Fjoergyn
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Interview

"Sade Et Masoch": faustische Verführung oder eine Ode an die Stärke einzelner Individuen inmitten des schwächelnden Mobs in naturfernen Zeiten? Oder beides? Nun, nach Veröffentlichung von FJOERGYNs neuer CD "Sade Et Masoch" ist es gerade noch der richtige Zeitpunkt (denn die Ernte im Herbst wartet schon auf uns und unsere helfenden Hände), Bandleader Stephan L. ein wenig über das bemerkenswerte Album und das dunkle Naturwesen FJOERGYN auszuhorchen.

FjoergynZunächst mal möchte ich dir sagen, dass ihr mit eurem neuen Album „Sade Et Masoch“ ein vielschichtiges tiefgehendes, komplexes und facettenreiches Werk veröffentlicht habt. Lass uns jedoch erst mal einen kleinen Rückblick in die Bandvergangenheit werfen. Wann genau habt ihr beschlossen, FJOERGYN zu gründen und was geschah bisher in eurer Bandgeschichte? Und kannst du kurz etwas zu den bisherigen Veröffentlichungen sagen?

Auf wann sich eine genaue Gründung datieren lässt, kann ich Dir nicht sagen, da die Idee bereits länger in meinem Kopf reifte. Das Jahr 2003 würde jedoch am ehesten zutreffen, da ich zu jener Zeit dem Großteil der Kompositionen nachgegangen bin. Das eigentlich als Soloprojekt geplante Agieren nahm jedoch mit dem Hinzukommen von „Andreas T.“ eine schnelle Wendung. Er half mir während der Aufnahmen am Bass und erschloss mit mir die überdimensionierten Soundlandschaften des damaligen Debuts „Ernte im Herbst“. Als ich ca. ein Jahr nach der Veröffentlichung unseres Debuts Martin L. traf, fand sich ein sehr fähiger Schlagzeuger und vor allem Freund, der unsere musikalischen wie auch ideellen Ansichten vertrat, wodurch es feststand ihn für unsere Art Musik zu gewinnen. Martin ist seitdem ein festes Bandmitglied und arbeitete sich perfekt in den Entwicklungsprozess der Lieder ein. Ich freue mich einen derartig talentierten Musiker an meiner Seite zu haben. Leider ist Andreas T. noch während der Aufnahmen zu „SADE ET MASOCH“ ausgestiegen, wodurch ich den Bass auf unserem aktuellen Album eingespielt habe. Mittlerweile proben wir mit zwei neuen Musiker, die die Bühnenpräsenz FJOERGYNs untermauern sollen.

Was bedeutet eigentlich der Bandname FJOERGYN? Wofür steht er? Und was bedeutet der Titel des neuen Albums „Sade Et Masoch“?

FJOERGYN ist der Inbegriff des Gedeihens. Sie verkörpert die Natur gleichermaßen wie unser gesamtes Leben. Der von uns gewählte Name ist gleich unserer Musik „viel interpretierbar“ und dennoch aus einer grundlegenden Kernaussage bestehend. FJOERGYN steht synonym für Mutter Natur und symbolisiert für mich die größte und phantasievollste Ideenlandschaft unserer Welt.
„Sade et Masoch“ verkörpert für mich das Gleichgewicht der menschlichen Evolution. Abgeleitet von Marquis de Sade und Leopold von Sacher Masoch bediene ich mich ihrer Namen, um das menschliche Schaffen in seiner deutlichsten Eigenheit zu präsentieren; von Neid und Gier zerfressen.

Was auf unsere heutige Zeit auch recht deutlich zutreffen dürfte. „Sade E Masoch“ ist meiner Ansicht nach etwas gitarrenorientierter ausgefallen als der Vorgänger „Ernte Im Herbst“. Wo siehst du die Unterschiede zu dieser Kult-Scheibe?

Danke bzgl. „Kultscheibe“ J. Den größten Unterschied sehe ich in der inhaltlichen Orientierung. „Sade et Masoch“ versucht den einen Teil von „Ernte im Herbst“ näher zu analysieren. „Ernte Im Herbst“ stellte den Konflikt zwischen Mensch und Natur da. „Sade Et Masoch“ hingegen erklärt den ersten einzelnen Charakter dieses Konflikts. Ich habe mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln versucht den Menschen in seiner Art musikalisch zu definieren. Es musste härter und weniger verspielt als „Ernte Im Herbst“ ausfallen. Ich arbeitete bewusst mit Monotonie, mit kalten Klangfarben und einer dezenter eingesetzten Verspieltheit der einzelnen Instrumente. Das könnten markante Unterschiede sein, die unseren Stil, den wir eigentlichen gar nicht haben J, anders erscheinen lassen. Betrachtet man jedoch beide Alben in einem Kontext und sucht bewusst nach Parallelen, ist „Sade Et Masoch“ nicht mehr derartig weit von „Ernte Im Herbst“ entfernt.

Wie würdest du denn euren Stil definieren? Immerhin finden sich bei euch atmosphärische Zwischenspiele neben schwarzmetallischen Ausflügen in die Klassik, bisweilen dominieren die Gitarren („Katharsis“), variable Vocals bringen weitere Klangfarben ins düstere Spiel.

Ich habe keine Ahnung… Wir sind FJOERGYN… Stets im Wandel und dennoch im Ursprung gleich.

Der charismatische, bisweilen fast gehauchte, dann wieder wütend bedrohliche Gesang ist ein Markenzeichen eurer Musik. Mir gefällt das, es passt weit besser als heroische Klargesänge, die derzeit von vielen Bands gern aufgeboten werden. Ich hoffe doch stark, ihr behaltet das so bei?

Ja natürlich. Ich wusste nicht, dass es zu unseren Markenzeichen gehört aber es freut mich zu hören, welche Assoziationen mit unserer Musik geweckt werden. Die Stimme kann man genauso vielseitig einsetzen wie ein Instrument und ich mag emotionale Wechsel, wie man sie durch plötzliches Schreien und dem Auffangen in Flüsterpassagen erzeugen kann.

Nun zu den Gitarren-Licks: sie sind härter, brummender, heavier als früher. Es gibt rhythmisch orientierte Hooks, gut von schwebenden klassischen Keys und durchaus hämmernden Drums untermalt. Wie stimmt ihr das ab, wenn ihr komponiert? Entstehen die Songs zuerst auf dem Klavier?

Meistens verfahren wir so. Die musikalische Grundlage wird auf dem Klavier geschaffen und wir erarbeiten uns themenspezifisch einzelne Elemente der Songs. Es ist von Song zu Song unterschiedlich.

Dann gibt es immer wieder diese bedrohlich dunklen Black Metal-Passagen, für mich das Korsett der Songs. Ist das die beste Ausdruckform für die Musik, die euch vorschwebt? Sozusagen Romantik auf Metal?

Ich liebe Metal. Er kann Träger aller Emotionen sein. Ich würde dabei jedoch nicht Black Metal herausgreifen und sagen, dass dieser unsere einzige mögliche Ausdrucksform ist. Ich bin mit dieser Musikrichtung aufgewachsen, weiß jedoch nicht, in welche Richtung ich mich noch entwickeln werde. Momentan ist er fester Bestandteil unserer Musik und auch das dritte Album, soviel sei verraten, wird im Metal (hoffentlich auch Black-!!! Anmerkung Stendahl) verankert sein. Wie man sicherlich hier und da hört mag ich keine musikalischen Grenzen, wodurch ich auch nicht sagen kann, wie sich unsere Musik in zehn Jahren anhört.

Eure neuen Songs sind derart komponiert, dass einige Durchläufe nötig sind, die Feinheiten zu erkennen. Beim ersten Anhören dachte ich, wie kompliziert, dann waren es diese verführerischen faustischen Melodien und Einflüsterungen, denen ich erlag. Legt ihr Wert auf Songs, die man sich in vielen Hördurchgängen erschließen muss, die wachsen? Mir gefällt euer Album nach inzwischen häufigem Hören besser und besser, was selten vorkommt.

Es ist nicht das Ziel, aber ich finde es unglaublich interessant wie eine Melodie reifen und wachsen kann.
Es ist langweilig normale Dur-Harmonien zu einer Melodie zu verwursten. Sie muss Träger von Emotionen sein und kann sich dabei auch erst beim 100. Mal Hören erschließen.

Die gebotene Abwechslung steht euch gut. Die Klavierpassagen sind transparent eingespielt, der Bombast trifft ins Mark. Manchmal denke ich schon, einer gefährlichen Verführung anheimzufallen, so hymnisch-hypnotisch tönt eure Musik. Klassizistisch, ornamentiert, gigantisch, das Starke herrscht und thront… Ist das schon Darwinismus oder ein faustisches Spiel?

Musik ist ein Medium, dass alles in seinem Gewand vereinen kann. Sie entzündet sich bei jedem anders, jedoch hat sie die Macht, unabhängig vom Komponisten Gefühle aufzuwecken, denen man sonst nie verfallen wäre. Man könnte sie, und dies lässt sich auch am Beispiel der einstigen Jesuiten aufzeigen, als etwas diabolisches sehen. Sie verführt, bewegt und verändert. Sie kann den Menschen gleich einer Stimme in Trance versetzen… Musik ist das mächtigste Medium, das sich „entgegen aller medienwissenschaftlicher Ansichten“ seinen Rezipienten sucht.

Eine interessante Aussage, ich glaube, da müssen wir uns nochmals zusammensetzen und das Gesagte etwas vertiefen. Im dem sehr starken Song „Masoch“ gibt es eine unglaublich faszinierende Passage. Ab Minute 0:44, diese Instrumentalpassage, die habe ich schon einhundert Male gehört. Dann der Akustikteil, tolle Gitarrenlicks übrigens, danach diese immense nahezu unerträgliche Steigerung, ab 3:05 ertönt eine der besten Melodien (mit allerfeinstem Gesang) der letzten Jahre, eine eindringliche, sensationelle Sequenz. Wie seid ihr nur darauf gekommen? Ganz groß, wirklich!

Das ist eine gute Frage… Masoch ist ein schwieriger Song. Er ist gewaltig und trotzdem in sich verworren. Die erste und nötigste Auflösung erfuhr er im Einsatz des Klargesangs. Es galt die Hinführung in ihrem rockigen und bestimmenden Gewand aufzulösen und sich in ihrem Grundcharakter vorzustellen. Ich finde es interessant, dass gerade dieser Song bei Dir heraussticht.

Immer wieder, ganz ungemein… Atmosphäre durch äußerst geschickte Dramaturgie orchestral-romantischer Art, ist das ist euer Rezept? Wo habt ihr das eigentlich gelernt? Denn eure Arrangements sind schon viel besser, durchdachter, komplexer als die der Konkurrenz.

Ich weiß nicht ob die besser sind, aber einem Kompliment steht man gerne offen gegenüber J . Musik darf nicht langweilig werden. Sie darf monoton sein, aber selbst hier sollte sie das nicht publik machen. Ich kenne leider kein Rezept für den besten Song der Welt, aber ich suche weiter. Leider sind wir fast alle Autodidakten was die Harmonielehre usw. angeht, nur unser Schlagzeuger hat eine Ausbildung am Instrument genossen.

Worum genau geht es eigentlich in euren Texten? Warum verwendet ihr die deutsche Sprache?

Die deutsche Sprache ist meine Muttersprache. Ich kann sie weitaus besser und kunstvoller einsetzen, als wenn ich mich in einer anderen Sprache versuchen würde. Mein Wortschatz in ihr wäre einfach viel zu klein. Die Songs an sich erzählen Geschichten. In ihnen verankert thront der Titel unseres Albums. Jede Geschichte trägt eine Quintessenz in sich und ist in tausenderlei Richtung auf das 21. Jahrhundert anwend- und interpretierbar. Sie sollen keine Wahrheit offenbaren. Viel mehr sollen sie den Hörer zum Nachdenken anregen.

Wie entstehen eigentlich eure Songs? Wovon lasst ihr euch leiten, inspirieren?

Die beste Inspiration bietet das Leben. Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht man immer wieder mal einen Auszug unserer Texte.

Spielt die Musiktheorie eine Rolle bei euch?

Da wir in der Harmonielehre gewissermaßen Laien sind, kann ich das nur bedingt bejahen. Jedoch weiß ich aus meinem Musikverständnis heraus, was als harmonisch und konsonant verstanden wird. Dahingehend ist Musiktheorie ein wichtiger Bestandteil. Während der Arbeiten an unserem neuen Album hat sich dieser Punkt als wesentlich herausgestellt. Es erweitert oftmals die hörbaren Möglichkeiten und macht des weiteren eine neue Herangehensweise an einen Song möglich. Immerhin verwissenschaftlicht man damit das Komponieren.

Interessiert ihr euch eigentlich dann auch für modernere Musikstile? Immerhin gibts ja bisweilen modernere Klangtupfer bei euch.

Modern ist ein weitgehender Begriff. Ich finde BJÖRK grandios. Ebenso gefallen mir die neuen Alben von ULVER gleich ihren Frühwerken. Musik kennt für mich keine Grenzen. Lediglich der Geschmack entscheidet, was meinen CD-Player beglückt und was eben nicht. Moderne Musik fängt bei SCHÖNBERG an, wenn man es genau nimmt bereits bei BEETHOVEN. Wo also möchte man einen Strich ziehen. Es lässt sich schlecht analysieren von welchem Zeitpunkt an man Musik als modern bezeichnen kann. Allgemeiner „Viervierteltakt – Pop“ ist eine Restbestandsverarbeitung der Musikindustrie, daher würde ich ihn der Moderne so oder so entziehen.

Einverstanden. Seid ihr zufrieden mit der Produktion eures Albums? Mir erscheint sie ungewöhnlich gut ausbalanciert.

Das freut mich. Wir teilen Deine Meinung und sind mit Jens Bachmann als Produzenten sehr zufrieden. Er ist ein hervorragender Musiker, was ihn als guten Produzent erfolgreich macht.

Habt ihr eigentlich schon Pläne für die Zukunft?

Wir arbeiten bereits seit einem halben Jahr am dritten Album und wir glauben, dass sich dann manch fragender Blick zerschlagen wird.

Das Cover von „Sade E Masoch““ finde ich sehr eigenartig. Was steckt dahinter?

Der Apfel ist das Sinnbild der Verführung. Ihm haben wir das irdische Leben zu verdanken, daher ist er auch sein vielversprechender Inhalt. Der Biss in ihn, seine Versuchung, die dem Menschen mit jedem Tag wieder ins Gesicht peitscht ist allgegenwärtig.

Mit welchen deutschen Bands seid ihr besonders befreundet? Kann man überhaupt von einer echten Szene sprechen?

Wir haben bei unseren Konzerten einige Bands kennenlernen dürfen, jedoch sind unsere Kontakte auf Konzerte begrenzt. Wir alle haben sehr viel zu tun, wodurch man sich nur selten sieht. Ich bin mir sicher, dass es da eine Szene gibt, jedoch haben wir nur bedingt an ihr Teil.

Könnt ihr uns noch was zu Touraktivitäten sagen? Gibt es Konzerte, und wenn ja, doch hoffentlich auch hier in der Nähe? Ich wäre sehr neugierig, wie ihr diese orchestralen Songs umsetzt.

Wir spielen dieses Jahr einige Festivals und werden voraussichtlich einen Abstecher in die Schweiz machen. Leider ist noch keine Tour geplant, wir arbeiten jedoch daran. Vielleicht hast Du die Möglichkeit und bist bei dem ein oder anderen zugegen.

Das wäre eine Aussicht. Wollt ihr noch was loswerden?

Ich danke Dir für Dein in den Fragen sichtbar gewordenes Interesse an unserem Schaffen. Ebenso all den Hörern und Lesern, die sich mit FJOERGYN beschäftigt haben. Hoffentlich sieht man sich auf einem Konzert! Ich habe zu danken,
Stephan L.

Ich möchte mich bei dir für die interessanten Antworten bedanken. Auf die Konzerte bin ich gespannt…

Galerie mit 23 Bildern: Fjoergyn auf dem Summer Breeze Open Air 2017
08.08.2007

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