Mastodon - live in Herford 2017
Prog-Götter in Spiellaune

Konzertbericht

Billing: Mastodon, Russian Circles und Red Fang
Konzert vom 14.11.2017 | X-Herford, Herford

Das Ziel liegt knapp 20 Kilometer hinter Bielefeld und ist mit einem roten X markiert, wie der Lageort des Piratengoldes auf einer Schatzkarte. Gut so, denn so hebt es sich doch noch deutlich genug ab von dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite angesiedelten Erotikshop sowie dem benachbarte Fast-Food-Restaurant mit der goldenen Möwe als Wappentier,  die ebenfalls beide auf extrovertierte Lichtwerbung setzen.

Die Horde, die sich gegen halb sieben bereits an den Tischen des besagten Fast-Food-Restaurants stärkt, ist an diesem verregneten Dienstagabend kaum an den üblicherweise hier stattfindenden Partyformaten wie „Smash It“ oder „Dark Society“ interessiert. Stattdessen starrt die Fratze eines untoten Wüstenwanderers umso häufiger von zahlreichen T-Shirts über die angebrochenen Mac-Menüs herüber. Keine Frage, MASTODON erobern heute tatsächlich das Ravensberger Hügelland – mit lauter Unterstützung von RUSSIAN CIRCLES und RED FANG.

Konzertfoto von Mastodon - Emperor Of Sand Tour 2017

Mastodon – Emperor Of Sand Tour 2017

20:00 Uhr – RUSSIAN CIRCLES

Ziemlich genau eineinhalb Stunden später erlöschen im Hauptraum der Großraum-Disko im Buddhisten-Tempel-Gewand die Lichter. RUSSIAN CIRCLES aus Chicago spielen instrumentalen Post-Metal und lassen die Musik für sie sprechen. Während der gut dreißigminütigen Show wird kein einziges Wort an das Publikum gerichtet (was zugegebenermaßen auch damit zu tun haben mag, dass man aus naheliegenden Gründen auf das Aufstellen von Gesangsmikrofonen verzichtet hat). Obgleich nur zu dritt, erschaffen die US-Amerikaner dennoch einen mächtigen Sound, der bereits so manchen MASTODON-Jünger hellhörig werdend vor die Bühne treibt. Konversationsschnipsel der Publikumsnachbarn: „Da weiß ich ja jetzt, von welcher Band ich mal wieder ein paar Platten hervorkramen muss.“

Setlist:

01. 309
02. Afrika
03. Harper Lewis
04. Youngblood
05. Geneva
06. Deficit

Galerie mit 18 Bildern: Russian Circles - Emperor Of Sand Tour 2017

20:50 Uhr – RED FANG

Um kurz vor Neun betreten dann die Stoner-Rocker von RED  FANG die Bühne und sorgen für die ersten wirklichen Pits des Abends. Kein Wunder, eignen sich die staubtrockenen Riffs und die eingängigen Hooks doch hervorragend zur körperlichen Ertüchtigung sowie lautem Mitgegröle. Auch ohne vertrackte Prog-Passagen scheinen RED FANG zielgenau den Sludge-Nerv der versammelten MASTODON-Anhängerschaft zu treffen. Die auf den Punkt rockenden Vierminüter des Oregon-Quartetts leiden überdies deutlich weniger unter dem zunächst auch hier suboptimalen Sound. Positiv fallen vor allem jene Passagen auf, in denen sich die Saitenfraktion in bester MASTODON-Manier die Gesangspassagen aufteilt.  Die gute Laune im Publikum springt klar erkennbar auf die Bühnen-Protagonisten über und man bedankt sich artig in deutscher Sprache. Nach knapp 40 Minuten ist dann Schluss. RED FANG hinterlassen einen ordentlich angeschwitzten Innenraum, der nun voller Erwartung mit einem letzten noch schnell herangeholten Herforder Pils versorgt, die ersten Reihen vollzudrücken beginnt.

Setlist:

01. Blood Like Cream
02. Malverde
03. Crows In Swine
04. Antidote
05. Wires
06. Flies
07. Cut It Short
08. Dirt Wizard
09. Prehistoric Dog

21:55 Uhr – MASTODON

Um fünf Minuten vor Zehn entern die Herren MASTODON nach kurzem Intro und fast unbemerkt die Bühne und legen los. Man fühlt direkt: Sie haben einiges vor. MASTODON starten ins Set nicht etwa mit einem der zahlreichen Hits vom aktuellen Album „Emperor Of Sand“ (das halbe Hinds-Solo-Release „Cold Dark Place“ jetzt einmal nicht mitgezählt), sondern mit dem epischen Dreizehnminüter „The Last Baron“ vom Über-Album „Crack The Skye“. Eine unkonventionelle Entscheidung, die sich später aber vor allem deswegen bezahlt macht, weil sie Brent Hinds die Möglichkeit bietet, seine live häufiger schwächelnde Stimme mit dem über weite Strecken durch ihn getragenen Song warmzusingen. Vor allem die in der Folge zahlreich angestimmten neuen Lieder profitieren davon enorm.

Galerie mit 28 Bildern: Mastodon - Emperor Of Sand Tour 2017

Aber auch aus dem ansonsten prall gefüllten Back-Katalog zaubern MASTODON ein Schmankerln nach dem andern hervor: „Oblivion“, „Divinations“, „Colony Of Birchmen“ und „Ember City“ werden abgefeiert ohne Ende und sogar in Sachen Sound holt die Technik das bestmögliche heraus. MASTODON gönnen sich keine Pause. Man spürt die Spielfreude und den Anspruch, das Maximum in diesen Abend hineinzupacken, seien es mitreißende Refrains, irre Rhythmus-Passagen oder schwelgerische Soli aus dem Innern des Mondes. Als man nach dem „Emperor“-Hit „Steambreather“ das Ende bereits vor Augen hat, kehren MASTODON noch für eine Zugabe der besonderen Art auf die Bretter zurück: Scott Kelly von NEUROSIS hat sich als langjähriger Begleiter der Band und Feature-Gast seit den Anfängen der Tour angeschlossen und bekommt nun erstmals die Möglichkeit, alle über die Jahre entstandenen gemeinsamen Kooperationen live mit MASTODON zu performen. Das Ergebnis gleicht bisweilen einer Zeitreise zu den live mittlerweile selten gehörten Sludge-Großtaten der Frühphase der Band und begeistert vor allem die Fans der ersten Stunde.

Konzertfoto von Mastodon - Emperor Of Sand Tour 2017

Mastodon – Emperor Of Sand Tour 2017

Nach fast zwei Stunden und zwanzig Songs ist schließlich endgültig Schluss. Brann Dailor tritt für seinen obligatorischen Schlussmonolog ans Mikrofon und räsoniert darüber, warum man bei MASTODON bisher noch nichts von diesem großartigen Herford und seinen tollen Fans gehört habe. Nun werde man auf jeden Fall wiederkommen. Das zahlenmäßig weit überlegene Pendler-Publikum aus Bielefeld, Dortmund, Hannover und Co. lächelt etwas gezwungen und steigt mit dröhnenden Ohren in die Autos.

Setlist:

01. The Last Baron
02. Sultan’s Curse
03. Divinations
04. Ancient Kingdom
05. Colony Of Birchmen
06. Ember City
07. Megalodon
08. Andromeda
09. Oblivion
10. Show Yourself
11. Precious Stones
12. Roots Remain
13. Mother Puncher
14. Steam Breather
15. Scorpion Breath (mit Scott Kelly)
16. Crystal Skull (mit Scott Kelly)
17. Crack The Skye (mit Scott Kelly)
18. Aqua Dementia (mit Scott Kelly)
19. Spectrelight (mit Scott Kelly)
20. Diamond In The Witch House (mit Scott Kelly)

Fotos: Andrea Friedrich 10.11.2017 Huxley’s Neue Welt, Berlin (ohne RED FANG)

16.11.2017

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Russian Circles und Red Fang auf Tour

1 Kommentar zu Mastodon - live in Herford 2017 - Prog-Götter in Spiellaune

  1. Suppenjupp sagt:

    Spielfreude war bei Mastodon durchaus vorhanden – sieht man mal von Brent Hinds ab. So eine lustlose und bisweilen dreiste Performance habe ich ewig nicht erlebt. Leider wird in diesem Bericht mit keinem Wort erwähnt, dass Brent sich mehrfach abwertend dem Publikum gegenüber äußerte und große Teile des Sets mit dem Rücken zum Publikum oder an der Bühnenseite verbrachte. Anscheinend war er mit der Stimmung und der Bewegungsfreude des Herforder Publikums nicht zufrieden. Das war auch über lange Strecken während des Mastodon-Gigs ein sehr lahmer Haufen, bei Red Fang ging deutlich mehr. Aber wenn man wie Hinds eine absolut lustlose, mies gelaunte Performance liefert braucht man sich auch nicht wundern, dass sich das Publikum nicht vor Ekstase in ausgiebiege Moshpits stürzt. Die gabs nämlich nur äußerst selten.

    Negatives Highlight und der große Dämpfer der Show war dann noch die peinliche und feige Aktion Hinds, welcher nach dem letzten Song der Zugabe dem Gitarrentech sein Instrument gab und wortlos von der Bühne stampfte – nicht ohne dem (nicht wenig Geld zahlendem) Herforder Publikum noch den Mittelfinger zu zeigen. Frech.

    Waren wir auf verschiedenen Konzerten oder wieso wird das hier nicht erwähnt? Kollektive Spielfreude war jedenfalls nicht zu bemerken. Der einzige, der richtig Bock hatte, war Troy Sanders.