Angra - Ømni

Review

Da ist sie wieder, diese eine Band, ANGRA, die dem Verfasser dieser Zeilen eine Mischung aus Nostalgie und Wehmut einbringt. Unsereins hat sich nämlich nach einem furiosen Erstkontakt mit den Brasilianern, an den er heute noch freudig zurückdenkt, lange davor gedrückt, mit den Herrschaften auf weitere Tuchfühlung zu gehen – vor allem, um die schöne Erinnerung nicht zu ruinieren. Und nun steht also doch der Showdown an mit dem neuen, hier vorliegenden Scheibchen dieser Band, das auf den vielversprechenden Namen „Ømni“ hört.

ANGRA wollen alles – zuviel gewollt?

Und als erstes fällt im direkten Vergleich schon mal auf, dass ANGRA seit „Temple Of Shadows“ mit deutlich mehr Feingefühl an die Sache herangehen. Diese Poltrigkeit hat die Band zurückgefahren für einen Sound, der deutlich geschmeidiger aber nicht minder kraftvoll daherkommt. So bietet „Ømni“ ein aufgeräumteres, angenehmeres Hörvergnügen, das einem nicht gleich einen Scheitel zieht. Okay doch, ANGRA sind eben doch immer noch trotz diverser Besetzungswechsel dieselben, aufgeweckten Kraftpakete. Nur macht das mit dem Scheitelziehen dank einer feineren Produktion nun mehr Spaß als vorher. Man findet relativ leicht in den Sound der Brasilianer hinein. Und natürlich macht auch die im Vergleich zu Edu Falaschi etwas weniger schrille Stimme von Fabio Lione (u. a. RHAPSODY OF FIRE), der seit dem Vorgänger mit von der Partie ist, einen Unterschied – insgesamt angenehmer zu hören.

Dennoch macht die Band von Beginn an unmissverständlich klar, mit wem wir es hier zu tun haben. „Light Of Transcendence“ eröffnet das Album mit einem Donnerschlag, der gar nicht erst höflich um Eintritt bittet. Nein, eingetreten wird, allerdings vor allem die Tür, die sogleich direkt ins Gesicht des Hörers fliegt. Ohne Umschweife umgarnen die heißblütigen Power-Metal-Heroen diesen dann mit großen Melodien und Bombast, der erstaunlich subtil daher kommt. Was wie ein Widerspruch in sich anmutet, machen die Brasilianer tatsächlich zu ihrer großen Stärke. Die symphonische Komponente ihres Sounds hält sich zumeist im Interesse einer deutlich höheren Metal-Gewichtung zurück, nur um dann im richtig Moment zuzupacken und voll ins Schwarze zu treffen.

Zwischen großen Songs und kleinen Patzern

Dabei legen ANGRA eine Eleganz aufs Parkett, die den Songs wunderbar in die Karten spielt. Man möchte ja nicht meinen, dass Power Metal mit Feinfühligkeit sonderlich gut miteinander einher gehen. Und zugegeben ist „Eleganz“ natürlich ein großes Wort. Gemeint ist eine gewisse Gediegenheit innerhalb der Songs, welche diese natürlich und ungezwungen klingen lässt. So lässt die Qualität selbst bei der Ballade „Bottom Of My Soul“ – üblicherweise ein Stolperstein für viele Bands – nicht nach. Das hat die Platte sicher auch dem guten Songwriting zu verdanken, das immer wieder interessante Wendungen zu vollführen vermag. Sei es durch passende Harmoniewechsel in der Bridge wie in „Travelers In Time“ oder der Einsatz folkloristischer Elemente wie in „Caveman“. Daneben gibt es natürlich in Songform gegossene Energiebündel wie „Insania“, die einen einfach nur beim Schopfe packen und mitreißen.

Als Sahnehäubchen gibt es die für die Band irgendwie zum Markenzeichen gewordenen, prominenten Gastauftritte. Neben dem ehemaligen Gitarristen Kiko Loureiro, der „War Horns“ veredelt, hat sich auch unter anderem Alissa White-Gluz eingefunden, die bei „Black Widow’s Web“ zum Einsatz kommt. Leider war unsereins nie ein Fan ihrer (geschweige denn Angela Gossows) Gesangsdarbietung. Und selten hat sie gezwungener und verkrampfter geklungen wie hier, mal ganz davon abgesehen, dass Lione und sie hier keine sonderlich gute Chemie haben. Der Song klingt, als wollten ANGRA auf Gedeih und Verderb ein ARCH ENEMY-Feature auf die Platte zwängen – sehr zum Leidwesen der dritten Stimme im Bunde dieses Tracks, die einer Sandy gehört und eine stimmungsvolle Darbietung abliefert, die Gluz um einiges übertrifft. Aber letztere hat natürlich den größeren Namen hinter sich. Und auch weitere, kleinere Anflüge von Mittelmäßigkeit hier und da, die sich bei einer Spielzeit von über einer Stunde nun mal nicht vermeiden lassen, kratzen den positiven Eindruck ebenfalls etwas an. So scheue ich mich ein bisschen davor, eine allgemeine Kaufempfehlung auszusprechen. Doch wer seinen Power Metal bunt und energetisch mit gelegentlichen Ausflügen in die grobe Richtung Prog mag, der findet hier wieder geschmackvolles Futter – insofern hat sich das also nicht verändert.

08.02.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.