Sjodogg
Interview mit Vulnus zu "Ode To Obscurantism"

Interview

SJODOGG scheren sich einen Dreck darum, ob nun gerade etwas angesagt ist oder nicht, und zeigen auch auf ihrem zweiten Album „Ode To Obscurantism“ die hässliche Fratze des Black Metal: Authentisch, kalt, atmosphärisch und chaotisch klingt das Gerumpel, und verneigt sich damit vor (fast) allen Black-Metal-Alben Norwegens der frühen 90ern. Mit Vulnus (Vocals) sprach ich über den aktuellen Longplayer, Obskurantismus und etwaige Einflüsse der Norweger.

Sjodogg

Ihr habt das zweite Album veröffentlicht, das sich meiner Meinung nach allerdings deutlich von eurem Debüt unterscheidet. Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten, aber im Großen und Ganzen entspricht das alles nicht dem, was ich mir vielleicht erhofft habe: „Landscapes Of Disease And Decadence“ habe ich immer als Essenz des Bösen betrachtet, als pechschwarze Dunkelheit, während auf „Ode To Obscurantism“ viel eher das Chaos die Oberhand gewinnt. Kannst du mir hier zustimmen? Welche anderen Reaktionen habt ihr bisher bekommen?

Unser neues Album ist jetzt endlich erhältlich. Ja. Es war eine halbe Odysee von der Fertigstellung bis zur Veröffentlichung, aber wir sind mit dem Endergebnis rundum zufrieden und unsere vorvisionären Ideen wurden umgesetzt. „Ode To Obscurantism“ ist ein direkter Nachfolger von „Landscapes Of Disease And Decadence“, und tritt als solcher sowohl musikalisch als auch konzeptionell in dessen Fußstapfen. Wie bereits zuvor haben wir auch diesmal in zwei Sessions mit einer längeren Pause zwischen den Aufnahmen mit Stian Aarstad in Oslo an den Songs gearbeitet, und wir sind sehr glücklich darüber, mit einem Label wie Osmose zusammenarbeiten zu können, deren Wurzeln tief im Underground zu finden sind. Die Reaktionen sind sehr zwiespältig: Zum einen haben wir recht überschwengliche Rezensionen gelesen, zum anderen hat man uns allerdings auch schon einmal ein nahes Ende prophezeit. (lacht) „Ode To Obscurantism“ klingt grimmiger und ist in gewisser Weise auch viel finsterer als unser Debüt. Es ist verständlich, dass es vielen Rezensenten schwer fällt dieses Album tatsächlich auch zu begreifen. Wir stellen hohe Ansprüche an unsere Zuhörer, das ist uns bewusst und auch so beabsichtigt, deshalb genügt ein „einmaliges Hineinhören“ in diese CD auf gar keinen Fall. Vielleicht wirst du unsere Songs verstehen, wenn du das Album 20 oder 30 mal gehört hast, doch soviel Zeit investieren die meisten Kritiker heute doch kaum noch. Leider. Aber genau das ist der Punkt, an dem wir positive Bemerkungen zustimmend abnicken und über einfältige, oberflächliche Reviews nur mit dem Kopf schütteln können und diese Rezensenten auslachen. Ich finde nicht, dass „Ode To Obscurantism“ zu chaotisch klingt, sondern als Einheit klingt es sogar grooviger und atmosphärischer als unser Debüt.

Der Titel – „Ode To Obscurantism“ – ist nicht einfach nur ein Titel, sondern es steckt offensichtlich sehr viel mehr dahinter. Auch die Songs selbst belassen den Zuhörer zu einem Großteil im Ungewissen, vielleicht ist es dieser Eindruck, den ich „chaotisch“ bezeichne… Habt ihr das neue Material diesmal um ein bestimmtes Thema herum geschrieben, oder entstand der Titel erst später?

Den Titel zu „Landscapes…“ hatten wir bereits einige Zeit im Kopf, bevor wir überhaupt damit begannen unsere Songs zu schrieben. Mit den neuen Songs aber kam der Titel erst später. Ich habe mit verschiedenen, verworren klingenden Wörtern experimentiert und versucht, einen möglichst langen und geheimnisvoll klingenden Titel zu finden. Die Suche nach diesem Titel hat fast zwei Jahre gedauert, bis sich diese Wörter eines Tages in meinem Kopf manifestierten. Ganz plötzlich. Das hört sich seltsam an, und ich kann dir mit Gewissheit sagen, dass das wahrhaftig eine seltsame Erfahrung war – plötzlich wusste ich, wie wir das neue Album nennen mussten. Aber das ist die Wahrheit. Dieser Titel spiegelt sowohl unsere Musik als auch die Texte hervorragend wider. Jedenfalls ist das meine Meinung. In Bezug zu einem etwaigen Konzept basiert SJODOGG seit Gründung 2003 in erster Linie auf Minimalismus und Atmosphäre. Dieses Konzept findet sich in SJODOGG sowohl auf musikalischer als auch visueller Ebene wieder. Jeder, der unsere Alben kennt, wird dem zustimmen!

Was fasziniert dich denn am Thema Obskurantismus? Fühlst du dich persönlich damit verbunden? Wie denken die anderen Mitglieder der Band über dieses Thema? Habt ihr mal darüber gesprochen?

Ich schätze Obskurantismus in Kunst, Musik und Literatur als eine gesunde Alternative zur oft zynisch kommerziellen „Kunst“ von heute. Ja! Obskurantismus ist wie eine silikonfreie Zone, wenn du verstehst was ich meine… (lacht)

„Ode To Obscurantism“ besteht nicht ausschließlich aus „Pure Fucking Black Metal“, sondern es kommen durchaus einige weitere Zutaten hinzu. Wie würdest du SJODOGG oder eure Musik tatsächlich und in eigenen Worten beschreiben?

Ha Ha! „Pure Fucking Black Metal“ klingt ziemlich limitiert, meinst du nicht auch? Ich habe absolut nichts dagegen, SJODOGG als Black Metal zu bezeichnen, aber wir haben nie gesagt, dass wir Black Metal oder Death Metal oder Dark Metal spielen. Die vier Säulen, auf denen SJODOGG sicher steht, sind Atmosphäre, Minimalismus, Groove und Dunkelheit, und darauf bauen wir auch unsere Songs. Zu welchem Genre du uns letztendlich aber zählen möchtest, bleibt dir ganz allein überlassen.

Welche Bands oder Künstler haben euch denn inspiriert oder in gewisser Weise beeinflusst?

Es gibt bestimmte Bands oder genauer gesagt ein paar Alben, die unseren Sound mitgeprägt haben. Das betrifft vor allem Alben aus den späten 80ern und den frühen 90ern, wie zum Beispiel Alben wie „Symphonaire Infernus Et Spera Empyrium“, „Forest Of Equilibrium“, „Dreamweaver“ und „Punishment For Decadence“. Was unseren Sound anbelangt, so sind sicherlich Einflüsse von Alben wie „Human“ und „Storm Of The Light’s Bane“ vorhanden. Außerdem fühlen wir uns von Alben wie „Necroticism – Descanting The Insalubrious“, dem Monumentalwerk „The 4th Crusade“, „Legion“ und „Left Hand Path“ inspiriert. Hordeum zitiert oft auch BATHORY als seine wichtigste Quelle der Inspiration, während Dracunculus KISS liebt, Tetrapus total auf Thrash steht und ich bin extrem dankbar für Alben wie „Battles In The North“ und „Nemesis Divina“. Außerdem begrüße ich FUNERALs „Tristesse“ und ENTHRALs „Awaiting The Rise Of The Forest God“…

Kommen wir noch einmal zurück zu eurem neuen Album. Ich mag ganz besonders die Ausgewogenheit aus brutalen und schnellen Songs wie „Winter Sickness“ und atmosphärischen Tracks wie „Cordylobia The Emasculator“. „Ode To Obscurantism“ klingt dadurch vielseitiger als das Debüt…

Gut beobachtet. Wir haben diesmal ganz besonders darauf geachtet, jedem Song eine eigene Identität zu geben und ich kann dir insofern zustimmen, dass „Ode To Obscurantism“ einen kleinen Schritt vorwärts darstellt. Variation ist ein Schlüsselwort in einem kreativen Prozess. Wie oft bin ich bereits nach kurzer Zeit von einer Band gelangweilt, deren „neue“ Songs immer und immer wieder auf nur einem einzigen Song basieren. „Cordylobia…“ ist übrigens ein sehr doomiger Track, der in Teilen von den amerikanischen Death/Doomstern SORROW inspiriert ist.

Ja, auf dem neuen Album arbeitet ihr mit vielen Doom-Einflüssen, auf der anderen Seite aber fehlen oft einfach die Melodien, die ich auf dem Debüt so großartig finde… Kannst du dir für SJODOGG vielleicht einen ähnlichen Stilwechsel vorstellen, wie ihn ULVER über Jahre hinweg vollzogen haben?

Das hast du gut beobachtet! Mein alter Schwede. (lacht) Doom Metal ist einer unserer wichtigsten Einflüsse. Wir verabscheuen Melodien…und Harmonien! Einen ähnlichen Werdegang wie ULVER kann ich mir für uns nicht vorstellen. Ich muss aber auch ehrlich gestehen, dass ich mit ULVER nicht allzu vertraut bin. Sorry.

Was geschieht derzeit in der norwegischen Black-Metal- oder in der Musik-Szene ganz allgemein? Hast du einen heißen Tipp für uns?

Ich bin nicht daran interessiert, was bei uns oder irgendwo anders auf dieser Welt gerade „in“. Wir sind nicht Teil einer bestimmten Szene, und ich fühle mich auch mit keiner anderen Band irgendwie verbunden. Ich höre auch keine Musik die gerade aktuell ist, und schon gar keine aktuellen Metal-CDs. Ich bevorzuge es die ganzen alten Alben zu hören, die mir viel bedeuten, oder investiere viel Zeit, Kraft und Geld, wie Hordeolum, in schwer zu findende Vinyl-Titel. Wir vier ziehen es vor, uns von Zeit zu Zeit in unserem versteckten Häuschen irgendwo in den tiefen Wäldern Norwegens zu treffen, auf kreativer Ebene zu kommunizieren, Ideen zu besprechen, zu proben und viel Schnaps zu trinken…

Zum Ende des Interviews habe ich noch eine Frage, die gar nichts mit Musik zu tun hat, jedenfalls nicht direkt: Welche Gedanken gehen dir durch den Kopf in Bezug zur aktuellen politischen und menschlichen Lage unserer Welt? Kannst du Ähnlichkeiten zum Obskurantismus festellen?

Ha Ha. (lacht) Das ist eine interessante Frage…die aber Tetrapus am besten beantworten könnte – er ist der Gebildete! Gib mir nur einen Fernseher, einen DVD-Player und die komplette Serie von Monty Python’s „Flying Circus“, und ich bin glücklich…

Ich danke dir, Vulnus.

Vielen Dank für das Interesse an SJODOGG! Support the Underground! Support the bands! Support the labels! Hail Swinburne! Cheers!

26.11.2010

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