Code - Mut

Review

In sich gekehrt – drei Worte, die dem Wesen der neun auf „mut“ ausgestellten Bilder besser gerecht werden als jede andere Kurzbeschreibung es könnte. Ja, das vierte Album CODEs ist (in meinen Ohren) geradezu der Inbegriff von Introspektion – ich habe niemals zuvor derart introvertierter Musik lauschen dürfen.

Diese Aussage ist das Ergebnis reiflicher Überlegung und damit keineswegs übertrieben.

Ich habe CODE nach ihren ersten drei Alben „Nouveau Gloaming„, „Resplendent Grotesque“ und „Augur Nox“ sehr viel zugetraut – „mut“ überrascht mich jedoch so umfassend und tief, dass es mir aufrichtig schwer fällt, meine Verblüffung in Worte zu gießen. Ich weiß auch, dass nach meinen Worten zu „Resplendent Grotesque“ und „Augur Nox“ hier ein Gedicht stehen müsste – man nehme es mir nicht übel: Es hätte nicht funktioniert. Ich hätte Rainer Maria Rilke gleich eine Elegie schreiben müssen, um „mut“ auch nur annähernd gerecht werden zu können – und das bei einem Album, das nicht einmal 36 Minuten lang ist (und auch keine Sekunde länger sein dürfte); das sagt viel über die Dichte „mut“s aus…

Eine musikalische Einordnung der neun Stücke fällt (mir) gar nicht so leicht – auch wenn es vermeintlich einfach sein sollte; schließlich ist „mut“ das erste Album CODEs, das in derselben Besetzung aufgenommen wurde wie sein Vorgänger. „Augur Nox“ scheint jedoch Welten entfernt von „mut“, wenngleich zumindest eine ungefähre Einordnung in den Kontext gelingen kann: „Augur Nox“ schien im ersten Eindruck vergleichsweise „griffig“, geradezu „flach“ – seine Tiefe eröffnete sich erst in vielen vielen Durchläufen, die ich dem dritten Album gegeben habe, um ihm letztendlich irgendwie gerecht zu werden. Gewisse Parallelen weist „mut“ zweifellos auf: So braucht auch dieses Album eine Vielzahl an Durchläufen, um sich in seiner ganzen Tiefe zu entfalten – der große Unterschied zu „Augur Nox“ liegt jedoch darin, dass sich die überwältigende Wirkung „mut“s bereits auf den ersten „Blick“ erahnen lässt.

Musikalisch verfolgt „mut“ indes einen ganz anderen Ansatz als „Augur Nox“; CODE wären kaum wieder zu erkennen, wäre da nicht die atmosphärische Integrität, die sich durch die gesamte Diskografie der Briten zieht. Vom Black Metal früherer Tage ist so gut wie nichts übrig geblieben – die Gitarren sind höchstens angezerrt; dem Black Metal nahe stehendes Geschrei gibt es lediglich kurz in „Affliction“ zu hören; in eben jenem Song gibt es gegen Ende auch die einzige „typisch“ schwarzmetallische harmonische Wendung. Und der Rest? Der Fünfer bewegt sich irgendwo im Dunstkreis von Post Punk, Prog Rock und Post Rock, von „Post Metal“ traue ich mich kaum zu sprechen – „mut“ ist im positivsten Sinne unerhört! Wäre ich gezwungen, Orientierungspunkte zu geben, würden Namen wie VED BUENS ENDE, VIRUS, späte OPETH und MADDER MORTEM fallen (dass ich Wacians Gesang mit Agnete M. Kirkevaags stimmlichen Leistungen vergleiche, mag zunächst komisch wirken – es könnte aber kein größeres und aufrichtigeres Kompliment sein!).

CODE gelingt es auf „mut“ scheinbar spielend, (für Metal und Rock) ungewöhnliche Intervalle zur Kunstform zu erheben: Sexten, Septimen, Nonen durchziehen die neun Songs wie ein roter Faden – dazu gesellen sich wunderbare Vorhalte und harmonische Wendungen, die ihre Wirkung womöglich gerade daraus ziehen, dass sie so ungewohnt sind. Vielleicht ist es gerade diese Kombination aus ungewohnter Harmonik und meisterhaft aufgespannter atmosphärischer Tiefe, die „mut“ so introvertiert wirken lassen… Vielleicht sind es die trotz der neu beschrittenen Wege vorhandenen Freiräume in der Musik, die den neun Songs Raum geben zu atmen – insbesondere angesichts des tollen organisch-warmen Klangs. Apropos Freiräume: Auch Bassist Syhr nutzt die Räume in der Musik, um sein deutlich dynamischer gewordenes Spiel in die Musik CODEs einfließen zu lassen – allein instrumental ist bereits jeder Ton genau am richtigen Platz; „mut“ wäre auch ohne Gesang ein bewegendes, ausgefülltes und ausfüllendes Album.

„mut“ ist aber kein Instrumental – und wenn ich Wacians Gesang höre, kann ich nur ein „glücklicherweise“ hinterher schieben. Das, was der Mann hier an Emotionen transportiert, ist im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar. Sei es in „Dialogue“, dessen verzweifelte „Refrains“ (ich setze hier bewusst Anführungszeichen, da solcherlei Strukturen für CODE keine Bedeutung mehr zu besitzen scheinen) mir auch beim zwanzigsten Mal die Tränen in die Augen treiben; sei es der Falsett-Gesang in „Contours“; sei es die Mischung aus Wut und Verzweiflung in „Numb, An Author“ oder die Resignation in „The Bloom In The Blast“ – all das demonstriert eindrucksvoll die emotionale Integrität der Band, die gemeinsame Vision der Künstler hinter CODE.

„mut“ ist Klang gewordene, introvertierte Melancholie. „mut“ ist ein Spaziergang an der Küste eines inneren Meeres. „mut“ ist das langsam aufsteigende Bewusstsein, selbst ein Sturm auf diesem inneren Meer zu sein.

01.03.2015

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1 Kommentar zu Code - Mut

  1. unfurl sagt:

    Meiner Meinung nach langweilig geworden nachdem Kvhost die Band verlassen hat. Das Album kommt auch bei weitem nicht an Songs wie „Possession Is the Medicine“ ran.