Vallenfyre
Interview mit Gregor Mackintosh zu "A Fragile King"

Interview

Vallenfyre

Wie aus dem Nichts ist mit VALLENFYRE vor wenigen Monaten eine dem alten Death Metal frönende Gruppe aufgetaucht, hinter der einige bekannte Namen stehen. Gregor Mackintosh (PARADISE LOST), der geistige Vater des englischen Quintetts, erzählte im Zwiegespräch unter anderem, weshalb die Band entstand, wie die Aufnahmen zum bärenstarken Debüt „A Fragile King“ abliefen und was er vom modernen Death Metal hält.


Vallenfyre

 

Hallo Greg! Zunächst einmal: Der Anlass, der zur Entstehung VALLENFYREs führte, ist ein sehr trauriger, nämlich der Tod deines Vaters John Ende 2009. Ist der größte Kummer heute, zwei Jahre später, verschwunden?

Ich denke nicht, dass er jemals verschwindet. Man lernt nur, damit zu leben. Wenn Du einen Arm verlierst, wächst er auch nicht nach. Man kann sich höchstens damit abfinden.

Ich habe gelesen, dass dein Vater PARADISE LOST um 1988 zu ihren ersten Konzerten fuhr und sich im Radio die Peel Sessions von BOLT THROWER anhörte. Es scheint also, als ob deine Eltern deine musikalischen Ambitionen von Anfang an unterstützt haben. Verstanden sie deine Faszination für solch harte, unkommerzielle Musik wie Death Metal oder Crust?

Ich bin mir nicht sicher, ob meine Mutter es tat. Sie war zwar stolz auf das, was ich erreichte, aber sie wäre nicht in der Lage, ein MARILYN MANSON-Stück von einem PARADISE LOST-Lied zu unterscheiden. Im Gegensatz dazu zeigte mein Vater gleich von Beginn an großes Interesse. Er verstand die Leidenschaft, die in der Musik steckte und ich denke, dass ihn genau das faszinierte.

War also das Hören und Wiederentdecken alter Death-, Doom- und Crust-Sachen eine Suche nach Nostalgie, eine Flucht zurück in eine Zeit, in der aus heutiger Sicht alles gut war?

Ja, es hatte sicherlich damit zu tun. Wie Gerüche und Geschmäcke hat Musik die Kraft, dich im Handumdrehen zu einem bestimmten Punkt in der Vergangenheit zu transportieren. Diese Art von Musik war einfach die erste, die mich begeisterte. Und sie wird immer ein Teil von mir sein.

Kannst Du mir über den Zeitpunkt berichten, als du dich entschieden hast, andere in das mit einzubeziehen, was zunächst doch äußerst privat war? Hast du nie daran gezweifelt, ob es richtig ist, solche persönlichen Gefühle öffentlich zu machen?

Das war, als ich etwa 70 Prozent der Lieder geschrieben hatte und die Texte immer weniger therapeutisch, dafür aber immer selbstzerstörerischer wurden. An diesem Punkt realisierte ich, dass ich das Ganze in etwas Positives verwandeln musste und dass ich dazu gute Freunde um mich herum brauchte. Von da an hat es tatsächlich Spaß gemacht. Und auch wenn die Texte ursprünglich nicht für andere bestimmt waren, dachte ich: Was soll’s? Das ist schließlich etwas, das jedem Menschen passiert und es ist besser, darüber zu sprechen als es nicht zu tun. Außerdem verstehe ich nicht, warum es im Death Metal in Ordnung ist, darüber zu singen, wie einer Jungfrau die Innereien herausgerissen werden, die Leute aber verunsichert scheinen, wenn es nicht fiktional ist, sondern um einen echten Todesfall geht.

Nur wenige Wochen vor dem Album „A Fragile King“ haben VALLENFYRE eine 7″ namens „Desecration“ veröffentlicht – was war der Grund dafür? Ist es einfach etwas für die Sammler?

Es gibt zwei Gründe dafür. Einerseits hatte ich noch nie eine 7″ veröffentlicht und wollte das immer schon tun. Andererseits – und das war der Hauptgrund – wollten wir zunächst eine anonyme Veröffentlichung tätigen, so dass Leute, die unsere anderen Bands vielleicht nicht mögen, dem Material trotzdem ein Ohr schenken. Und es war großartig, Reaktionen von Hörern ohne Erwartungen und Vorurteile zu erleben.

Du sagtest, dass du den Großteil des Materials auf „A Fragile King“ geschrieben hattest, bevor die anderen zur Band stießen – haben sie trotzdem noch ihre eigenen Ideen einbringen können?

Ich stellte den Rest der Stücke alleine fertig, einfach um die Kontinuität zu gewährleisten. Als wir das Album dann aufnahmen, brachte sich aber natürlich jeder mit seinem ihm eigenen Stil ein.

Was kannst du im Detail über den Aufnahmeprozess erzählen? Habt ihr alte Instrumente und Ausrüstung benutzt, um ein Old-School-Gefühl zu erzeugen?

Wir haben das meiste im Haus eines befreundeten Toningenieurs aufgenommen und nutzten eine Reihe unterschiedlicher Gitarren. Eine davon hatte ein Fan einmal vor etlichen Jahren für mich gemacht – sie stellte sich für bestimmte Passagen als hervorragend heraus. Hinzu kamen diverse Verstärker und viele alte Pedale. Ich denke, dass die Mischung aus diesen Pedalen und unserer Einstellung der Schlüssel zum Gitarrenklang des Albums war. Wir hatten verdammt viel Spaß bei den Aufnahmen und holzten alles in ein oder zwei Takes ein, nutzten so gut wie keine Nachbearbeitung. Es lief alles in totaler Heimwerker-Manier ab, so wie wir es 1988 gemacht hätten. Am Ende gaben wir das Resultat dann einem anderen alten Bekannten, Russ Russel, für den Mix und sagten ihm: Mixe es, wie du es vor 20 Jahren gemacht hättest, und mache es dreckig!

 

Vallenfyre

 

Kommen wir zur Musik: Das „V“ im VALLENFRE-Logo erinnert stark an das SAINT VITUS-Logo, weswegen ich viel doomiges Zeugs erwartet habe. Aber dann entpuppt sich das Album doch als prall gefüllt mit ziemlich direktem Death Metal und bietet nur zwei langsamere Stücke, „Seeds“ und „The Grim Irony“, was ist da passiert?

Die Sache mit dem „V“ war so gar nicht gedacht. Ich liebe SAINT VITUS, aber die Assoziation kam mir gar nicht in den Sinn, bis mich jemand darauf aufmerksam machte. Und ja, du hast Recht, es gibt einige Doom- und Crust-Einflüsse, aber „A Fragile King“ ist doch in erster Linie eine Old-School-Death-Metal-Scheibe.

Ich weiß, Musiker haben niemals wirklich ein Lieblingsstück auf ihrem neuen Album,  aber ich möchte trotzdem fragen, was dein Favorit auf „A Fragile King“ ist. Ich halte das treibende „Cathedrals Of Dread“ mit seiner mächtigen Bridge für ganz besonders stark.

Es ist in der Tat immer schwierig, weil die Lieder alle deine Kinder sind. Wenn ich aber wählen müsste, würde ich mich entweder für „Seeds“ oder für „As The World Collapses“ entscheiden.

Gibt es spezielle Alben oder Gruppen, die du als größte Einflüsse für das Album bezeichnen würdest? Ich fühle mich besonders oft an Schwedentod à la NIHILIST/frühe ENTOMBED erinnert.

NIHILIST, CARNAGE und andere schwedische Death-Metal-Formationen aus dieser Zeit waren sicherlich ein großer Einfluss, genau wie es frühe AUTOPSY, MORBID ANGEL, DEATH und MASSACRE waren. Hinzu kommen HELLHAMMER/frühe CELTIC FROST, frühe NAPALM DEATH, TERRORIZER und REPULSION. Und es wäre nicht fair, wenn ich nicht auch den Hardcore-Punk- und Crust-Kram wie ANTISECT, AMEBIX und DISCHARGE nennen würde.

War es für dich denn von Anfang an klar, dass du den kompletten Gesang übernehmen würdest? Nebenbei, er klingt sehr enthusiastisch und finster, ich liebe insbesondere das oft verwendete CELTIC FROST-„Uuuhh“.

Nein, das hat sich einfach so ergeben. Ich überlegte, welcher Freund einen passenden Gesangsstil haben könnte, aber mir fiel niemand ein. Auch dachte ich mir, dass die Texte so persönlich sind, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie jemand anderes sie singt. So übte ich und legte mich auf einen Stil fest, der zur Musik passte und genug Ausdruckskraft besitzt, um Zorn und andere Emotionen zu vermitteln. Der Rest der Truppe sagte, dass es gut klingt und damit war ich der Sänger. Und ja, das „Uuuhh“ findet sich überall auf der Platte; für jeden, der alte [CELTIC] FROST und alten Death Metal mag, ist dies, als ob er sein liebstes Paar Hausschuhe anzieht.

Was denken denn die anderen PARADISE LOST-Jungs (Nick Holmes, Aaron Aedy und Steve Edmondson) über VALLENFYRE? Mögen sie es, werden sie nostalgisch, wenn sie es hören?

Nick sagte, dass es sich gut anhört für das, was es ist. Das ist wohl ein zweifelhaftes Kompliment [lacht]. Aaron war niemals so tief im Death Metal, aber Steve ist ein großer Unterstützer und war sogar dabei, als wir kürzlich das Video zu „Cathedrals Of Dread“ drehten.

In den kommenden Monaten werden auch PARADISE LOST ein neues Album aufnehmen – wird der ganze Old-School-Kram deine Gitarrenarbeit bei diesen Aufnahmen beeinflussen oder separierst du da ganz bewusst?

Nein, das ist vollkommen separat. Wenn überhaupt, dann dient VALLENFYRE höchstens dazu, diese Seite meiner Musik herauszulassen, so dass das neue PARADISE LOST-Material melodischer sein sollte.

Hast Du eigentlich einmal in SONNE ADAM aus Israel, die wie VALLENFYRE bei Century Media unter Vertrag stehen, reingehört? Sie spielen nämlich mit alten PARADISE LOST vergleichbaren Death/Doom.

Nein, bisher nicht. Aber ich werde auf deine Empfehlung hin einmal reinhören. Ich tue mich generell schwer damit, neuen Death Metal zu hören. Es klingt meist gekünstelt und hat dazu am besten noch Soli im Steve-Vai-Stil. Bah! Ich mag hingegen viele andere moderne Bands, die nicht unbedingt im Death-Metal-Sektor zuhause sind, beispielsweise TRAP THEM, THE SECRET, TYRANT, OKKULTOKRATI oder COFFINS.

Ihr habt verlautbaren lassen, dass VALLENFYRE kein Projekt, sondern eine echte Band ist, die 2012 touren wird. Gibt es bereits Pläne für neues Material?

Ja, wir werden 2012 Konzerte und auch Festivals spielen, aber es ist noch zu früh, um zu sagen, ob und für wann wir ein neues Album planen. Wenn wir in ein, zwei Jahren immer noch Spaß an der Sache haben und uns inspiriert fühlen, dann vielleicht. Die Texte müssten sich dann natürlich mit anderen Dingen befassen.

Greg, ich danke dir für deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir.

UUUUUHH!!!!

Galerie mit 25 Bildern: Vallenfyre - Vallenfyre - Tour 2014
Quelle: Gregor Mackintosh
30.10.2011

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