Membaris
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Interview

Machen wir uns nichts vor, Black Metal hat zu großen Teilen seine Haltbarkeit überschritten. Zu selten gibt es noch ein Lebenszeichen vom Kadaver, zu selten zucken seine Gliedmaßen noch. Wenn es dann aber dazu kommt, dann ist die Reaktion bemerkernswert, wie beispielsweise das aktuelle Werk der Hessen von MEMBARIS. Grund genug also, B. ein wenig über "Grenzgänger" und dessen Intentionen auszuquetschen.

MembarisDrei Jahre sind vergangen, seitdem Euer letztes Album erschienen ist. Im Infoschreiben zur aktuellen Scheibe steht, Ihr seid nicht diejenigen, die dafür zu verantworten sind. Also, was war los, was ist seit 2007, von der Veröffentlichung der Split einmal abgesehen, im Lager von MEMBARIS passiert?

Das Veröffentlichungsdatum musste von Februar auf Mitte April verschoben werden. Das lag unter anderem am Presswerk. Keine große Sache. Aber nach drei Jahren sitzt man auf heißen Kohlen und will das Kapitel abschließen. Wir haben die Zeit zwischen den Alben damit verbracht an „Grenzgänger“ zu arbeiten.

Nach all den Querelen, die Ihr mit dem alten ‚Label‘ hattet, ist „Grenzgänger“ nun bereits das dritte Album, welches auf ARTicaz erscheint. Kann man davon ausgehen, dass Ihr mit der Zusammenarbeit zufrieden seid?

Ja. Es ist ein kleines Label, aber dafür gibt es kein böses Blut zwischen uns. Es finden keine Machtspiele statt oder Streitereien um Geld. Wir wollen nur Musik machen und am Ende eine CD (oder vielleicht auch LP) in den Händen halten. Die Möglichkeiten von ARTicaz sind beschränkt, aber wer will, kann unsere Musik ohne große Anstrengung bekommen. Ich hoffe, dass die neue Label-Seite bald mal online geht.

Lass uns auf Euer neues Werk zu sprechen kommen. „Grenzgänger“ hat meiner Meinung nach ein sehr sperriges und forderndes Klangbild. Der Sound ist sehr verschwommen und zwingt den Hörer, sich intensiv mit dem Album zu beschäftigen – und das meine ich durchweg positiv. War das von Euch so geplant?

Das war so gewollt. Uns ist aufgefallen, dass keines der Alben, die uns was bedeuten, einen professionellen Studiosound hat. Deswegen haben wir Grenzgänger nahezu alleine aufgenommen. Daher kommt auch der Sound, der vielleicht nicht High-End ist, dafür aber Raum lässt für eine Menge Energie und Atmosphäre. Es ist unserer Sound. Und es gibt kein anderes Album, das so klingt. Für uns war es auch eine Herausforderung als wir beispielsweise „Opus IV“ (ABIGOR – A.d.Verfassers) zum ersten Mal gehört haben. Aber wir sind damit gewachsen und haben gelernt, es zu verehren, als das, was es ist, mit all den Ecken und Kanten. Ich denke, dass es Einige geben wird, denen es mit „Grenzgänger“ ähnlich gehen wird. In dieser Hinsicht finde ich das Attribut ‚fordernd‘ sehr gut.

Neben Alex Theisen vom Ultraton hat auch Tore Stjerna Hand am Sound angelegt. Was habt Ihr Euch von seiner Arbeit versprochen und inwiefern seid Ihr mit dieser zufrieden?

Wir wollten für den letzten Schliff einen Black-Metal-Produzenten. Ich habe Tore vor ein paar Jahren kennen gelernt. Und da wir seine Arbeit mit FUNERAL MIST mögen, war es nur natürlich ihn zu fragen. Das Ergebnis ist ok. Ich hatte mir persönlich etwas mehr erhofft.

Was mir beim Hören der CD aufgefallen ist, dass es viele sehr melancholische, fast schon wehmütige Elemente gibt, die ich so noch nicht bei Euch entdeckt habe. Ist dies Ergebnis des lyrischen Inhalts, schließlich empfinde ich beim Lesen der Texte eine starke Hoffnungslosigkeit, vielleicht sogar Leere?

Ich muss dir widersprechen. Hoffnungslosigkeit gibt es bei uns nicht. Ich empfinde die Texte als selbstbewusst und auf eine gesunde Art arrogant.

Wenn ich mir die Lyrics und das minimalistische Artwork von „Grenzgänger“ ansehe, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Träume und Vision eine große Rolle bei der Realisierung der Text gespielt haben. Liege ich da richtig?

Für das Artwork zeichnet sich Fina Krüger verantwortlich. Wir sind sehr begeistert von ihrer Arbeit. Derjenige aus der Band, der den Text geschrieben hatte, gab ihr ein paar Stichworte und sie hat das mit ihrer eigenen Phantasie umgesetzt. Ich glaube die Ideen kamen nach dem Text. Insofern sind es höchstens Visionen, die durch den Inhalt beflügelt wurden und nicht umgekehrt. Wir neigen beim Artwork zu ästhetischen Lösungen, obwohl die Musik kalt und hässlich ist.

Auf „Grenzgänger“ arbeitet Ihr mit Samples aus den Filmen „Eyes Wide Shut“ und „Sunshine“. Besonders ersterer Film beziehungsweise dessen Romanvorlage beschäftigt sich ja auch mit (sexuellen) Träumen und Fantasien, den anderen Film hingegen kenne ich leider gar nicht. Nach welchen Motiven habt Ihr die Samples ausgewählt und was fasziniert Euch an den beiden Filmen? Inwiefern haben Filme generell Einfluss auf das musikalische Schaffen von MEMBARIS?

Es gibt keinen direkten Bezug dieser Filme zur Band. Der beste Regisseur ist man immer selbst. Insofern ziehen wir das eigene Filmtheater in unseren Köpfen dem echten immer vor.

Das erste Sample aus dem Kubrick-Werk ist so ein Schlag in den Nacken des Hörers. „Wir sind wieder wach und werden es noch lange Zeit bleiben“. Das zweite Sample aus „Sunshine“ hat so perfekt in den Kontext von „Crossing the Borderline of Event Horizon“ gepasst, dass wir es einfach verwenden mussten.

Es geht dabei, wie auch schon im Opener „A Mind Full of Captured Stars“, um eine Art Selbstgespräch einer schöpferischen Entität, die über das Universum, die Menschheit und die Zeit reflektiert. Es ist eine transzendente Sternenreise, bei der wir sowohl textlich als auch musikalisch alles Weltliche hinter uns lassen wollten.

Einsamkeit ist wohl das Wort, welches sich wie ein roter Faden durch die Texte und auch die Samples zieht. Könnte man sagen, dass es das zentrale Thema von „Grenzgänger“ ist? Was ist die Faszination an diesem Themenbereich?

Es ist Thema eines Textes. Nicht des ganzen Albums. Es geht auf eine Eingebung von K. zurück, die schon sehr lange zurück liegt. Wir leben ja hier am Rande des Westerwaldes und sind früher häufig dort gewesen, um die Natur auf uns wirken zu lassen und die Isolation als befreienden Zustand zu erleben. Manche mögen jetzt darüber als ein Black-Metal-Klischee schmunzeln, aber so ist es nun mal. Besonders K. war das immer sehr wichtig. Es gibt eine bestimmte Stelle, die ist unser Zufluchtsort, wenn Du so willst. Von diesem Ort ist der Text inspiriert. „Durch einen schmalen Pfad erfüllt von einer Zuversicht: Wahre Erfüllung ist Einsamkeit“

Es gibt diese Fabel von Schopenhauer, in der er die Menschen mit einer Horde Stachelschweine vergleicht. Kommen sie sich zu nah, verletzen sie sich. Gehen sie zu weit auseinander, frieren sie. Zum Glück unterscheidet den Menschen vom Stachelschwein der freie Wille und wir ziehen es vor zu frieren. Das heißt beispielsweise für mich persönlich keine Familie, keine ernsthafte Beziehung zu anderen Menschen außerhalb von MEMBARIS. Jedenfalls solange ich diese Musik spiele.

Zum roten Faden des Albums: „Grenzgänger“ ist ein Angriff auf alle, die glauben, die Menschheitsgeschichte sei eine Geschichte des Fortschritts. Viele Menschen glauben heute, mit Aufklärung und ethischer Missionierung eine bessere Welt schaffen zu können. Eine Welt in der niemand mehr hungern muss. Dazu kommen die Jünger des technologischen Fortschritts: Autobahn, Stammzellenforschung und Ipod sollen die Welt zu einem besseren Ort machen. Der Gedanke an die Menschheitsgeschichte als eine Geschichte des Fortschritts ist zur Ersatzreligion der Gesellschaft geworden, in der wir aufgewachsen sind. Aber es gibt für uns keinen Fortschritt. Außer im Sinne eines ‚Schrittes fort‘.

Auch heute ist die Welt voller Glauben. Viele zeitgenössischen Black Metaller glauben sogar im Rahmen der christlichen Dogmatik, was sie für mich selbst wiederum zu Christen macht. Unsere Musik ist gemacht von Leuten, die keinen Glauben haben. Nicht den an einen moralischen und technologischen Fortschritt, nicht den an eine bessere Welt oder an den Mensch als Krone der Schöpfung. Es ist für Leute, die das Chaos als das einzige Gesetz akzeptieren. Wer das Chaos als harte aber faire Lebenswirklichkeit annimmt, hat unendliche Möglichkeiten.

Übertrieben gesagt ist der Tod die ultimative Erfüllung der Einsamkeit, die endgültige Isolation. Würdest Du sagen, dass der Wunsch nach Einsamkeit auch oft mit einer gewissen Todessehnsucht einher geht? Wie stark suchst Du selbst die Einsamkeit und wie notwendig ist sie als Quelle der Inspiration?

Ich kenne jemanden, der könnte dir jetzt eine Menge über Todessehnsucht erzählen, aber mit MEMBARIS hat das nichts zu tun. Unsere Musik ist das pure Leben. Ich glaube auch nicht, dass der Tod die ultimative Erfüllung der Einsamkeit ist, denn wenn das Bewusstsein ausgelöscht wird, kann auch keine Einsamkeit mehr existieren, denn wo kein Subjekt, da auch kein Gefühl.

Einhergehend mit dieser Frage würde ich natürlich auch gern mehr über den Titel des Albums erfahren. Wer ist der Grenzgänger? Du, der Du zwischen ’normalem‘ Leben und der Erfüllung deiner künstlerischen Visionen hin und her schwankst? Zwischen Einsamkeit und der Gesellschaft?

Jeder, der das Album hört, findet seinen eigenen Grenzgänger. Für uns ist es derjenige, der diese Musik wirklich fühlt und sein Leben nach diesen Gefühlen ausrichtet. Der eine sieht darin die Stärke und baut sein Leben auf einem stabilen physischen wie mentalen Gerüst auf. Der andere sieht das Zerstörerische darin, schneidet sich in das eigene Fleisch und läuft in den Abgrund. Beide sind Grenzgänger und beiden ist das Album gewidmet. Es ist eine Hommage an all jene, für die diese Musik mehr ist als Zerstreuung.

Wir legen den grenzüberschreitenden Anspruch auch schonungslos bei uns an. Nur ein Beispiel: Bei „Einsamkeit“ gibt es eine Stelle bei der K. sich beim Gesang so verausgabt hat, dass er in Ohnmacht gefallen ist. Es ist ein Wunder, dass er kein verdammtes Loch im Schädel hat. Wenn man genau aufpasst, kann man den Aufschlag hören. Die perfekte Stelle, der perfekte Song. So etwas kann man nicht planen oder proben. Man braucht einen echten Grenzgänger wie K.

Das Album ziert ein neues Logo. Meist geht damit ja auch ein Kurswechsel innerhalb einer Band einher, man will auch nach außen demonstrieren, dass sich etwas geändert hat. War dies auch bei Euch der Fall oder gibt es ganz profane Gründe dafür?

Du hast das richtig erkannt. „Grenzgänger“ ist ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Band. Wir haben uns so stark ideologisch und musikalisch verändert, dass ich sogar einen neuen Namen wollte. Aber wir haben uns dagegen entschieden, weil es ein starker Name ist, der viel mehr repräsentiert als die paar Alben, die wir aufgenommen haben. Das neue Logo stellt die Verbindung von der Vergangenheit (die Wurzeln) mit der Gegenwart dar , dargestellt durch die drei Sterne, die uns repräsentieren.

Ihr seid eine der wenigen Bands, die noch der reinen Black-Metal-Lehre folgen und auf Experimente mit anderen Genres verzichten. Was treibt Dich an, auch im Jahre 2010 dem Black Metal treu zu bleiben? Wo siehst Du die musikalischen und textlichen Herausforderungen?

Eine gute Frage. Wir bewegen uns musikalisch immer noch in einem für uns breiter gewordenen Rahmen des Black Metals, aber lyrisch sind wir schon lange davon weg. Eigentlich ist es vermessen heute noch Black Metal zu spielen. Aber was soll ich sagen? Wir haben diese Songs und müssen sie aufnehmen. Solange wir diese Lieder noch haben, können wir uns nicht von dieser Musik lösen. Ich erwarte aber nicht von Anderen, dass sie es genau so sehen. Ich habe Verständnis für jeden, der sich im Jahre 2010 vom Black Metal befreien will.

Wir wollen die für uns perfekte Platte erschaffen. Ich will, wenn ich in zehn Jahren vor meinem Regal stehe und Black Metal hören will, dass ich zu einer MEMBARIS CD greife und nicht zu der einer anderen Band. Ich weiß, dass wir das schaffen werden.

Wie wird es nach der Veröffentlichung von „Grenzgänger“ weitergehen? Sind Gigs geplant? Oder gar schon neues Material?

An Konzerten haben wir erst mal die Lust verloren. Es müsste schon was sehr Besonderes sein. Was wir tun werden ist an unserem neuen Album zu arbeiten. Die Songs sind fertig und wir werden diesen Sommer eine Demo-Version davon aufnehmen. Wir wollen für das Album wieder ins Studio gehen.

Dann vielen Dank für das Interview, wie immer gehören die letzten Worte der Band.

Danke für Dein anhaltendes Interesse an MEMBARIS. Unsere Freunde von WEIRD FATE werden bald ihr Debut-Album veröffentlichen. Genauso wie OBSCURE INFINITY, die eine Art atmosphärischen Death Metal spielen und die ich Fans dieser Musikrichtung an Herz legen möchte. Wer nicht darauf verzichten kann O. live zu erleben, sollte nach Konzerten von der jungen Band CHAOS INVOCATION Ausschau halten. Er ist dort als Drummer eingestiegen.
Falls jemand an einer Zusammenarbeit mit Fina Krüger interessiert ist, kann er an contact@membaris.de schreiben.

Feiert mit uns den Moment wenn die Harmonie verbrennt.

27.04.2010

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