The Dillinger Escape Plan
Abschiedswahnsinn bei den Dillingers

Konzertbericht

Billing: The Number Twelve Looks Like You, God Mother und The Dillinger Escape Plan
Konzert vom 16.08.2017 | Conne Island, Leipzig

THE DILLINGER ESCAPE PLAN hören auf! Wir waren beim allerletzten europäischen Konzert dabei und haben uns gefragt: „Sind die denn alle verrückt geworden?“ Da gibt es nur eine Antwort: Bands und Fans sind komplett und völlig durchgedreht. Der blanke Irrsinn im Conne Island!

 GOD MOTHER

Galerie mit 15 Bildern: God Mother live in Leipzig 2017

Doch zuerst spielen GOD MOTHER und deren Sänger überrascht die Zuschauer im Conne Island gleich doppelt: Erstens brüllt er auf Schwedisch. Das hört sich sehr ungewohnt an,  passt aber zum Hardcore/Mathcore-Sound wie die Faust aufs Auge. Und zweitens stürzt er sich sofort mitsamt Mikro ins Volk. Die Leute weichen auseinander und bilden einen riesigen Kreis. Da er sie aber direkt ansingt und anschreit, springt der Funke schnell über und es bildet sich ein wüstes Gemenge. Irgendwann taucht er samt Mikro und – man staune – intaktem Mikrokabel wieder auf der Bühne auf. Da ist der Schuppen schon auf Betriebstemperatur. GOD MOTHER sind hier vielleicht noch relativ unbekannt,  aber sie locken sehr schnell die Fans aus dem gut besuchten Biergarten des Conne Island. Und es zeichnet sich schon das Motto des Abends ab: Hier regiert der Wahnsinn.

Setlist Godmother:

  • Övald
  • Blodfors
  • By The Millions
  • Ophiuchus
  • Tar Mirror
  • Carve Them
  • De Övalkomna
  • Weak
  • Between Voids
  • Eyes Bleached

THE NUMBER TWELVE LOOKS LIKE YOU

Galerie mit 15 Bildern: The Number Twelve Looks Like You live in Leipzig 2017

Die Screamo-Experimental-Jazz-Mathcoreler aus den USA hatten sich eigentlich bereits 2010 getrennt, stehen aber heute – zu viert statt zu sechst – wieder auf der Bühne. Und was soll ich sagen? Die sind noch genauso krank wie früher. Die Bühne verwandelt sich in ein Tollhaus und auch im Zuschauerraum sieht es nicht besser aus: Zuckende Leiber, verdrehte Augen und schrille Schreie zeigen, dass der Irrsinn von THE NUMBER TWELVE LOOKS LIKE YOU ansteckend ist. Anspruchsvolle Instrumentalpassagen zeigen aber auch, dass er durchaus Methode hat und den Namen Mathcore verdient. TNTLLY (so lange Bandnamen schreien einfach nach einer Abkürzung) prügeln sich und ihre Instrumente durch ihr Set, das zum größten Teil aus Songs der letzten Bandphase besteht. Breaks, Turns, das volle Brett, völlig irre Screams, und zerbrechliche Melodien wechseln in schneller Folge.

Live-Foto The Number Twelve Looks Like You Leipzig 2017

Gitarrist Alexis haut unglaubliche Soli raus. Sänger Jesse Korman tanzt und dreht sich und dann passiert das Unvorstellbare: Er führt im Publikum eine Polonaise an. Fettes Grinsen bei allen, die Schlange wird immer länger und dreht einige Runden im dichten Gedränge. Oh Mann, was für ein geiles Chaos!

Setlist The Number Twelve Looks Like You:

  • I’ll Make My Own Hours
  • Glory Kingdom
  • Don’t Get Blood On My Prada Shoes
  • To Catch A Tiger
  • Jay Walking Backwards
  • The Garden’s All Nighters
  • The Proud Parent’s Convention Held In The ER

THE DILLINGER ESCAPE PLAN

Galerie mit 20 Bildern: The Dillinger Escape Plan live in Leipzig 2017

Als ich THE DILLINGER ESCAPE PLAN das erste Mal sah (als Vorband von SYSTEM OF A DOWN 2002), war ich entsetzt. Wer wollte so etwas als Musik bezeichnen? Auch der Auftritt war chaotisch und er gipfelte darin, dass Sänger Greg Puciato ins Publikum sprang und die Security ihn zuerst nicht mehr auf die Bühne lassen wollte. Die hielten ihn für einen durchgeknallten Fan.

Diese rohe Energie bringen THE DILLINGER ESCAPE PLAN auch heute mit ins Conne Island. Sie spielen live (fast) so tight wie auf Platte. Sturmgewitter und ganz kurze, exakte Pausen wechseln sich mit ruhigen Melodien ab, in die man regelrecht hineinfällt – manchmal ins Bodenlose. Da kann dann jeder wieder Energie schöpfen, um im nächsten Moment wieder in Raserei zu verfallen. Ganz erstaunlich: Greg Puciato haut seine Texte auch nach einer Stunde noch genauso wütend raus wie am Anfang, seine Stimme lässt kein bisschen nach, trotz wüstestem Geschrei.

Kräftezehrend und furchterregend sind THE DILLINGER ESCAPE PLAN nach wie vor der feuchte (weil schweißtreibende) Traum eines jeden Mathcore-Jüngers. Und schweißtreibend heißt hier im Conne Island, dass kaum ein Faden am Leib trocken bleibt, wenn man sich zwischen glitschigen, nassen Leibern durchdrängt. Auf der Bühne ist immer was los: die Musiker schreien, toben, springen, werfen ihre Gitarren nach oben und immer wieder werden Crowdsurfer angespült. Einige rennen bis hinter zum Schlagzeug und nehmen Anlauf, um sich mit Schwung wieder in die Menge zu stürzen. Andere küssen die Musiker. Total durchgeknallt ist das hier, alle sind aus dem Häuschen. Nicht nur, dass Puciato immer wieder mal wo rumklettert, auch Gitarrist Weinman hängt plötzlich wie ein Affe im Lichtgerüst. Samt Gitarre. Echt krass, was sich hier abspielt.

Live-Foto The Dillinger Espae Plan Leipzig 2017

„One Of Us Is The Killer“ ist bei Kritikern als besonders „zugänglich“ verschrien. Tatsächlich kann den Refrain JEDER hier mitgrölen: „In the air we tried to be“ (Luft ist ein Schlüsselwort im Conne Island, es gibt fast keine) „Now one of us must die – but the killer won’t survive!“ Definitiv ein Killer der Song, Gänsehaut für alle, egal, was die anderen sagen. Für die letzten Songs packen die Dillingers dann auch noch die Stroboskop-Bombe aus und der Wahnsinn entfesselt sich komplett. Völlig unvorstellbar, dass dieses mein letztes DILLINGER-Konzert gewesen sein soll! Wenn ich die Kohle hätte, würde ich glatt noch nach New York fliegen, wo Ende Dezember die drei allerletzten Shows stattfinden, zwei davon schon wieder ausverkauft. Auch andere Fans können sich wohl auch nicht trennen und nach dem letzten Song sind mehr Zuschauer auf der Bühne als Musiker. Es lebe der Mathcore! Es lebe THE DILLINGER ESCAPE PLAN, verdammt nochmal!

Live-Foto von The Dillinger Escape Plan in Leipzig 2017

Setlist The Dillinger Escape Plan:

Setlist von The Dillinger Escape Plan 2017 in Leipzig

Aber alles hat einmal ein Ende, so auch THE DILLINGER ESCAPE PLAN und ebenso ihr letztes europäisches Konzert. Manch einer der harten Jungs hat feuchte Augen auf dem Heimweg (von der Anstrengung, ganz klar!). Die klatschnassen Mathcore-Jünger rotten sich in der Straßenbahn zusammen, um das Konzi noch mal gemeinsam in der Erinnerung zu durchleben. Wenn schon Abschiedsschmerz und Wahnsinn und Fuchsgeruch, dann im Rudel!

02.09.2017

Foto-Team

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