch keinen Grund.

Was können wir Neues von III im Hinblick auf die musikalische Vergangenheit von euch erwarten (Die EP war zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht draußen, Anm. d. Redaktion)?

Meiner Meinung nach ist es nicht so weit weg von den alten Sachen. Hier und dort etwas elektronischer vielleicht, etwas experimenteller. Wir wollten eine sehr dichte, fast unangenehme Stimmung erzeugen, passend zu den Inhalten der Lieder. Diesen Zusammenschluss von Inhalt/ Aussage und Musikalität zu erzeugen hat sich nicht verändert. Thematisch geht es um Situationen oder Probleme, die man nicht im Vorbeigehen lösen kann, Krisen und Ängste, die sich unglaublich endlos, zermürbend und tödlich darstellen können, meistens. So ungefähr soll es, musikalisch betrachtet, klingen. Vielleicht ein ganz kleines bisschen tanzbarer, trotz der ganzen Schwere, „The River“ und “ Hydro 1″ sind so etwas, tanzbare Tode, leicht elektronisch, schön, aber doch kalt.

„III” ist relativ gesehen, recht zeitig nach „An den Mond” herausgekommen. War da einfach noch so viel Restkreativität die heraus musste oder war es schon länger geplant die Werke nacheinander herauszubringen?

Wir schreiben fast ständig Songs. Die „An den Mond“ 7“ war für uns einfach ein neues Lebenszeichen, sind I&II ja schon 3 Jahre alt. „An den Mond“ ist allerdings auch schon so alt, wäre damals fast mit auf Demo II gekommen, passte dann aber thematisch nicht. Der Song ist auch ganz anders geworden, als wir ihn eigentlich haben wollten. Live spielen wir immer noch die alte Version. Wir arbeiten außerdem seit über einem Jahr an unserer Debüt LP. Die E.P. „III – Songs of Happiness…“ war eigentlich nur ein Nebenprodukt dieses Prozesses und jetzt, da wir es komplett in den Händen halten können, merken wir, das ist gut geworden. Und wir waren froh, dass uns diese neuen Lieder auf der Tour begleitet haben. Trotzdem ist III „nur“ ein Zwischenschritt, jetzt geht es weiter mit den Aufnahmen der ersten richtigen LP.

Was habt ihr gemeinsam mit anderen Bands von Ván und was unterscheidet euch?

Das ist eine Frage, die wir nicht beantworten können. Das müssen andere Leute sagen. Wir können nur sagen, dass die Ván-Familie eine besondere ist und wahrscheinlich verbindet alle Bands dieses Gefühl!

Hat (DOLCH) eine bestimmte Agenda oder lasst ihr euch einfach treiben beim Erschaffen neuer Musik und der Umsetzung (auch visuell, auf der Bühne, bei Covergestaltung und Lyrics, etc.)?

Treiben lassen wir uns nicht oder weniger. Wir arbeiten an der Musik und an den Texten sehr hart, auch wenn das vielleicht anders rüberkommt. Eigentlich ist jedes Detail genau geplant oder gewollt. Da wir – wie oben bereits erwähnt – musikalisch vielleicht zwischen den Stühlen sitzen, gibt es da auch nur eine „Agenda“: Wie kann ich meine Aussage am besten kommunizieren? Mit welchen musikalischen Wegen vertone ich jenes Gefühl, jene Idee?

In eurer Musik stecken eine Menge offensichtlicher und nicht so offensichtlicher Einflüsse. „An den Mond“ ist quasi Intonation von Goethes gleichnamigem Gedicht. Habt ihr weitere literarische Vorbilder oder noch andere Inspirations- und Interessensfelder (bezogen auf die Musik als auch privat)?

Es gibt viele Einflüsse die aufgesogen werden können oder in einem unterbewusst arbeiten. Es sind Menschen auf der Straße, im eigenen Umfeld oder Künstler, die einen prägen, begleiten. Wenn du Namen möchtest: Büchner, Kane, Lorca, Rückert, Shakespeare, bis hin zum Buch Hiob. Man muss das Glück haben gewisse Anstöße zur rechten Zeit zu finden. Im Alltag oder beispielsweise im Theater.

(DOLCH) während der Tour mit KING DUDE und THE RUINS OF BEVERAST am 21.10.2017 im Gebr. de Nobel, Leiden (NL). Copyright Coen Bastiaanssen

Ihr haltet euch was Online-Präsenz aber auch sonstiges angeht – Live-Auftritte, Interviews, Bandhistorie, Privates – äußerst bedeckt. Hat das einen bestimmten Grund oder ist der ganze Zirkus um Aufmerksamkeit nicht so das Eure und ihr wollt lieber die Musik sprechen lassen?

Letzteres, die Menschen hinter diesem Projekt sind natürlich sehr, sehr wichtig, aber nur für uns selbst. Um unsere „Kunst“ zu verstehen, reicht es, die Musik zu hören, die Texte zu verstehen und vielleicht noch das Artwork, das Design zu mögen. Das reicht doch auch, oder? Wir sind nicht so medienaffin und agieren eher im Hintergrund, vielleicht sind wir sogar zu schüchtern, keine Ahnung. Aber so sind wir nun mal. Viele Leute schätzen das aber an uns, mittlerweile mache ich mir da aber auch weniger Gedanken drum, was andere darüber denken.

Könntet ihr euch in eigenen Worten kurz vorstellen und einen kurzen Abriss der Bandgeschichte von (DOLCH) geben?

Nun ja, das würde ja alles, was grade eben gesagt wurde, auf den Kopf stellen. Wir sind Irgendwer .Wir sind Oder auch Niemand! Das muss reichen. Wem das nicht reicht, soll sich vorstellen, dass wir extrem hässliche Typen sind…, es ist also vielleicht besser, nicht nachzufragen!

Bandname und Logo sind ja ziemlich einzigartig und stehen auch in Verbindung zueinander (Ich habe gelesen die Klammergeschichte ist ein Kompromiss, da mit Schrift das Dreieck nicht dargestellt werden kann). Könnt bzw. wollt ihr den Namen und das Dolchsymbol näher erläutern?

Eigentlich gibt es keinen Namen, sondern nur das Symbol. Es ist, so viel kann ich verraten, entmilitarisiert. Also eigentlich friedlich. Und doch steht die Klinge des Kurzschwertes natürlich auch für ein Kreuz oder einfach für den Tod, sowie – paradoxerweise- für den Kampf dagegen oder dafür. Für mich persönlich ist dieses Symbol ein Schutzschild.

Wenn ihr jeweils 3 Stärken und Schwächen aufzählen müsstet bei euch persönlich, aber auch musikalisch, also wo ihr vielleicht noch hinwollt mit eurer artistischen Vision – was wären jene?

Das wird jetzt etwas kryptisch klingen, aber: Im nächsten Jahr werden genau 3 Dinge geschehen und kommuniziert, die genau unsere Stärken und Schwächen beschreiben bzw. zeigen werden. Je nach Geschmack und Intelligenz des Empfängers natürlich. Diese Antwort muss zunächst reichen. Sorry…

Wie würde eine potentielle visuelle Aufarbeitung von (DOLCH) in Zukunft aussehen… oder zu welchem Film würde eure Musik vielleicht gut als Soundtrack passen?

Am besten wäre es, wenn wir unsichtbar sein könnten. Das wäre in gutes visuelles Konzept für unsere Zukunft. Unsichtbar, aber doch da, durch die Berührung der Musik! Wenn ich könnte, würde ich gerne den Soundtrack zu einem weiteren ROCKY BALBOA Film schreiben, David Lynch dürfte uns auch fragen, aber der macht ja selber schon den perfekten Soundtrack für seine Bilder… Ich fände uns auch in einer Inszenierung von ‘Dona Rosita oder die Sprache der Blumen‘ ganz gut aufgehoben.

Interessiert euch die „Szene” bzw. jegliche Zuordnung überhaupt oder spielt ihr stumpf euren Stiefel durch ?

Mich interessiert keine Szene und ich mag den Begriff auch nicht besonders! Wir gehören nirgends wirklich hin. Allerdings haben uns die Menschen aus der „Metal-Szene“, wenn Du unbedingt dieses Wort benutzen willst- bis jetzt stark unterstützt, das bleibt im Kopf und im Herzen!

Was war das skurrilste oder ärgerlichste was ihr im Musiker-Dasein bisher erlebt habt?

Ärgerlich ist es z.B. jedes Mal, wenn wir live Fehler machen, auch wenn das niemand sonst direkt mitbekommt. Oder wenn die Leute meinen, irgendwie versuchen zu müssen, uns zu filmen und unsere Gesichter fotografieren zu müssen. Wenn wir versuchen, ein schönes, dunkles Licht auf der Bühne zu kreieren und Du dann ein Blitzlicht direkt ins Gesicht bekommst. Aber damit müssen wir wohl leben und es ist wohl besser so, als wenn sich niemand für uns interessieren würde.

In meinen Augen gibt es heute bei kleinen, gefeierten Bands im Untergrund die Tendenz – ob aus Hype oder finanziell schwieriger Lage – oft limitierte Auflagenzahlen zu haben, nicht nur für Tonträger sondern auch für Merch wie Shirts oder Patches, die dann oft später bei Auktionshäusern zu horrenden Preisen weggehen. Wie steht ihr zu diesem Markt bzw. dem „Kult“ der sich um manche kleine Bands da bilden kann, aber auch die Erweiterung des Marktspielraums (um den Begriff Kommerzialisierung mal geschickt zu umschiffen) zum Beispiel bei großen Bands (Stichwort Kaffee von Behemoth, Iron Maiden-Bier, AC/DC-Wein usw.) ?

Das entscheidet jede Band für sich selbst…ob Kult oder Kaffee. Wichtiger ist für mich als Musikliebhaber, dass ich mich auch nach mehreren Veröffentlichungen für eine Band begeistere und dazu stehe.

Was sind die Lieblingsplatten in eurer Sammlung und „Guilty Pleasures“ ?

Das wäre eine Endlosliste und würde hier den Rahmen sprengen. Wir haben so viel Lieblingsmusik hier rumstehen und es ist doch egal, was wir persönlich mögen. Es gibt aber auch eigentlich keine Guilty Pleasures. Für welche Musik, die man mag, soll man sich denn bitte schämen? Vor wem denn bitte?

Platz für letzte Worte:

Vielen Dank für Euer/Dein Interesse!

Galerie mit 9 Bildern: (Dolch) - De Mortem Et Diabolum 2022 in Berlin
Quelle: (DOLCH), Toni (Totenmusik)
28.11.2017

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1 Kommentar zu (Dolch) - Tanzbare Tode und Shakespeare

  1. M sagt:

    Mit Freude gelesen! Vielen Dank.