Paul Di'Anno
Interview mit PAUL DI´ANNO über Kannibalismus, Inspiration und Weihnachten mit den SCHÜRZENJÄGERN

Interview

Paul Di'Anno

Paul Di´Anno hat nicht nur auf den ersten beiden Alben von IRON MAIDEN gesungen, er hat auch danach noch eine Menge gemacht. Die Alben seiner zweitbesten Band, KILLERS (mit Leuten von TANK, RAVEN und BATTLEZONE), werden aktuell vom polnischen Label Metal Mind wiederveröffentlicht, sodass dem guten Mann ruhig mal ein paar Fragen gestellt werden konnten. Furchtlos. Denn der Gute hat zwar nicht den besten Ruf und sieht mittlerweile aus wie eine Straßengang-Version von Kirk Windstein ohne Bulimie. Aber zum einen passt er nicht durch den Telefonhörer, und zum anderen ist er total freundlich und lacht viel…


Paul, lass uns mit “Murder One“ beginnen. Die Platte hat damals, als sie das erste Mal veröffentlicht wurde, hervorragende Reviews erhalten. Und sie ist ja auch tatsächlich eine großartige Scheibe. Einige haben “Murder One“ sogar als den Nachfolger des “Painkiller“ betrachtet. Wie siehst du euer Debüt heute?

Wir haben damals weit über eine halbe Million Dollar für die Platte ausgegeben, unsere damalige Plattenfirma war fantastisch. Die Platte war wichtig für uns und ich bin sehr zufrieden mit ihr, sehr zufrieden.

Es gibt die Double Bass bei “Impaler“ und in “Marshall Lokjaw“ singst du “all guns blazing“, aber insgesamt halten sich die Gemeinsamkeiten zum damaligen JUDAS-PRIEST-Comeback meiner Meinung nach doch in Grenzen. Eure Platte hat einen viel stärkeren Rock´n´Roll-Vibe.

Ich weiß auch nicht, ob das mit PRIEST hinkommt. Wir hatten den Plattenvertrag bekommen, ohne dass die Leute von uns überhaupt irgendwelche eigenen Songs gehört hatten. Und dann sind wir sofort los und haben uns irgendwo außerhalb New Yorks eingeschlossen und die Platte gemacht. Andere Musik haben wir dabei eigentlich nicht gehört. Ich glaube, dass “Painkiller“ verdammt viel härter ist als unsere Platte.

Und die Songs sind ziemlich abwechslungsreich. “Dream Keeper“ zum Beispiel ist praktisch eine Ballade und du singst ziemlich melodisch.

Wir haben unser Bestes gegeben. Du kannst halt nicht alle Songs gleich klingen lassen, dann wird es langweilig.

Es gibt auch eine Version von “Remember Tomorrow“ auf der Platte. Weißt du noch, warum du gerade diesen MAIDEN-Song ausgewählt hattest?

Weil es einer von meinen Songs ist (haha). Es ist ein großartiger Live-Song; ich habe ihn immer noch im Set. Ich widme ihn immer Clive (Burr, in diesem Jahr verstorbener ehemaliger Drummer von IRON MAIDEN – M.P.).

Paul Di'Anno

Das nächste Studioalbum war neben der Live-Schreibe “South American Assault“ dann 1994 “Menace To Society“. Ich habe dich zu der Zeit auf der “Ultimate-Power-Force-Tour“ zusammen mit METAL CHURCH, VICIOUS RUMORS und ZODIAC MINDWARP in Hamburg gesehen. Du wirktest da extrem angepisst. Hast du bestimmte Erinnerungen an diese Zeit?

(Lacht) Ich hatte damals verdammt viel, was ich rauslassen musste. Das meiste des Materials für das Album hatte ich geschrieben, während ich im Knast in New York saß. Ich wollte alles zwar positiv sehen, als ich rauskam, aber das war schon eine harte Zeit mit großen persönlichen Problemen.

Ich war damals ein Teenager und dachte: “Junge, das ist mal ein beeindruckender Brocken. Hoffentlich kommt der nicht gleich runter von der Bühne…“

(Lacht) Ja, ich habe damals Menschen gegessen… Tja, ich hatte Höhen und Tiefen in meinem Leben. Ich bin keine sehr komplizierte Persönlichkeit, ich bin immer offen. Und wenn mich irgendwas ankotzt, dann halte ich mich auch nicht zurück. Nicht im persönlichen Bereich und nicht als Musiker. Und ich gebe immer mein bestes. Aber ich kann nicht auf der Bühne stehen und lächeln, wenn ich innerlich sterbe. Es gab wirklich harte Zeiten, als Clive starb, zum Beispiel. Und ja, verdammt, ich vermisse meinen Freund. Na ja, ich werde wohl sogar wütend auf der Bühne aussehen, wenn ich mal gut drauf bin (lacht).

“Menace To Society“ ist eine sehr aggressive Scheibe, zumindest zur Hälfte grooviger Thrash.

Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Wenn ich schreibe, bin ich eine wirklich furchtbare Person. Und ich höre dann mir dann eben auch nichts anderes an, weil ich keine verdammten Einflüsse von irgendwem haben will. Als ich ein Teenager war und Songs geschrieben habe, habe ich mich irgendwann gefragt: Warum klingst du wie fucking David Bowie? Was ist hier los? Und alles, weil mein Vater damals ständig David-Bowie-Platten gespielt hat und das einfach in meinem Kopf gewesen ist. Ich habe über die Jahre gelernt, dass ich, wenn ich komponiere, mich selbst wegschließen muss. Da ist dann ein rotes “Betreten-Verboten“-Schild über der Tür und sogar meine Frau kommt dann nicht rein und stört mich. Sie lässt Essen und Trinken sicherheitshalber vor der Tür. Ich bin dann wie ein Tier.

Es steht für das nächste Jahr ein neues Album der KILLERS an: “The Lazarus Syndrome“. Was kannst du uns dazu sagen?

Wir haben bis jetzt einen Song, was eigentlich verrückt ist, weil wir seit drei Jahren von dem Album sprechen. Aber es gibt halt immer viele Verpflichtungen. Im Januar werden Cliff (Evans, TANK- und KILLERS-Gitarrist – M. P.) und ich jetzt wohl dazu kommen, etwas mehr zu produzieren. Wenn wir dann wissen, in welche Richtung das Ganze sich entwickelt, werden wir auch sehen, wer die neuen KILLERS endgültig sein werden. Einige der Original-Mitglieder machen ja gar keine Musik mehr. Aber wir haben schon Bewerbungen von einigen bekannten Leuten, großen Leuten, deren Namen ich jetzt allerdings nicht verraten kann. Wir werden es sehen. Es werden aber wohl großteils Briten sein, nehme ich an.

Lass uns etwas über Musik im Allgemeinen sprechen. In Interviews hast du öfter gesagt, dass du deine alten MAIDEN-Klassiker mitunter hasst, sie aber trotzdem spielst, weil die Fans sie eben lieben. Gibt es eine Band, die du selbst als Fan verehrst?

Die RAMONES! Die waren immer meine Band, ich liebe sie! Großartige Musik, großer Spaß. Das ist Punk, aber kein politischer Punk. Ich habe die RAMONES bestimmt 40 Mal gesehen und hatte das Glück, einige von ihnen zu kennen. Und sie haben mein Leben auf jeden Fall verändert. Sie waren spektakulär und immer total unterbewertet. Ihre Musik kann ich sogar hören, wenn ich Songs schreibe. Außerdem noch eine Menge von dem Punk-Kram, den ich immer gehört habe und immer noch mag. Ich habe zuletzt nicht allzu viel neues Zeug gehört.

Und eine andere unvermeidliche Frage: Welches sind deine Lieblingsalben?

Auf jeden Fall das erste RAMONES-Album und “Never Mind The Bollocks“ von den SEX PISTOLS. Außerdem ist “Stained Class“ von JUDAS PRIEST ein verdammt großartiges Album. Ich bin außerdem ein großer Fan von “Sin After Sin“, das hatte ich bis vor sechs oder sieben Jahren noch gar nicht gehört. Und dann spielte das irgendwer und ich dachte: „Das sind Priest? Fucking amazing!“ Offensichtlicher wären natürlich “Painkiller“, das du angesprochen hast, oder “British Steel“, auf dessen zugehöriger Tour wir PRIEST damals supportet haben. Aber die frühen Alben sind unglaublich. Rob Halfords Stimme ist phänomenal, was Besseres habe ich in meinem ganzen Leben nicht gehört. Außerdem das erste SABBATH-Album und von LED ZEPPELIN die erste und die vierte Platte. Und schließlich sind die ersten fünf QUEEN-Alben absolut großartig.

Wenn einer deiner Songs in der Schule unterrichtet werden sollte, welcher wäre das?

Der erste wäre definitiv „Running Free“. Denn Autorität ist etwas Gutes, besonders für kleine Kinder, damit sie erkennen, was richtig und was falsch ist. Aber manchmal wirst du so zugeschissen mit dem, was andere von dir wollen! Dann willst du ihnen nur noch den Finger zeigen und du selbst bleiben. Du musst dir von so vielen Lehrern anhören: „Du musst dies tun, du musst das tun, du darfst dies nicht, du darfst das nicht…“ Irgendwann denkst du dann nur noch „Lass mich in Ruhe! Ich bin ein Kid, ich will Spaß haben!“ Dann willst du ihnen nur noch den Finger zeigen, den großen mittleren. „Fuck off, I´m running free!“ Der zweite Song wäre vom LIVING-DEAD-Album. Er ist ein bisschen seltsam: “Brothers Of The Tomb“. Da singe ich über Klassenkampf im Heavy-Metal-Zombie-Kontext. Es geht um Unterdrückung und den Kampf um Befreiung.

Paul Di'Anno

Im Netz habe ich entdeckt, wie du vor einigen Jahren im Anzug eine Rock-Version von “Silent Night“ im deutschen Fernsehen gebracht hast. Wie ist es denn DAZU gekommen?!

(Auf Deutsch) Stille Nacht! Das haben wir in Österreich gemacht. Das kam über meine Freunde von den ZILLERTALER SCHÜRZENJÄGERN zustande, die damals eine unglaublich erfolgreiche Band in Österreich waren. Das war alles etwas seltsam. Der Sänger von denen und meine damalige Frau, die aus Österreich kam, starben ziemlich zur selben Zeit und so habe ich die Truppe kennen gelernt und wir sind Freunde geworden. Und für das Weihnachts-Special habe ich damals auch noch “Bridge Over Troubled Water“ zusammen mit BONNIE TYLER gesungen. Weil LENNY KRAVITZ keine Zeit hatte… (lacht). Das war alles sehr merkwürdig, ein komischer Abend. Im Publikum waren all die Familien mit ihren Kindern und ich glaube, ich habe die ziemlich erschreckt, als ich da ankam.

Nebenbei: Hast du jetzt, da deine KILLERS wiederkommen, mal daran gedacht, die Indie-Band zu verklagen, die den gleichen Bandnamen benutzt und schweine-erfolgreich ist?

Nein, die heißen ja “THE KILLERS“. Ich weiß, dass es die gibt, aber das ist nicht meine Musik. Und mir ist das völlig egal (lacht).

Möchtest du sonst noch irgendetwas loswerden?

Okay, ich möchte jetzt nicht allzu cheesy klingen, aber die nächste wird meine letzte, meine Renten-Tour sein. Und auf der werde ich auch endlich wieder mit einer festen Band, den KILLERS, unterwegs sein, hoffentlich auch wieder in etwas größeren Venues. Da freue ich mich wirklich drauf. Ich habe zuletzt ja immer mit verschiedenen Cover-Bands zusammengespielt. Und obwohl ich immer 100 Prozent auf der Bühne gebe, habe ich dadurch etwas meine Identität verloren und davon echt die Schnauze voll. Und dann kommt hoffentlich auch noch das neue Album irgendwann im nächsten Jahr.

Vielen Dank, Paul!

Galerie mit 25 Bildern: Paul Di'Anno - Rockharz Open Air 2012
19.12.2013

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