Hacride
Hacride

Interview

Anspruchsvoller Metal scheint momentan wahrlich ein Exportschlager in Frankreich zu sein – gerade im extremeren Bereich ist unser Nachbarland seit wenigen Jahren das reinste Wespennest. Besonders erwähnenswerte Vertreter des bunten musikalischen Programms sind die Progressivknüppler HACRIDE, die in diesen Tagen ihr Zweitwerk "Amoeba" auf die ahnungslose Menschheit loslassen. Grund genug, Adrien Grousset, den Klampfologen und Sampleexperten der vierköpfigen Formation, mit ein paar Fragen zu löchern. Dabei zeigte Grousset sich nicht gerade als der redseligste Musiker, aber die Informationen, die man ihm so entlocken konnte, machen die latente Wortkargheit locker wieder wett.

HacrideHi Adrien! Wie zufrieden seid ihr mit „Amoeba“?

Wir sind in allen Belangen sehr zufrieden! Wir haben es fertig gebracht, genau die Platte aus dem Boden zu stampfen, die uns vorschwebte. Die Produktion ist riesig, und wir sind mächtig stolz auf jeden einzelnen „Amoeba“-Song!

Mit Recht! Unvermeidlich ist natürlich die Frage, wie euer Bandname ausgesprochen wird, noch unvermeidlicher ist natürlich auch jene Frage, was der Name bedeutet. Ich musste dabei anfangs erst an den dicken Lockenkopf „Hagrid“ aus Harry Potter denken, was natürlich völliger Mumpitz ist, wie mich Adrien aufklärt:

Du kannst ihn aussprechen, wie du möchtest – wir bevorzugen „à la française“ (also „a’krid“, mit Betonung auf die zweite Silbe und einem langen „i“ – Anm. d. Red.). „Hacride“ stammt von dem Wort „acrid“, was so viel wie „ätzend“ oder „beißend“ bedeutet. In unserem Falle ist damit ein schmerzhaftes, verstörendes Gefühl gemeint. Das „H“ und das „E“ haben wir aus rein ästhetischen Gründen hinzugefügt.

Ihr werdet oft mit STRAPPING YOUNG LAD und MESHUGGAH verglichen, manchmal auch mit DEATH und OPETH. Und ein wenig erinnert mich euer zweites Album auch an das zweite TEXTURES-Album „Drawing Circles“ – nur in einem weitaus extremeren Kontext. In wie weit kannst du mir da zustimmen?

Vergleiche sind legitim, aber wir möchten natürlich nicht einfach ein Etikett aufgedrückt bekommen. Wir haben Unmengen verschiedener Einflüsse, und ich glaube, dass es schwierig ist, zu sagen, dass HACRIDE wie diese oder jene Band klingen. Wir benutzen diese Polyrhythmen, was natürlich schnell Assoziationen zu MESHUGGAH weckt. Unsere Musik ist progressiv, was eventuell an DEATH erinnert, und gleichzeitig ist unser Sound ähnlich noisy, so dass man an STRAPPING YOUNG LAD denken mag. Die Bands, die du anführst, sind so verschieden. Sie alle sind dermaßen eigenständig – unsere Musik ist wohl auch recht atypisch, und das scheint der dadurch oftmals verwirrten Presse beim Kategorisieren gehörige Probleme zu bereiten. Aber um es anders zu sagen: unsere Einflüsse sind so vielfältig, dass man uns auf keinen Fall auf diese Bands reduzieren kann!

Definitiv. Wie habt ihr zu HACRIDE zusammengefunden? Habt ihr vorher in anderen Bands gespielt? Wie sieht es generell mit Nebenprojekten und Bands jenseits HACRIDE aus?

Wir machen seit rund zehn Jahren Musik. Ben (Danneville – Anm. d. Red.) spielte Bass bei den Black Metallern LATRODECTUS, Sam (Bourreau, Vocals – Anm. d. Red.) spielt Gitarre bei MISTAKEN ELEMENT, und Olivier (Laffond, Drums – Anm. d. Red.) und ich haben schon immer Musik gemacht, aber vor HACRIDE eher ohne größere Ambitionen.

Welche Unterschiede siehst du zwischen „Amoeba“ und „Deviant Current Signals“?

Wir denken, „Deviant Current Signals“ hat uns mit einem Schlag in die Szene platzen lassen, und mit „Amoeba“ werden wir unsere Wurzeln tief in den Boden bohren. Und das ist, ohne jetzt große Töne spucken zu wollen, eine Tatsache. Wir wollen nicht erst bis zum vierten oder fünften Album warten, um erst dann unseren Stil festzulegen. Ich glaube, wir haben uns mittlerweile genug Fähigkeiten angeeignet, um „Deviant Current Signals“ zu beurteilen, und auch die Tourerei hat uns in vielerlei Hinsichten die Augen geöffnet. Was ich konkret meine, ist die Mischung aus Hören, performen und die musikalische Selbstfindung, durch die „Amoeba“ entstanden ist. Ich glaube, das Material wird live genau so voller Power sein wie live.

Welchem lyrischen Konzept liegt „Amoeba” zugrunde? Wer oder was sind die „Amöben“?

Wie auch das Artwork ist der Albumtitel extrem wichtig, denn er gibt die Atmosphäre der Musik wieder. Schließlich ist das erste, was die Leute sehen, der Bandname, das Cover und der Albumtitel. In dieser Hinsicht ist das Hören fast schon sekundär, wenn du weißt, was ich meine. Die Texte, das Artwork und ein Teil des Sounds entspringen zu einem großen Teil diesem Thema. Man kann es also als ein übergreifendes Thema nennen, das sich durch sämtliche Fasern des Albums zieht. Wir können natürlich auch nicht abstreiten, dass unsere Musik auf ihre Weise komplex ist, aber ich denke, dass dieser Titel dem Hörer das Begreifen des Albums viel einfacher macht. Ein harmloses Gewand, ein fast schon „softer“ Name, und drinnen lauert das Biest! (lacht)

Wie immer war die Wahl des Titels nicht einfach. Wir wollten einen runden, weichen Titel für das Album… ich hoffe, du kannst mir folgen… es sollte schlichtweg etwas sein, was nicht wie ein typischer Metal-Titel klingt. Für uns war es wichtig, das Album weitaus offener zu gestalten, und daher denke ich, dass „Amoeba“ als Aufhänger eine gute Wahl war.

Auf dem aktuellen Werk überrascht ihr den Hörer unter anderem mit dem OJOS DE BRUJO-Cover „Zambra“, bei dem man am liebsten wild bangend und mit Castagnetten klappernd durch die Wohnung hopsen möchte. Wird es in Zukunft noch mehr dieser coolen, schrägen Coverversionen geben?

Puh… keine Ahnung. Vielleicht. Wir lieben es, zu experimentieren, und wir überraschen uns selbst gerne.

Schauen wir noch weiter in die Glaskugel: habt ihr schon eine Ahnung, wohin sich euer Sound auf zukünftigen Releases entwickeln wird?

Momentan habe ich keinen blassen Schimmer. Wir haben gerade „Amoeba“ veröffentlicht, da kann ich jetzt noch absolut überhaupt nichts vorhersagen…

Eure Musik ist vollgestopft mit Details und technischen Gimmicks. Wie könnt/wollt/werdet ihr das live reproduzieren?

Wir arbeiten heute anders als noch zu Beginn. Wir haben uns Sampler und derartigen Kram zugelegt, um all die Sounds und Samples auch auf der Bühne wiederzugeben. Aber es wird dichter und reichhaltiger als auf dem Album klingen.

Noch dichter? Na, lassen wir uns mal überraschen! Wer hat das Album denn produziert? Der Sound ist enorm fett und gleichzeitig sehr transparent, was den vielen kleinen Details sehr zugute kommt…

Franck Hueso, unser Live-Soundmann. Wir arbeiten seit den Anfangstagen der Band mit ihm zusammen, und er hat auf „Amoeba“ einen wahnsinnig guten Job abgeliefert. Darauf sind wir verdammt stolz!

Auch das Coverartwork ist interessant und, nun ja, anders. Erzähl uns doch mal was hierüber.

Das hat Erik Larkens verbrochen, sowohl die visuellen als auch die layouttechnischen Dinge. Wir wollten die „Amöbe“ auf eine andere Art als die übliche darstellen und das Wesen, den Organismus, auf eher abstrakte Weise visualisieren. Wir wollten auf dem Album alles „offen“ anlegen: die Musik, den Albumtitel, die Optik…

Puh… da braucht man schon eine Menge Phantasie. Aber das ist wohl ganz im Sinne der Künstler, hehe… In Frankreich ist ja momentan in kreativer Hinsicht der Bär los. GOJIRA, PITBULLS IN THE NURSERY und diverse andere massennonkonforme Bands sind da nur die Spitze des Eisberges. Wie kommt das?

Frankreich hatte nie so recht einen bedeutenden, glaubwürdigen Status in der Metalszene. Ich glaube, momentan wollen alle Bands zeigen, was in ihnen steckt. Eine kleine Rache sozusagen, hehe!

Können die deutschen Fans mit HACRIDE-Gigs rechnen?

Ich weiß nicht, aber ich hoffe das doch sehr!

Sind die Bandmitglieder von HACRIDE eher die typischen Metalheads oder seid ihr eher Outlaws und totale Individualisten?

In erster Linie sind wir Musiker, ich mag nicht diesen Herden-Spirit. Wir denken alle für uns selbst, und wir müssen uns nicht irgend einer Gruppierung anschließen, um zu existieren!

Lass uns mal ein wenig von eurer abschweifen. Wer ist denn deiner Meinung nach der einzig wahre ANTHRAX-Sänger?

Bush, da ich Belladonna nicht ab kann!

Angenommen, ihr bekommt ein Angebot von einem größeren Label, welches allerdings auch musikalische Veränderungen von euch fordert. Was würdest du in einer solchen Situation machen?

NO WAY! Sowieso sind Listenable Records (Label, bei dem HACRIDE unter Vertrag sind – Anm. d. Red.) weit, weit weg von solchen Praktiken, hahaha!

Machen wir mal ein kleines „Bäumchen wechsle dich“-Spielchen. Nenne mir mal zwei oder drei Bands, bei denen du einfach einen Musiker rauswirfst und ihn durch einen anderen ersetzt, hehe…

Haha, keine Ahnung…. vielleicht würde ich Corpsegrinder aus CANNIBAL CORPSE rauswerfen und Amy Lee von EVANESCENCE hinters Mikro stellen – oder Glen Benton von DEICIDE als singenden Gitarristen zu LINKIN PARK schicken. Könnte lustig werden, wenn auch nicht für jeden, hehe…

Welches Musikmedium ist das Medium der Zukunft? Nach wie vor die CD? Oder das mp3-Format?

Ich glaube nicht, dass die CD so schnell tot sein wird. Es ist…. hm… vielleicht die Ansicht der Musikindustrie. Was bestehen bleibt, ist der musikalische Wert und Glaube – das Hauptproblem steckt wohl eher darin. Aber hey, eigentlich ist es mir egal, ob mp3, CD oder Vinyl – am wichtigsten ist es, dass der Künstler und dessen Status, sagen wir, „gepflegt“ werden.

Tja… da bleibt zu hoffen, dass Musik nicht noch mehr zum Produkt verkommt und mehr Labels und Bands so denken wie du. Interessantes Schlusswort jedenfalls. Ich bedanke mich! Gibt es noch irgend etwas, was du an unsere Leser loswerden willst?

Nun, Jungs… und vielleicht Mädels… ich danke euch für euren Support!!!

Galerie mit 4 Bildern: Hacride - Euroblast Festival - The Ninth Coming
18.02.2007
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