Eskimo Callboy
Interview mit Sushi und Kevin auf dem Summer Breeze

Interview

Eskimo Callboy

Ihr habt heute auf einem der größten Metal-Festivals Europa gespielt. Wie ist es gelaufen und denkt ihr, einige Metalheads von euch überzeugt zu haben?

Sushi: Wir hatten im Vorfeld wirklich etwas Schiss. Es ist ein reines Metal-Festival und es gab natürlich auch einige Diskussionen um unsere Teilnahme. Aber dass es dann so abgeht, hatten wir wohl alle nicht erwartet. Zumal wir ja recht zeitig dran waren.

Kevin: Viele Metalheads sind sehr schwer zu überzeugen. Wir haben in den letzten Monaten ja die erste Welle genommen, also die Leute für uns gewonnen, die uns da vorne rumhampeln sehen wollen und auch verstehen, dass es dabei einfach nur um Party machen geht. Das Publikum hier auf dem Summer Breeze ist natürlich viel kritischer. Und das ist ja auch ganz klar, wenn man sieht, was hier für Acts auftreten.

Sushi: Beim Soundcheck haben wir gesehen, dass ein bisschen was los war. Dann sind wir wieder hinter und haben uns vorbereitet. Und als ich dann kurz vor der Show nochmal einen Blick von der Bühne warf, hat es mich echt umgehauen. Mit so vielen Leuten habe ich wirklich nicht gerechnet.

Wie kam es eigentlich dazu, dass ihr diese wirklich eigenwillige Form von „Partycore“ entwickelt habt?

Sushi: Zunächst einmal haben wir angefangen wie jede andere Band auch – im Proberaum und mit eigenen Metalcore-Songs und damals auch mit ernsten Texten. Aber irgendwie waren wir nicht vollkommen zufrieden mit dem Zeug. Eines Tages trafen wir uns dann im Proberaum und beschlossen, musikalisch und textlich einfach mal den größten Bullshit zu machen, der uns einfallen würde. Und am Ende klang das so bekloppt, dass wir unbedingt mal damit auftreten wollten.

Kevin: Wir haben uns da gar nicht so viele Gedanken gemacht. Wir haben alle unseren eigenen Musikgeschmack. Die einen mögen Death Metal und übles Geknüppel, die anderen stehen eher auf Electro. Und das haben wir versucht, zusammenzubringen. Natürlich zieht man auch immer Inspiration aus anderer Musik. Wichtig ist dann nur, dass man dem ganzen auch eine eigene Note verpasst. Und ich denke, dass wir dass geschafft haben.

Wie reagieren denn Musiker anderer Bands auf euch?

Sushi: Wir haben uns mit den UNEARTH-Jungs letztens ein Weilchen unterhalten, und auf dem With Full Force hat uns auch der Frontmann von EVERGREEN TERRACE angequatscht. Er meinte, dass er während ihrer Tour unseren Namen ein paar Mal gelesen hatte und nun, da er uns gesehen hat, wollte er uns sagen, dass er super findet was wir so machen. Das war natürlich eine große Ehre, wenn man so etwas von so einem gestandenen Musiker gesagt bekommt.

Kevin: Klar machen wir uns auf der Bühne zum Affen. Dennoch – das ist unsere Form von Kunst und natürlich wollen wir als Künstler auch ernst genommen werden. Und diesbezüglich muss ich sagen, haben wir seit es für uns erfolgreicher läuft, nur positive Reaktionen von anderen Musikern erhalten.

Wie viel Prozent von ESKIMO CALLBOY sind Spaß – und wie viel musikalischer Anspruch?

Sushi: Ich denke, das hält sich die Waage. Wichtig für uns ist, dass wir das machen, worauf wir Bock haben. Und klar machen wir uns über die Musik auch viele Gedanken. Wir wollen ja nicht irgendwas zusammenstümpern.

Kevin: Irgendwann hatten wir mal eine Diskussion in der Band: die einen haben gemeint, wir müssten uns auf der Bühne mehr bewegen. Darunter leidet aber in der Regel die Spielqualität. Deswegen meinten die anderen, man müsste erst die Musik arrangieren und erst wenn das perfekt klappt und jeder Ton sitzt, über Bewegung nachdenken. Letztlich ist aber beides wichtig. Der Vorteil bei uns ist sicherlich, dass auch mal eine Gitarrensaite reißen kann, ohne dass man den Song abbrechen muss, haha.

Um eure Texte gab es ja einige Diskussionen. In der Sozialforschung gibt es beispielsweise eine Theorie, dass menschen- und insbesondere frauenverachtende Texte im Metal vor allem die Folge der Urangst vor der Weiblichkeit seien – habt ihr Angst vor Frauen?

Kevin: Das kommt natürlich auf die Frau an, haha! Ich beispielsweise habe ab und zu Angst vor meiner Freundin. Zum Beispiel dann, wenn ich vergessen habe, die Zahnpastatube zuzumachen. Aber im Ernst: Es gibt da derzeit eine große Diskussion um uns, zum Beispiel auch in unserem Heimatort. Und wir verstehen, was die Leute uns vorwerfen – wir sind ja nicht doof, sondern benehmen uns nur so, haha. Die meisten verstehen einfach nicht, dass man ESKIMO CALLBOY mit einem dicken Augenzwinkern sehen muss. Ich selbst habe auf Tour mit vielen Leuten darüber gesprochen. Beispielsweise hat mir eine schwarze, lesbische Amerikanerin einmal nach der Show gesagt, was wir Deutschen denn für einen Stock im Arsch hätten. In den USA würde man sich über uns einfach nur totlachen.

Sushi: Es ist eben auch so, dass wir eine bestimmte Ausdrucksweise für Humor gewählt haben, die in unserer Gesellschaft mittlerweile absolut gängig ist. Wenn mir mein Kumpel sagt, mein Shirt sähe schwul aus, dann ist er nicht schwulenfeindlich, sondern dann zeigt das, dass sich diese Begrifflichkeiten eingebürgert haben. Vielleicht reagieren die Leute auch so sensibel, weil sie das insgeheim wissen. Und wir haben ihnen quasi den Spiegel vorgehalten.

Kevin: Und mal ehrlich, wenn man sich die Texte der meisten Death- oder Black-Metal-Kapellen da draußen anguckt, sind unsere Lyrics Kinderkram dagegen.

Waren eure Mütter denn schon einmal auf einem Konzert von euch und wissen die überhaupt, was ihr da so veranstaltet?

Sushi: Ja, meine Mutter war letztens auf einer unserer Shows. Sie fand es ganz unterhaltsam, hat mich aber nach dem Konzert zur Seite genommen und zu mir gesagt: „Sebastian, du sollst keine Flaschen ins Publikum werfen“, haha. Im Gegenzug muss ich bald zum Konzert in die Kirche, meine Mutter singt da nämlich im Chor. Das war die Abmachung, haha.

Kevin: Mein Vater ist da sehr entspannt und eher der Pragmatiker. Er kam zu einer Show und sah mich da halbnackt auf der Bühne und mit Bier überschüttet rumkriechen. Und er meinte nur: „Ihr müsst eurem Soundmann unbedingt mal sagen, dass er die Höhen rausnehmen muss“, haha.

Ihr kommt ja aus dem Ruhrpott. Habt ihr denn Kontakt zu den Pott-Legenden SODOM oder anderen Bands?

Sushi: Na klar. Tom Angelripper zum Beispiel. Der kommt ja aus Essen und säuft wie ein Loch. Und den sieht man immer mal, haha.

Kevin: Der kommt aus Gelsenkirchen, du Idiot!

Sushi: Wie auch immer. Jedenfalls geht der gerne in den „Frosch“, das ist so ’ne Metal-Kneipe in Gelsenkirchen. Und meine Frau von der Total-Tankstelle gegenüber, die kennt den! Und mit der unterhalte ich mich immer.

Kevin: Ganz toll! Naja, jedenfalls sind wir mit SODOM natürlich auch alle groß geworden. Da führt kein Weg dran vorbei, wenn man aus dem Pott kommt.

Habt ihr noch weitere musikalische Projekte neben ESKIMO CALLBOY?

Kevin: Es gibt so furchtbar unflexible Menschen, die zählen einem sofort ihre drei Lieblings-Death-Metal-Bands auf, wenn man sie nach ihrem Musikgeschmack fragt. Aber so sind wir nicht. Es ist so, dass wir auch über ESKIMO CALLBOY hinaus sehr interessiert sind. Ich selbst beispielsweise höre alles, von Rock bis Metal, Jazz und so weiter. Wir kommen alle aus unterschiedlichen Richtungen. Sushi beispielsweise macht auch ein bisschen Akustik-Kram. Aber uns allen fehlt da im Moment wirklich einfach die Zeit, um diese Dinge ernsthaft weiter zu verfolgen. Die Band nimmt da neben dem Privatleben und dem Studium einfach zu viel Raum in Anspruch.

Wird man ESKIMO CALLBOY einmal unplugged erleben?

Sushi: Du wirst lachen, aber auf einem Festival in Gelsenkirchen, auf dem wir nicht auftreten durften, hatten wir eigentlich so etwas in der Richtung geplant. Mal schauen, es hängt ja auch ein bisschen von den Rahmenbedingungen ab. Vielleicht probieren wir das nochmal, irgendwann.

Wir sind alle Kinder der Youtube-Generation. Ihr habt ja kürzlich auch ein Musikvideo zum Song „Is Anyone Up“ veröffentlicht. Wie wichtig sind Musikvideos heutzutage für die Band-Karriere?

Sushi: Unglaublich wichtig. Der ganze Plattenmarkt ist ja mehr oder weniger tot. Es ist ja nicht mehr so wie damals, als man Viva geschaut und dann in den Plattenladen gegangen ist, um sich die Platte zu besorgen. Die Leute hocken heute vor dem PC und wollen möglichst easy an den ganzen Kram rankommen.

Kevin: Wo du früher eine gebrannte CD unter Freunden herumgereicht hast, gibt es heute Youtube und Facebook und was weiß ich. Du kannst so schnell und einfach Tausende Menschen irgendwo auf der Welt erreichen. Andererseits wirst du aber auch viel durchsichtiger als Mensch, das Internet ist überall, haha. Naja, es ist der Lauf der Dinge, schätze ich.

Wird heute noch ordentlich gefeiert?

Kevin: Ganz ehrlich, das ganze Rumgespringe und Gemache bei unseren Shows ist schon ziemlich anstrengend. Ich bin da hinterher immer ganz schön im Sack. Klar gibt es da noch ein paar Bierchen, aber das ist alles weit weniger wild, als man denkt. Wir müssen heute Abend auch schon wieder weiter. Wir werden uns noch ein paar Bands reinziehen und dann irgendwann geht’s in den Bus.

Wen wollt ihr denn besonders gerne sehen?

Sushi: SIX FEET UNDER!

Kevin: Ich liebe Chris Barnes, weil ich früher viel CANNIBAL CORPSE gehört habe. Dem werde ich gleich noch versuchen, ’ne Locke abzuschneiden, haha!

Der sitzt gerade vorne am Stand und macht Autogrammstunde…

Kevin: Was?!!! Verdammt, ich muss los! Und tschüß!

Galerie mit 20 Bildern: Eskimo Callboy auf dem Knockdown Festival 2019
31.12.2012

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