Darkthrone
Ich kam hierher zum Sterben

Interview

Im letzten Jahr erschien mit “Arctic Thunder” ein neues DARKTHRONE-Album. Getreu dem Motto “besser spät als nie” haben Stephan Möller, Stefan Wolfsbrunn und Marc Thorbrügge mit Fenriz über eben jenes Album, Punk und den Tod gesprochen.

I. „Arctic Thunder“, Punk & die ganz großen Vorbilder

SW: Hi Fenriz, alles klar bei dir? Seit der Veröffentlichung von „The Underground Resistance“ sind dreieinhalb Jahre vergangen. Wann habt ihr mit der Arbeit am neuen Album begonnen? Hast du in der Zwischenzeit an anderen Projekten gearbeitet?

Ich kümmere mich seit 2001 um keine anderen Projekte mehr, und es ist völlig in Ordnung, nur an DARKTHRONE zu arbeiten. Ich brauche einen Ausgleich zur Verbreitung der Musik anderer Leute, nicht meiner eigenen. 1996 war ich ausgebrannt, weil ich von 1992 bis 1995 zu viel Musik aus mir herausgepresst habe. Daraus habe ich gelernt und konzentriere mich lieber auf die Musik von anderen.

Wir hatten hier und da ein paar Stücke geschrieben, aber niemals aufgenommen. Meine ganzen Ideen habe ich verschrottet, so wie meistens, damit ich frisches Material bei der Aufnahmesession habe. Dieses ist in der Regel immer erst einen Monat alt, bevor wir mit den Aufnahmen beginnen.

SW: DARKTHRONE sind in den letzten Jahren viel mehr old school heavy metal als old school black metal geworden. Scherst du dich heute nicht mehr darum “true” zu sein?

Wir haben ja irgendwas mit TRUE auf das zweite oder dritte Album geschrieben, konnten aber nicht ahnen, dass uns das nach so vielen Alben weiterhin heimsuchen wird. Es sind doch andere Leute, die dieses “True-Ding” durchgezogen haben, aber egal. “True” bedeutet für mich jedenfalls, dass du den Sound nicht verfälschst oder später daran herummurkst. Spiele es laut und klar ein, und das meiste der Arbeit ist getan. Und das Schlagzeug sollte wie ein Schlagzeug klingen. Das ist also unsere Trueness heutzutage. Allerdings habe ich, im Vergleich zur letzten Zeit, auf jeden Fall viel mehr “true” Texte für das neue Album geschrieben. Alles in allem, falls die Leute denken “true” bedeutet dunkler, dann denke ich, dass wir ein bisschen düsterer, introvertiert und druckvoller geworden sind.

Schwärzer als schwarzer Afghane – DARKTHRONE – „Arctic Thunder“

SM: Ich muss auch sagen, dass: “Arctic Thunder” viel dunkler und schwärzer als sein Vorgänger klingt. Wann dachtet ihr, dass es Zeit für etwas mehr Dunkelheit ist. Oder siehst du das anders?

Ich kann nicht für Ted sprechen, ich glaube, dass er die Musik immer aus sich selbst heraus erschafft, inspiriert durch sich selbst. Er setzt sich mit seiner Gitarre hin und macht einfach Musik. Das sind aber reine Vermutungen von meiner Seite aus.

Ich jedenfalls hatte eine Vision für DIESES Album, welches DARKTHRONE wieder etwas introvertierter machen sollte. Warum? Seitdem wir ENDLICH wieder ein eigenes Studio haben (dank Teds Initiative im Jahr 2005), machen wir einen Haufen improvisierter Musik, und viele der Songs haben deswegen ein Glänzen in den Augen. Jedenfalls hat das letzte Album einiges von den verschiedenen Stilen, die wir spielen, wegrasiert und war ernster ausgerichtet, auch wenn weiterhin verschiedene Richtungen bedient wurden.

Wir waren mit “The Underground Resistance” sehr zufrieden, und ich wusste nicht, wie wir das toppen sollten. Die Jahre vergingen, und dieses Gefühl blieb, dass das Album so eine Art Mammut für uns geworden ist. Es war schwer für uns zu akzeptieren, dass wir entweder das Mammut töten oder uns um es herumschleichen müssten. Wir haben uns für Letzteres entschieden (es geht wieder darum, wie ich neue Songs mache), und ich beschloss, einige Stilelemente wegzurasieren, wie zum Beispiel meinen üblichen Tick, Speed Metal-Songs im schwedischen Stil von 1983 bis 1985 zu schreiben. Was sollte ich also machen? LANGSAMEN HEAVY METAL!

Als wir uns so langsam dafür entschieden, ein neues Album aufzunehmen (das muss so Mitte des Jahres 2015 gewesen sein), hatte ich vier Alben als Vorbilder im Blick. Das bedeutet jetzt nicht, dass ich mich hinsetze, mir die Alben anhören und überlege, was ich am besten kopieren könnte, sondern ich überlege mir eine Art Roadmap. Oder, nachdem ich schon mein ganzes Leben lang Musik höre, ich denke einfach an die tausenden Alben, die ich AUF KEINEN FALL als Inspiration nehmen möchte, anstatt mir zu überlegen, welche Richtung ich AUF JEDEN FALL einschlagen möchte.

Fenriz mit Katze

Fenriz – Experte für Pussys und Heavy Metal

Die vier Alben waren übrigens “Journey into Mystery” von DREAM DEATH, erschienen 1987 bei New Renaissance Records, “Within the Prophecy” von SACRILEGE, erschienen 1987 bei Under One Flag, “Mob Rules” von BLACK SABBATH, erschienen 1981 bei Warner Bros. und “Epicus Doomicus Metallicus” von CANDLEMASS, erschienen 1986 bei Black Dragon Records.
Nachdem wir alle Songs aufgenommen hatten und Ted mir eine Kopie des Ergebnisses gab, entdeckte ich aber, dass mich keiner der Songs an CANDLEMASS erinnerte. Wie man daran sehen kann, bin ich also kein Roboter oder so, der Inspiration in Songs verarbeitet. Aber wie auch immer, da waren Riffs, bei denen ich die anderen drei Alben raushören konnte, ebenso wie ein bisschen IRON MAIDEN, HELLHAMMER, frühe EXODUS, etwas AUTOPSY und noch ein Schuss 1987er NECROPHAGIA.

Ein neues Riff taucht in meinem Gehirn typischerweise wie ein einschlagender Blitz auf, und dann muss ich es erst einmal summen, bis ich meine Gitarre in die Finger bekomme, oder ich nehme das Gesumme auf meinem Handy auf. Von da an spiele ich das Riff und schaue, welche anderen Riffs dazu passen könnten. Wer weiß schon, was genau diesen Ablauf startet und mich inspiriert, aber da sind einfach nur ich, eine Gitarre, all die Musik, die ich je gehört habe (und das – meine Damen und Herren – ist eine ganz schön große Menge), was ich aussortiere und der kleine Bruchteil, zu dem ich entscheide, ihn zu behalten.

Ich verrate auch hier mal ein Geheimnis: was ich versuche zu schreiben, ist die Musik, die ich 1988 geschrieben hätte, wenn a) ich die Erfahrungen als Songwriter und Drummer damals schon gehabt hätte und b) wir damals nicht immer tiefer ins Death Metal-Territorium vorgestoßen wären. Was ich heute schreibe, ist DIE ORIGINALE DARKTHRONE-MUSIK, zurück zu ihren WAHREN Wurzeln! In all diesen Biographien über uns, die online herumgeistern, heißt es, wir wären als Death Metal-Band gestartet, aber das stimmt nicht! Wer unsere erste Demo hört, wird erkennen, dass es nicht so war und wir von Sachen inspiriert wurden, die viel älter sind.

SM: Ich wollte damit nicht sagen, dass eure letzten Platten nicht atmosphärisch waren, aber ich denke, dass der Fokus auf der Eingängigkeit lag. Bei “Arctic Thunder” vermute ich das Gegenteil – es ist auf jeden Fall eingängig, aber der Fokus liegt auf der Atmosphäre. Stimmst du zu? War das eine bewusste Entscheidung oder kam das “einfach so” beim Schreiben der Stücke?

Nun ja, wir besprechen die Stücke nie im Vorfeld. Von daher KANN es nicht geplant gewesen sein. Das Cover sprach jedenfalls dafür, ein introvertiertes Album so machen, allerdings auch nicht ohne ein Glitzern in den Augen. Wir waren so zufrieden mit der letzten Platte, dass es sich wie eine Endstation anfühlte. Wir wollten etwas ändern, meinen Drang zu singen und meinen Drang befriedigen, wunderschönen schwedischen Speed Metal der Jahre 82 bis 85 zu machen und natürlich nur langsamen Heavy Metal zu spielen. Teds Stücke waren nicht so geschrieben, sondern eher wie manche auf seiner Solo-EP. Er ist einfach zurück im üblichen DARKTHRONE-Modus, vermutlich bin ich daher für die Veränderungen verantwortlich.

MT: Bist du zufrieden mit dem Sound von „Arctic Thunder“? Wie bist du in Kontakt mit Jack Control aus Texas gekommen.

Er hat das neue Album genauso abgemischt wie das letzte Album. Er holt die Knackigkeit aus meinen Becken heraus, sodass es klingt wie im echten Leben. Ein paar wichtige Leute der Punk-Szene haben mir ihr Album angedreht. Sie kannten Jack wohl, und plötzlich war ich mitten in so einem Punk-Schuppen in Oslo und habe eine seiner Bands angeschaut. Er ist dann mit mir in Kontakt getreten und hat mir eine Menge NWOBHM und Punk-Platten gebrannt. Er hat dann sein Mastering-Studio eröffnet und mir gesagt, wie gerne er DARKTHRONE mastern würde. Umsonst! Und das hat er getan! Dieses Mal haben wir ihn aber bezahlt. Der Sound passt sehr gut zum Album. Wir hatten darauf aber wenig Einfluss. Im Bunker hatten wir eine großartige Akustik, deshalb klingt sie besser als sonst. Unser Studio ist sehr primitiv, und wir haben nicht viel daran verändert. Was passiert, passiert.

SM: Und warum habt ihr ihn ausgesucht?

Wir haben es auf einen Versuch ankommen lassen und hätten auch, anhand der Beispieldateien, eingreifen können, aber das mussten wir nicht einmal. Das letzte Album klang super, also haben wir ihn nochmal genommen. Ansonsten hätten wir das Album mit Patrick Engel – aka “der erste Deutsche, der verstanden hat, wie wichtig ein fetter Bass in den niedrigen Tonlagen ist”. Er ist der Hausmischer von High Roller Records. Danke übrigens, dass es Patrick und Steffen [Böhm, Inhaber von High Roller Records] gibt. Metal ist besser dank dieser beiden Typen!

MT: “Arctic Thunder ist das erste DARKTHRONE-Album, welches als digitale Version auf iTunes (direkt bei Release) veröffentlicht wird. Wie denkst du darüber, und kaufst du dir manchmal auch selbst digitale Kopien von Platten oder hängst du weiterhin an Vinyl, Tape und Compact Disc?

Ich streame nicht sehr viel. Musik machen und Karpaltunnelsyndrom von den ganzen Interviews kriegen – das ist mein Job! Es geht mir deshalb nicht darum, in welchen Formaten irgendwas herausgegeben wird. Musik sollte keine Grenzen haben. Ich habe einige digitale Demos auf Bandcamp gekauft. Auch Musik aus anderen Stilrichtungen kaufe ich digital, ich kann nicht alles als physische Kopie besitzen. Ich bekomme ja sowieso schon mehr als 1.000 Promos pro Jahr. Das wäre lächerlich. Jeder Musikfanatiker arbeitet meistens mit verschiedenen Formaten. Man bekommt viele Tipps von anderen Freaks, und das ist dann meistens digital. Aber das geht natürlich auch mit den langsamen alten Formaten. Ich denke, dass alle Formate gut sind.

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Quelle: Interview mit Fenriz
11.09.2017

Stellv. Chefredakteur

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2 Kommentare zu Darkthrone - Ich kam hierher zum Sterben

  1. Wüterich sagt:

    Jo, so lange der Pussy-Master das macht worauf er Bock hat und nicht das, was Andere von ihm wollen – kann er machen was er will! Eine der geilsten Bands überhaupt, egal ob Death, Heavy oder Black.
    Wobei ich es schon sehr schade finde, dass Isengard komplett auf Eis gelegt wurde, davon hätte ich gerne mehr gehabt.

  2. Bluttaufe sagt:

    Nichts gegen DARKTHRONE aber Interviews mit Fenriz unterliegen doch immer demselben Muster.
    Dieses „Wir waren schon Metal als es den Metal noch gar nicht gab…“ und dann werden 1000 Bands des wahren Metals aufgelistet, die kein Schwein kennt. Zudem waren DARKTHRONE schon zu XY-Zeiten und lange vor dem „Thulcandra“ Demo schon mehr wahrer Metal als es der Metal zu der Zeit war.
    Und dann seine Definition von Crossover. Da kann man sich als jemand, der selbst Punk, Crust, Hardcore & Metal hört nur an den Kopf fassen. Wer hat´s erfunden? Der Fenriz! Aber da sind wir wieder beim Thema: Der Fenriz war schon Crossover bevor es Crossover gab.
    Und wenn das nächste DARKTHRONE Album nach Nu Metal klingen würde, DARKTHRONE klangen anno 1988 schon so bzw. hatten vereinzelte Riffs.