Jolly
Interview mit Louis Abramson

Interview

Jolly

Das mit Myspace ist schon ein Kreuz. Das Netzwerk ist keine Erfolgsgarantie, weder für aufstrebende Bands noch für Musikliebhaber, die dort schnell auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen sind. Die unüberschaubare Masse an Bands ist erdrückend, dennoch sind sie möglich, die Zufallsfunde und die Erfolgsgeschichten. Für JOLLY aus New York hat sich Myspace als Sprungbrett erwiesen – nun sind auf dem Weg in die weite Welt. Mit Schlagzeuger und Produzent Louis Abramson erörterte ich, worum es bei JOLLY geht und wie das aufregende Album „Forty-Six Minutes, Twelve Seconds of Music“ entstanden ist.

Jolly

Ihr seid erst gerade dabei, den deutschen Markt zu erobern, darum stellt euch doch einfach mal vor.

JOLLY ist eine Progressive / Alternative Rock Band aus New York. JOLLY, dass sind unser Sänger und Lead-Gitarrist Anadale, Joe Reilly an den Keyboards, Bassist Mike Rudin und ich, Louis Abramson, am Schlagzeug. Wir sind seit ca. zwei Jahren aktiv, und seit heute ist unser Debütalbum „Forty-Six Minutes, Twelve Seconds of Music“ auch in Deutschland erhältlich. Warum wir in JOLLY spielen? – Wir hatten einfach keine andere Wahl. JOLLY hat uns gefunden, und nicht anders herum.

Was bedeutet „Jolly“ eigentlich für euch, wofür steht dieser Name?

JOLLY ist die Antwort auf alle unsere kreativen Bedürfnisse. Wir haben alle unterschiedliche und individuelle künstlerische Leidenschaften, und JOLLY ist die Kulmination dieser verschiedenen Bedürfnisse, durch die etwas Neues entsteht.

Euer Demo, welches ihr im Internet veröffentlicht hattet, bestand aus drei absolut umwerfenden Songs. Wie sieht es mit den Reaktionen aus, die ihr darauf erhalten habt? Wolltet ihr damit einfach mal zeigen, was ihr derzeit drauf habt, oder schon einen Vorgeschmack auf das bevorstehende Album geben?

Diese drei Songs waren die ersten, die wir mit JOLLY geschrieben haben. Wir begannen mit den Aufnahmen und entdeckten dabei unseren Sound. Im Grunde wollten wir lieber früher etwas präsentieren, als wenn es zu spät ist und sollte auch Erwartungen an das kommende Album wecken. Das Feedback war hervorragend und die Leute scheinen echt begriffen haben, was JOLLY ist: Ambient, Aggression, texturreich, wundervolle Klänge. Es war auch für uns persönlich ein Vorgeschmack auf JOLLYs Sound. So prätentiös das auch klingen mag, aber wir betrachten JOLLY als fast eigenständiges Wesen, daher gleicht unsere Entwicklung auch mehr einer Entdeckungsreise, als dass wir irgendetwas planen oder direkte Entscheidungen treffen – und das trägt letztendlich auch zu dem organischen, einzigartigen, befreiten Gefühl unserer Musik bei.

Myspace ist ein ziemlich mächtiges Werkzeug gerade für junge Bands geworden, um mit Fans zu kommunizieren, die eigene Musik zu promoten und vielleicht auch die Aufmerksamkeit von Veranstaltern und Plattenfirmen zu erlangen. Wie wichtig ist Myspace für euch, wofür benutzt ihr es und welchen Effekt hat es für euch als Band?

Myspace und andere Netzwerke spielen ohne Zweifel eine große Rolle in der Entwicklung neuer Musik. Bis jetzt hat es uns alles gebracht, bis hin zum Plattenvertrag, Interviews wie diesem hier und die Möglichkeit, unsere CDs überall in der Welt verkaufen zu können. Myspace ist vor allem für Bands wie JOLLY wichtig, deren unmittelbares Publikum (so wie in unserem Fall in New York) nicht unbedingt repräsentativ für das ideale Publikum ist.
Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass Myspace den Markt überflutet, auch dank immer leichter erhältlicher Aufnahmemöglichkeiten. Jeder der mit Pro Tools umgehen kann und ein Mikro hat, kann eine Myspace-Seite aufmachen. Die schiere Menge solcher Bandprofile führt zum Stigma, dass Bands regelrecht nerven. Die Leute müssen sich erst durch Berge von Müll wühlen, bevor sie eine Band finden, die man sich wirklich anhören kann.

…oder sie finden Bands wie euch per Zufall, hehe! Wie lange habt ihr an eurem Album gearbeitet, angefangen von den ersten Schritten bis zur Feinpolitur am Schluss?

„46:12“ wurde im Laufe des letzten Jahres aufgenommen. Dies geschah gleichzeitig mit unserer Entwicklung als Live-Band und dem Hineinleben in unsere Rollen innerhalb der Band. Das Album war sozusagen nur ein Teil der Geschichte, das ganze Jahr 2008 war eine Zeit des Entdeckens und Kennenlernens.

Der Titel ist ungewöhnlich, nicht das, was man sonst von einem Albumtitel erwarten würde. Warum habt ihr euch für diesen simplen und doch aussagekräftigen Titel entschlossen?

Wir wollten keine Richtung für das Album vorgeben, die Musik soll einfach für sich selbst sprechen. Der Titel weckt das Interesse des Hörers, ohne irgendeine vorgefertigte Idee ins Spiel zu bringen. Die Länge des Albums war das einzig Wissenswerte, was wir preisgeben wollten. Einige Leute würden sicherlich einen Titel wie „Shadows and Lies“ oder „Reflections of Circumvented Suffering“ oder „Eat my shit and I’ll eat yours“ bevorzugen. Hm, obwohl… das Letzte klingt eigentlich gar nicht übel, oder?

Hat was von Gegenseitigkeit… Wo habt ihr die Songs aufgenommen? Sind die drei Songs des Demos noch mal überarbeitet worden?

Die Schönheit von „46:12“ liegt darin, dass es in einer absolut zwangfreien, kreativitätsfördernden Umgebung aufgenommen wurde: In meinem eigenen Studio, dem „Mr. Showboat Studios“ in Queens, New York. Diese Atmosphäre, die nur von der Band alleine geschaffen wurde, hat uns diese organische Entwicklung möglich gemacht. Es war der ideale Ort für JOLLY. Die Demosongs wurden remastert und noch etwas verfeinert.

Was euer Album ziemlich einzigartig macht, ist die Verwendung binauraler Klänge. Kannst du uns ein bisschen mehr davon erzählen? Welcher Gedanke steckt dahinter und wie habt ihr das technisch realisiert? Und was empfiehlst du für den vollendeten Hörgenuss des Albums – HiFi-Lautsprecher oder entsprechende, hochqualitative Kopfhörer?

Die Idee stammt von Anadale, der sich mit binauralen Klängen eine ganze Weile beschäftigt hat. Er hat u.a. gelesen, dass solche Töne noch nicht einmal hörbar sein müssen, um ihren Effekt zu erzielen. Es hat ihn gereizt, solche Töne auch in unsere Musik einzubetten.
Die graue Theorie besagt, dass zwei minimal unterschiedliche Töne, wenn je einer in einem Ohr wahrgenommen wird, den Eindruck eines dritten „Phantomklangs“ erzeugen, der die natürliche Wellenlänge der Gehirnwellen verändert. Wenn man solchen Klängen ausgesetzt ist, kann das eine Reihe von Effekten haben, z. B. ein Energieanstieg, gesteigerte Kreativität, Fröhlichkeit, Müdigkeit, Minderung von Stress, abhängig davon, inwieweit sich die Klänge voneinander unterscheiden.
Kopfhörer bieten sich hier an, damit die Ohren auch wirklich getrennt Töne wahrnehmen können, was ja bei Lautsprechern, die in einem Raum stehen, nicht möglich ist. Wiederholtes und gegebenenfalls auch gezieltes Hören des Albums kann die Effektivität erhöhen.

Was hälst du von Surroundproduktionen (5.1 oder 7.1)? Es gibt ja von einigen Alben Spezialausgaben, auf denen man die Musik auf DVD in so einem Klangformat anhören kann (vorausgesetzt, man hat das nötige Equipment). Wäre das auch etwas, was ihr vielleicht irgendwann in der Zukunft mal ausprobieren würdet?

Damit kenne ich mich nicht so genau aus, habe aber davon gehört und finde es faszinierend. Es führt die Idee weiter, Musik als Klänge zu betrachten (was sie ja letzten Endes auch ist). Surround-Klang offenbart versteckte Ebenen, die man unter normalen Umständen nicht hören könnte. Und wer bei JOLLY genau hinhört, der wird merken, dass uns auch ohne Surround Texturen und vielschichtige Strukturen sehr wichtig sind.

In der Tat, „46:12“ vereint viele verschiedene Elemente und Stilmerkmale, die von Ambient, Alternative bis hin zu Progressive Rock reichen. Was sind deiner Meinung nach die Eckpunkte von JOLLYs Musik, und was die maßgeblichen Einflüsse, die sie geformt haben? Gibt es persönliche Helden oder Vorbilder, die euch inspiriert haben?

Unsere Idole sind DEPECHE MODE, TOOL, SMASHING PUMPKINS, FAITH NO MORE, TOMAHAWK, DREAM THEATER, DEFTONES, TEARS FOR FEARS, RADIOHEAD, TYPE O NEGATIVE, MESHUGGAH und zahlreiche andere Bands, aber wir würden keine davon als Haupteinfluss bezeichnen. Wir haben alle das, was uns am besten gefällt, in einen großen Kessel geschüttet und gewartet, was dabei herauskommt. Die einzigen Bands, mit denen wir häufig verglichen werden (PORCUPINE TREE, OPETH, RIVERSIDE), sind in der Tat solche, die keiner von uns hört. Unser wahres Idol ist die Musik selbst.

Es gibt ja seit einiger Zeit einen Videoclip zu eurem Song „Escape From DS-3“, der Ausschnitte aus dem gleichnamigen Science-fiction-Film von 1980 beinhaltet. Hat euch dieser Film (von manchen auch als „Männer in gelben Schlafanzügen“ bezeichnet) inspiriert?

Der Film hat auf jeden Fall dieses abgefahrene Gefühl des Songs inspiriert. Außerdem interessant: Der Mann mit dem gelockten dunklen Haar ist mein Vater. Den Film hat die Schwester von Steven Spielberg gedreht, und er hat diesen typischen B-Movie-Charme. Es ist ziemlich lustig, diese 80er Jahre Spezialeffekte zu den episch-dramatischen Klängen von JOLLY zu sehen.

Wer ist eigentlich der Mann, der im Booklet abgebildet ist und auch auf eurem Myspace-Profil mit dem Auge zwinkert?

Das ist ein weiterer Verweis auf meinen Vater, David Roya. Es ist eine Zeichnung, die er in den 60er Jahren angefertigt hat, auf Grundlage einer Fotografie in einer spanischen Zeitschrift. Sie hat dieses hypnotische Starren, weshalb wir es für das Artwork ausgewählt haben.

„46:12“ ist bereits seit einigen Wochen direkt bei euch erhältlich, und seit heute auch offiziell vom Schweizer Label Galileo Records. Mit im Boot sind außerdem ProgRock Records – wie kam das zustande?

Wie schon erwähnt, hat sich das alles über Myspace ergeben. Patrick Becker von Galileo Records hat uns angeschrieben und einen Plattenvertrag angeboten. In den folgenden Monaten haben wir darüber verhandelt und sind uns einig geworden. Patrick hat dann für den Kontakt mit ProgRock Records gesorgt.

Das Album hat sicherlich schon einige gute Kritiken einfahren können – sind die Fans genauso begeistert?

Das Dangerdog-Magazin hat „46:12“ zum Album des Monats gekürt, außerdem haben wir positive Reviews aus aller Welt erhalten, inklusive Deutschland. Schon im Vorfeld gab es hunderte Bestellungen aus Frankreich, Italien, Dänemark, Niederlande, Norwegen, Kanada, Mexiko, Großbritannien und Polen, sowie natürlich aus unserem Heimatland. Jetzt müssen wir nur noch eine Tour auf die Beine stellen.

Dafür drücke ich euch die Daumen! Danke für das Interview und viel Erfolg mit dem Album!

Danke auch an dich für die tolle Unterstützung, wir werden das nicht vergessen. Und an alle Leser: Kauft das Album und hört es, bis ihr tot umfallt, weil es so schön ist. JOLLY loves you.

14.07.2009

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