Caspian - Dust And Disquiet

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Schottland, Island, Kanada – die Entstehung des Post-Rocks lässt sich nicht gerade im Einzugsgebiet etwaiger Großmächte verorten. Bands wie MOGWAI, SIGUR RÓS oder GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR gelten seit jeher als eigenwillige Freigeister, vielmehr angetrieben von musikalischer Willenskraft denn von profitorientiertem Denken. Dank dieses aufrichtigen künstlerischen Anspruchs gelang es einem jedem der genannten Pioniere, auch noch Jahre nach dem ersten Popularitätsschub Werke abzuliefern, die sich bis zum heutigen Tag als unanfechtbare Opera magna gehalten haben. MOGWAI hatten „Mr. Beast„, SIGUR RÓS hatten „Ágætis byrjun„, GY!BE hatten „Skinny Fists“.

Bis zum großen Wurf darf es auch mal etwas länger dauern

CASPIAN hingegen ist es gelungen, sich mit einer ganzen Reihe von nur minimal überdurchschnittlichen Outputs eine Reputation in der Szene zu erarbeiten, von der andere nach der Jahrtausendwende formierte Post-Rock-Bands nur träumen können. Doch sind CASPIAN US-Amerikaner. Folglich finden ihre Kreativprozesse weder in leerstehenden kanadischen Lagerhallen statt, noch nehmen sie ihre Alben in einem verlassenen Schwimmbad inmitten der isländischen Natur auf. Nein, für „Dust And Disquiet“ haben sich CASPIAN abermals in den Q Division Studios in ihrem Heimatstaat Massachusetts eingefunden, jenem Ort, an dem schon der Vorgänger „Waking Season“ entstand. Vielerorts als Post-Rock-Album des Jahres verschrien, konnte das vermeintliche Meisterwerk tatsächlich mit an einer Hand abzählbaren Übersongs aufwarten – aber auch mit einer ganzen Menge delaygeschwängertem Füllmaterial.

Streich-Quartett und Trompetenklänge

Doch von jenem Füllmaterial kann auf „Dust And Disquiet“ ebenso wenig die Rede sein wie von einzeln herausstechenden Übersongs. Denn Album Nummer vier zeigt eine von Grund auf restaurierte Band. Laut Besetzungsliste weiterhin von einer drei- bis vierköpfigen Gitarrenübermacht angeführt, erweitern CASPIAN ihren Klangkosmos diesmal um so manche Facette. Beinahe in Jazzästhetik wird das Werk von gedämpften Trompetenklängen eröffnet, bevor sich über selbigen gewohnt warme Les-Paul-Klänge und dünn gesäte Akustikgitarren zusammenfinden. Als Kirsche auf dem Sahnehäubchen fungiert derweil ein Streich-Quartett, welches sich auch über das gediegene Intro hinaus zu entfalten weiß. Im weiteren Albumverlauf bäumt sich das Mini-Orchester nach und nach zu voller Größe auf, ohne sich in klaustrophobischen Dynamikdimensionen aufzudrängen. Auch poppig-melodiöse Violinenmuster, wie sie in der Vergangenheit MAYBESHEWILL einzusetzen wussten, sucht man vergebens. Tritt die symphonische Begleitung dann aber doch einmal in den Vordergrund („Ríoseco“, „Dust And Disquiet“) darf der Vergleich zu kanadischen Kollegen ob der dadurch entfesselten Emotionen keineswegs gescheut werden.

Zurückscheuen wollen CASPIAN auch nicht länger vor dem Gebrauch der eigenen Stimme: Wo auf „Waking Season“ noch ein Vocoder zum Einsatz kam, zeichnet sich das instrumental eher klassische Post-Rock-Stück „Echo And Abyss“ nunmehr durch verhallte, am Ende gar geschriene Gesangslinien aus. Profitiert die Band hier noch vom Segen des Reverb-Effekts, stellt man mit „Run Dry“ endgültig unter Beweis, dass der geschickte Einsatz von Akustikgitarre, Klavier und klarer Stimme in puncto Trauer-Atmosphäre jedes Pedalboard dieser Welt ersetzen kann. Der zwei Jahre zurückliegende schmerzhafte Verlust von Bassist Chris Friedrich schwingt in jedem Atemzug mit – ganz ohne SLIPKNOT’sche Dramainszenierung, ganz ohne elektrische Gitarren.

„Dust And Disquiet“ zeigt eine völlig neu aufgestellte Band

Generell wissen sich CASPIAN auf „Dust And Disquiet“ in vielerlei Hinsicht zu artikulieren: Nicht nur Klargesang, Klavier und Akustikgitarre bereichern das Klangbild, unter zahlreichen Instrumental-Schichten schlummern zudem auch E-Drums, Bongos und weitere Detail-Spielereien. Doch „Dust And Disquiet“ zeigt nicht nur rein instrumental eine völlig neu aufgestellte Band: Auch in konzeptioneller Hinsicht gelingt es CASPIAN, ihr viertes Studioalbum mit einem roten Faden zu versehen, der zwar allgegenwärtig scheint, doch stets ungreifbar bleibt – ein Klangmysterium, dass in dieser Intensität seit MOGWAIs „Rock Action“ nicht mehr gehört wurde. Ganz ehrlich, Jungs: Die „Großen“ wären stolz auf euch.

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22.09.2015

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