Mortiis
Mortiis

Interview

Der Meister bedrohlich-düsterer Keyboardmusik MORTIIS hat mit seinem neuesten Werk "The Smell of Rain" einen gravierenden Stilbruch begangen. Grund genug für mich und meine Freundin, bei der ich mich auf diesem Wege ausdrücklich für die Mühe bedanken möchte, dem ehemaligen "Dark Lord of Norway" mal auf den Zahn zu fühlen…

MortiisDas neue Album stellt ja einen dramatischen Wechsel dar, sowohl was das optische Erscheinungsbild angeht, als auch auf musikalischer Seite. Wie entwickelte sich dieser neue Stil, und was denkst du werden wohl die alteingesessenen Fans dazu sagen?

Langsam aber sicher fühlte ich mich nicht mehr wohl bei dieser düsteren Keyboardmusik, und ich wollte einfach Songs schreiben, die mehr mit der Musik zu tun hatten, die ich selbst nun mal mittlerweile höre. So wurden die Stücke die ich schrieb immer poppiger. Die Reaktionen der Fans waren natürlich zum Teil recht drastisch, denn dass hatte nun wirklich keiner erwartet, noch nicht mal ich selbst (lacht). Das Problem ist halt, dass viele meiner alten Fans sich dem Underground zugehörig fühlen, und daher mit solch dramatischen Veränderungen nicht viel anfangen können. Ich werde demnach sicher Fans verlieren, aber auch neue dazugewinnen, so hoffe ich jedenfalls. Was hältst du denn vom neuen Album?

Nun, ich musste mich erst dran gewöhnen, aber beim dritten Durchlauf hatte ich dann meine Lieblingssongs gefunden, zum Beispiel „Everyone Leaves In The End“…

Ich wusste es! Das ist ein typischer Mädchensong!

Ich finde es klingt ein wenig nach DEPECHE MODE, wenn man das so sagen kann. Außerdem war ich überrascht, dich erstmalig singen zu hören! Warum kommen wir denn erst auf diesem Album in den Genuss deines Organs?

Ich kann wirklich nicht singen!

Sei nicht so bescheiden!

Jetzt mach aber mal halblang! Ich hatte im Grunde einfach keine andere Wahl, als selbst zu singen, denn keiner könnte die Vocals so nahe an das heranbringen, was ich fühle. Außerdem, stell dir doch mal eine Live-Show vor, wenn ich nicht singen würde! Dann hätte ich ja nichts zu tun auf der Bühne! Es war also von Anfang an klar, dass sich selbst würde singen müssen. Allerdings habe ich eine Heidenangst davor, weil ich ja schon “ vorbelastet“ bin. Die Leute, die auf meine Konzerte gehen, haben ja bestimmte Erwartungen an mich. Das wäre natürlich anders, wenn ich vorher ein völlig unbeschriebenes Blatt wäre.

Im Jahre 1995 hast du in einem Interview mit dem ABLAZE gesagt, dass deine musikalischen Vorlieben bei Bands wie POSSESSED, SODOM, HELLHAMMER usw. liegen. Wann hast du denn deine Neigung zu elektronischer Musik entdeckt?

Schon damals habe ich ein wenig elektronische Musik gehört, aber ich stand noch viel mehr auf extremen Metal, den ich übrigens auch heute noch gerne mal höre, aber eben nicht mehr ganz so häufig. Ich hörte auch damals schon Bands wie NINE INCH NAILS oder ENIGMA.

Bei deinen Projekt-Bands VOND und FATA MORGANA hast du ja schon mal in das Genre reingeschnuppert. War es denn geplant, diese Einflüsse irgendwann auf die deine Hauptband MORTIIS übergehen zu lassen?

„The Dark River“, das zweite VOND-Album, markiert wohl tatsächlich einen Punkt, an dem ich mich mehr für diese Art von elektronischer Musik zu begeistern begann, aber es ist nichtsdestoweniger ein schreckliches Album!

Ich habe hier ein altes Zitat von dir vorliegen: „Nichts was ich tue hat etwas mit der realen Welt zu tun. Meine Welt besteht aus Magie, aber es ist nicht die Magie weltlicher Dinge.“ Auf dem Labelinfo zur neuen CD fand ich nun die Aussage, dass man „die Vergangenheit ruhen lassen sollte, und dass es keine Sinn hat, über vergangenen Ruhm zu schreiben“ Identifizierst du dich demnach nicht mehr mit deinen alten Alben?

Man könnte das so sagen. Während ich „The Stargate aufnahm, verlor ich den Glauben an mein bisheriges Schaffen. Ich hatte lange in meiner eigenen Welt gelebt und sehr stark an das geglaubt, was ich tat. Irgendwann brach dann aber die echte Welt über mich herein, und das war sehr niederschmetternd. Persönliche Schwierigkeiten und Erlebnisse machten mir sehr zu schaffen, und das Resultat dieser Erlebnisse und der daraus resultierenden Umbesinnung ist „The Smell of Rain“.

Warum bist du denn dann deiner MORTIIS-Maske treu geblieben? Was bedeutet dir dieses kreaturenhafte Erscheinungsbild heute noch?

Nun, es ist eigentlich keine Kreatur, sondern eine Art „Figur“ die meinen Charakter unterstreicht und darstellt. Ich habe mich so daran gewöhnt, dass mir der Gedanke, diese Identität aufzugeben, sehr befremdlich vorkommt, denn es ist ein Teil meiner selbst wie das Blut, das in meine Adern fließt.

Das neue Outfit, wollen wir es mal in Ermangelung besserer Vergleichsmöglichkeiten „die Mumie“ nennen, stellt dich als ein viel verletzlicheres Wesen dar…

Ja das stimmt! Nun, ich hatte das Gefühl, dass ich MORTIIS bzw. mich (was das selbe ist!) in einer Umgebung platzieren sollte, die ausdrückt wie ich mich fühle. Also kam mir die Idee von einer kargen, tristen Wüstenlandschaft, die Einsamkeit und Isolation ausdrückt. In dieser Umgebung hätte mein bisheriges Lederoutfit aber wahrlich nicht reingepasst, so kam ich auf die Idee, mich als eine Art verirrten Wanderer darzustellen, der schon seit Jahren versucht, der Wüste zu entkommen.

Wie dürfen wir uns denn den Privatmann MORTIIS vorstellen? Lebst du in einer besonderen Gegend oder gehst du einer ungewöhnlichen Beschäftigung nach?

Naja, ich lebe in einem Haus hoch oben in den Bergen, sehr einsam. Hauptsächlich lebe ich dort, weil es billig war (lacht)! Und es hat eine schöne Aussicht. Schlimm wird es nur im Winter. Es gab Zeiten, da hatte ich keinen Strom mehr und ein paar umgefallene Bäume haben mich vom Rest der Welt abschnitten!

Mir ist weiterhin zu Ohren gekommen, dass du ein Video zum Song „Parasite God“ drehen willst…?

Ja, es ist schon fertig und wird wohl demnächst auf verschiedenen Musikkanälen laufen. Es wäre schön, wenn ich auf diese Weise mehr Menschen mit meiner Musik erreichen könnte.

Nun zum Buch „Secrets Of My Kingdom“, das nun endlich veröffentlicht wurde. Warum denn eine so strenge Limitierung auf nur 850 Kopien?

Ich weiß auch nicht warum, und das Label schweigt sich darüber aus. Meiner Meinung nach hätte es schon einer etwas höheren Auflage bedurft, aber sei es drum. Es handelt sich im Grunde um eine Sammlung von Gedichten und Geschichten, ein einfaches aber nichtsdestoweniger charmantes Werk, das die Ära „MORTIIS 1“ sehr passend zusammenfasst, auch wenn es nichts mehr mit dem neuen MORTIIS zu tun hat. Leider ist das Buch bereits ausverkauft. Ich bin eben einfach zu berühmt! (lacht)

Was treibst du denn im Moment so?

Ich lese „Per Anhalter durch die Galaxis“, einfach herrlich-verrückter englischer Humor! Da ich momentan in Hamburg bin, freue ich mich weiterhin darauf, an meinem freien Tag die Reeperbahn unsicher zu machen und mich ein bisschen bei den billigen Prostituierten rumzutreiben. Außerdem werde ich mir heute Abend noch eine gehörige Portion gutes deutsches Bier reingießen! Schlimm genug, dass ich im Moment noch Apolinaris trinken muss, weil ich versuche Interviews zu geben, die einen Sinn machen !

Was sagst du zum Thema Herr der Ringe. Ist es wahr, dass du ein Gollum-Tattoo besitzt? Wirst du dir den Film ansehen?

Ja dass mit dem Tattoo ist korrekt. Ich mag den Gedanken, der hinter dem Charakter Gollum steht, auch wenn er natürlich keine besonders imposante Erscheinung ist. Und: Ja, natürlich fiebere ich dem Film entgegen. Ich fand übrigens auch den Planet der Affen großartig!

Was sind deine Zukunftspläne? Ausspannen oder weiterarbeiten? Steht denn gar eine Deutschland-Tour in Aussicht? Deine US-Tour ist ja sehr erfolgreich gelaufen, wie man hört…

Ich experimentiere momentan schon mit neuem Material herum, und ich denke es wird etwas aggressiver werden als das vorangegangene. Momentan spiele ich sogar mit dem Gedanken, Gitarren in meine Musik einfließen zu lassen. Das mit der Tour steht allerdings noch in den Sternen, hängt alles vom Label ab und ist letztlich eine Geldfrage.

Als letzte, aktuelle Frage : Was sagst du zu den Terroranschlägen in den USA ?

Ich finde es schrecklich, es zeigt wieder einmal, wozu religiöse Fanatiker in der Lage sind. Es ist ziemlich krank, dass diese Schizos, die es ja in jeder Religion irgendwo gibt, behaupten, dass ihr Glaube der Wahre ist. Ich bin gegen jede Art von Religion und bezeichne mich demzufolge als entschieden anti – religiös…

Heißen Dank für dieses interessante Interview und weiterhin viel Spaß bei der Arbeit!

Galerie mit 5 Bildern: Mortiis - Prophecy Fest 2019
26.03.2002

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