Pro-Pain
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Interview

Es gibt Dinge, die ändern sich nie. So kann man sich seit 1992 mindestens alles zwei Jahre auf ein hochwertiges Album der NYHC-Legende PRO-PAIN verlassen. Wie der berühmte Fels in der Brandung steht diese Band von jeglichen Trends und Strömungen unbeeinflußt ihren Mann und befindet sich anno 2007 nach dem für ihre Verhältnisse fast schon vertrackten "Prophets Of Doom" (2005) mit "Age Of Tyranny – The Tenth Crusade" auf einem äußerst hitverdächtigen Kreuzzug gegen die Politik ihres Landes. Warum dem so ist, erläutert Gründungsmitglied und Gitarrist Tom Klimchuck.

Pro-PainIhr befindet euch auf eurem zehnten Kreuzzug, wie der Titel sagt. Gegen wen zieht ihr zu Felde?

Der Titel bezieht sich auf einen Spitznamen, den die Vorgehensweise unserer Regierung bekommen hat. Gibt man bei google „The Tenth Crusade“ ein, wird man sehr viele Seiten ausgespuckt bekommen, die sich mit George Bush und seiner Mannschaft befassen. Sie beschreiben, wie die Politiker die Kontrolle über die Massen gewinnen wollen. Eine Angst einflößende Sache.

Stimmt es, daß es sich um eine Art Konzeptalbum handelt?

Auf eine gewisse Weise. Es handelt sich nicht um ein richtiges Konzeptalbum, aber näher kann man nicht herankommen. Alle Stücke befassen sich mit einem Thema, das jeweils von einer anderen Seite beleuchtet wird, um die verschiedensten Nuancen ans Licht zu bringen.

Worum es geht, liegt bei einem Songtitel wie „All For King George“ auf der Hand. Im Interview zur letzten Platte hat euer Frontmann Gary jedoch gesagt, daß PRO-PAIN eine Band ist, die sich nicht über politische Aussagen definieren möchte. Jetzt seid ihr mit einem Fast-Konzept-Album über die US-Politik gefährlich nah dran.

Damit hat Gary recht gehabt. Wir sind keine politische Band. Wenn man sich unsere Geschichte und alle unsere Alben anschaut, dann sieht man, daß wir zwar stets ein Auge auf die Politik um uns herum gehabt, aber sie nie zum Mittelpunkt gemacht haben. Unsere Platten sind eher als Zeitdokumente zu sehen, die einfingen, was uns in unserem privaten und im Bandleben zum jeweiligen Zeitpunkt gerade bewegt hat. Die Texte observieren quasi unsere Empfindungen, die wir beim Schreibeprozess eines jeden Albums erlebten. Wir befinden uns beileibe nicht auf einer Mission, die jeden bekehren soll, so zu denken wie wir. Trotzdem singen wir über Angelegenheiten, die in unseren Augen die jeweils aktuelle Zeit prägen und bestimmen und die den Leuten bewusst sein sollten. Das fehlt mir im Musikbusiness der heutigen Zeit ein wenig. Früher wurde Bob Dylan immer mit den BETALES bezogen auf diesen Gesichtspunkt verglichen. Bob Dylan sang über sozial und politisch wichtige Themen, um die Leute wachzurütteln, während die BEATLES „Love Me Do“ trällerten. Es sollte mehr Dylans geben heutzutage.

Wie werden eure Texte und Aussagen in eurem Heimatland aufgenommen? Gibt es unter euren Fans Bush-Sympathisanten, die mit eurem Credo nicht mehr klar kommen?

Ich weiß nicht, wie groß die Anzahl der Bush-Supporter unter unseren Fans ist. Bestimmt gibt es sie und das ist gut so. Ich mag nicht, daß sie Bush unterstützen. Aber ich mag, daß man sich so austauschen kann und den anderen auf Dinge aufmerksam machen kann, die er selbst vielleicht nicht sieht. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Es sollte nur alles auf einem intelligenten Level ablaufen.

Was ist also „The New Reality“, die ihr im Opener der Platte beschreibt?

Die wahre Realität liegt meilenweit von dem entfernt, was die Leute heute als Realität wahrnehmen. Die Menschen werden heute um ein Vielfaches mehr kontrolliert, als es jedem einzelnen bewusst ist. Alles, was uns in den Medien präsentiert wird, dient nur dazu, uns zu kontrollieren. Das ist die neue Realität. Wir jedoch denken, die Wirklichkeit läge darin, jeden Tag ins Büro auf die Arbeit zu gehen, damit der amerikanische Traum wahr wird. Von jenem sind wir aber meilenweit entfernt.

Im Song „Iraqnam“ vergleicht ihr den schwelenden Irakkonflikt mit Vietnam. Inwieweit hat sich Bagdad schon zu Amerikas zweitem Vietnam entwickelt?

Der Irak ist bereits Amerikas zweites Vietnam. Ich kann mir nicht vorstellen, daß noch viele Menschen glauben, daß die USA dort einen Sieg davon tragen werden. Ich traue mich nicht, dieses Wort in diesem Zusammenhang überhaupt in den Mund zu nehmen. Wie soll dieser Sieg denn aussehen? Im Prinzip haben wir die Lage im Irak nur noch verschlimmert. Durch die ständige Terrorgefahr fühlen sich die Leute noch unsicherer. Und auch in Europa oder den USA haben die Menschen Angst vor Anschlägen. Es ist also absurd im Zusammenhang mit Irak überhaupt von einem möglichen Sieg zu sprechen.

Wie, glaubst Du, wird es aussehen, wenn die Truppen aus dem Irak zurückkommen? Werden sie genauso bespuckt und gehaßt werden, wie die Soldaten, die damals aus Vietnam zurückkehrten und sich für etwas schuldig fühlen mußten, was auf ihrem Rücken entschieden worden ist?

Nein, auf keinen Fall! Ganz im Gegenteil, wenn man in Amerika durch die Straßen fährt, sieht man mindestens an einem von drei Autos einen Aufkleber, auf dem steht: „Unterstützt unsere Truppen!“ Noch dazu gibt es Bändchen, mit derselben Aufschrift, die sehr viele Leute tragen. In diesem Falle hat die Regierung durch eine riesige Promotionkampagne schon vorab dafür gesorgt, daß so etwas nie wieder vorkommt. Es ist nicht hilfreich für die Fortführung eines Krieges, wenn Soldaten heimkommen und beschimpft werden. Das war einer der Faktoren, warum Vietnam ein Ende gefunden hat. Dadurch, daß die Heimkehrer so herablassend behandelt worden sind, hat sich eine unbändige Wut breit gemacht. Das Militär ist in Washington zu Protestmärschen auf die Straße gegangen. Das wird heute nicht mehr passieren. Heute ist jeder dazu erzogen worden, militärische Handlungen nicht mehr zu hinterfragen. Sobald man Kritik übt, bekommt man das Label „Unamerican“ oder „unpatriotisch“ aufgedrückt. Man wird als Verräter abgestempelt. Das ist extrem gefährlich.

Inwieweit hängt der Song „Iraqnam“ mit dem Stück „Iraqnophobia“ von eurem Debüt „Foul Taste Of Freedom“ zusammen?

Er ist quasi die Fortsetzung. Als unser Debüt 1992 rauskam, war die Irakthematik ebenfalls aktuell. Jetzt ist sie es wieder. Und es ist noch schlimmer geworden. Beim ersten Mal sind die Kriegshandlungen eingestellt worden, weil es einfach keinen Sinn und kein Ziel gab. Über diese Schwelle sind wir diesmal schon hinaus. Unsere Truppen werden noch sehr lange dort bleiben müssen. Leider!

Liegt es in dieser ausweglosen Situation begründet, daß ein Song wie „Leveller“ so aggressiv tönt, wie PRO-PAIN schon lange nicht mehr geklungen haben?

Hehe, das hat damit weniger zu tun. Unsere Einstellung während des Schreibens der Songs war: Laßt uns rausfinden, wie weit wir noch gehen können! Die Anordnung von „Leveller“ ist total unüblich für uns, da er aus zwei Teilen besteht. Auf diese Weise haben wir noch nie experimentiert. Daneben stehen so viele melodiöse Parts wie noch nie in unserer Karriere.

Das stimmt. So viele Singalongs gab es bei euch selten zu hören. Völlig perplex machen einen aber die weiblichen Vocals in „Beyond The Pale“.

Hahahaha, das ist lustig. Es handelt sich nämlich um eine männliche Stimme. Aber keine Sorge, du bist nicht alleine. In jedem Interview wurde ich bisher auf die weibliche Stimme angesprochen. Es handelt sich um Matt Bizilia von ICARUS WITCH. Ich kann es kaum erwarten, dieses ständige Mißverständnis des anderen zu erzählen. Sie werden sich den Arsch ablachen.

Hehe, der arme Kerl! Generell kann man aber sagen, daß „Age Of Tyranny“ eure bisherige Karriere sehr gut zusammenfaßt, denn es enthält Spurenelemente eines jeden PRO-PAIN-Albums.

Das ist wahr. Durch alle unsere Alben zieht sich ein roter Faden.

War es geplant, diesmal wieder eingängiger zu Werke zu gehen? Der Vorgänger „Prophets Of Doom“ war für eure Verhältnisse fast schon als vertrackt zu bezeichnen.

Es ist wichtig, daß eine Band in ihrer Karriere alle Möglichkeiten austestet, die ihr gegeben sind. Trotzdem dürfen deine Fans nie deine neue Platte hören und sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Uns ist das bisher zum Glück nie passiert bei den kleinen Experimenten, die wir stets gewagt haben.

Die ersten Reaktionen auf blabbermouth waren ebenfalls durchweg positiv. Erwartet ihr das mittlerweile?

Ich weiß nie so recht, was ich erwarten soll. Jeder hat seine Meinungen. Ich hatte im Studio von Anfang an ein sehr gutes Gefühl. Deswegen finde ich auch, daß „Age Of Tyranny“ eine unserer besten Platten überhaupt ist. Es ist unglaublich gutes Gefühl, wenn man merkt, daß man sich 15 Jahre nach Bandgründung immer noch verbessern kann.

15 Jahre PRO-PAIN. Überrascht?

Ich habe früher schon gesagt, daß ich das hier so lange machen werde, wie ich kann. Wenn du mich jetzt fragen willst, wie lange wir noch am Start sein werden, kann ich es dir nicht sagen.

Hast du dir jemals schon Gedanken über die Zeit danach gemacht?

Nein, nicht wirklich!

Ganz ehrlich: Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß ihr jemals das Handtuch schmeißt.

Ja, Mann! Das ist echt ein komischer Gedanke. Ich wüßte wahrscheinlich absolut nichts mit mir anzufangen. Aber wenn es jemals so weit kommen wird, wird jeder einzelne von uns darauf vorbereitet sein. Bis jetzt kann ich aber noch kein Ende ausmachen.

Es scheint, als würde das Alter spurlos an euch vorüber gehen. Auf der kommenden Tour durch Europa habt ihr keinen einzigen Day Off. Das ist erstaunlich für eine Band eures Jahrgangs!

Wir bevorzugen das so. Days Off bringen einen nur in Schwierigkeiten, wenn du verstehst, was ich meine, haha!

PRO-PAIN und GURD sind ein cooles Package!

Auf jeden Fall! Ich war sehr froh, als sie zugesagt haben. Wir sind früher schon mal zusammen getourt und es hat riesigen Spaß gemacht.

Fühlt ihr euch immer noch einem gewissen Druck oder Nervosität ausgesetzt, wenn es am ersten Tag der Tour auf die Bühne geht?

Den meisten Druck legen wir uns selbst auf. Du willst immer besser sein, als beim letzten Mal. Das ist nicht gerade einfach. Ich empfinde diesen Druck aber als positiv. Sonst wäre das, was ich vorher über Verbesserungen nach 15 Jahren gesagt habe, nicht möglich. Wir kontrollieren unsere Qualität auf diese Weise selbst.

Es scheint auch, als seien PRO-PAIN innerhalb der Band stärker als jemals zuvor. Die ersten fünf Alben wurden mit fünf verschiedenen Line-ups eingespielt. Seitdem gab es nur noch Wechsel auf dem Drumsessel.

Da hast du recht. Es gibt nicht viele Bands da draußen, die so lange im Geschäft sind wie wir. Wenn man das im Kopf hat und bedenkt, daß jeder von uns sein eigener Herr ist und andere Ziele hat, passen wir, was diese Gesichtspunkte angeht, wohl sehr gut zusammen.

Als ich euch auf der letzten Tour gesehen habe, waren überaus viele Leute mit BÖHSE ONKELZ-Shirts am Start. Was würdet ihr heute ohne sie machen?

Mit den ONKELZ haben wir immer noch guten Kontakt. Gary wird demnächst sogar mit Stefan Weidner zusammen im Studio etwas aufnehmen. Zudem werden einige Bands, mit denen die Jungs immer noch zusammenarbeiten, bei uns auf der Tour spielen. Und ich warte noch auf meine Kopie der Lausitzring-DVD, hehe.

Ich meinte eigentlich eher: Was würdet ihr ohne die Fans der ONKELZ tun, die jetzt zu euren Konzerten kommen? Man könnte den Eindruck haben, daß ihr ohne sie nur noch vor halb so vielen Leuten spielen würdet?

Da könnte was Wahres dran sein. Wahrscheinlich brauchen die Fans der ONKELZ nach deren Auflösung jetzt eine neue Anlaufstelle. Als wir 1998 für die ONKELZ erstmals eröffnet haben, war jeder überrascht, wie gut die Reaktionen auf uns waren. Schon damals hofften wir, ein paar ihrer Fans auch in unser Lager ziehen zu können. Es scheint geklappt zu haben.

Vielleicht liegt es daran, daß ihr eine ähnlich ehrliche Einstellung verkörpert. Auf blabbermouth wurdet ihr kürzlich in einem Kommentar „the working man’s metal band“ genannt. Passt wie die Faust aufs Auge, oder?

Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen den ONKELZ und uns. Sie haben uns sehr inspiriert, weil sie auch immer so unabhängig wie möglich sein wollten. Und wenn das jemand geschafft hat, dann wohl sie. Andersrum denke ich, daß sie auch genau das an uns respektieren.

Der letzte Song eures neuen Albums, der Hit der Platte, heißt „Live Free (Or Die Trying)“. Ist es genau das, worum es PRO-PAIN geht?

Zu einem gewissen Teil auf jeden Fall! Hätten wir nicht diese Einstellung hätte es uns nie gegeben. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß wir diese Sichtweise jemals verlieren werden. Aber PRO-PAIN haben noch andere Dimensionen: Unabhnängigkeit, Beständigkeit…

Das hat Gary im letzten Interview auch geantwortet…

…und konstante Selbstverbesserung! Wir wollen raus auf die Bühnen, spielen und danach ein paar Drinks genießen!

Manche Dinge ändern sich eben nie! Und das ist verdammt gut so!

Galerie mit 17 Bildern: Pro-Pain - Summer Breeze Open Air 2018
23.03.2007

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