Cryptopsy - The Unspoken King

Review

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Die Spannung war groß, was CRYPTOPSY nach ihrem letzten, etwas halbherzigen Output „Once Was Not“ bringen würden. Die einen verdammten die äußerst schwache Gesangsleistung des kurzzeitig zurückgekehrten Ur-Sängers Lord Worm, die anderen moserten an der seltsamen Produktion herum, die nach alles klang, nur nicht nach beinhartem Metal. Drums zu laut, Gitarre zu weit weg und zu wenig Crunch und überhaupt fehlte das gewisse Etwas.

Die Folge war, dass Lord Worm (mal wieder) ging, laut offizieller Meldung aus gesundheitlichen Gründen und dass sich die Kanadier demzufolge erneut auf Sängersuche begaben. Gefunden haben sie ihren neuen Mann am Mirko in Matt McGachy von 3 MILE SCREAM, und sie nahmen kurzerhand noch die Keyboarderin Maggie Durand mit an Bord, die jedoch aktuell nicht mehr in der Band ist, ihren Beitrag zum Album aber noch geleistet hat.

Dass CRYPTOPSY ihre alten Fans mit „Once Was Not“ gespalten haben, dürfte außer Frage stehen und soll hier auch nicht noch einmal aufgegriffen werden, wohl aber, welchen Weg sie nun mit ihrem neuen Album „The Unspoken King“ einschlagen und was die Scheibe bei der holden Hörerschaft auslösen könnte und vielleicht auch wird.

Viele hatten bereits im Vorfeld Angst, dass CRYPTOPSY zum Metalcore wechseln und ihren alten Sound ad Acta legen würden. Nun, dieser Befürchtung kann ich nicht wirklich voll und ganz zustimmen, wenngleich sie trotzdem Relevanz besitzt. Ein Kompromiss also? Ja, so könnte man es wohl nennen, das neue Album. Ein Kompromiss zwischen alten CRYPTOPSY und modernen Metalsounds.

Angefangen beim Sound und der Produktion insgesamt, welche den alten CRYPTOPSY-Fan vermutlich erst einmal zurückschrecken und den Liebhaber moderner, steriler Klänge aufhorchen lassen dürfte. Klanglich lässt die Produktion keine nennenswerten Lücken zu. Das Schlagzeug ist erneut sehr dominant ausgesteuert, besitzt aber einen deutlich kräftigeren, einfach rundum besseren Sound als noch auf dem wackeligen Vorgängeralbum. Der Bass spielt wie gehabt eine wichtige Rolle, wenngleich ich persönlich den Viersaiter gerne etwas prägnanter integriert gewünscht hätte. Drummer Flo Mounier zeigt der Metal-Welt einmal mehr, wie man mit den Sticks umzugehen hat und zaubert eine Glanzleistung nach der anderen hin. Nahezu beängstigend, wie gezielt und genau dieser Mann sein Kit bearbeitet.

Und nun zur wesentlichen Veränderung im Sound CRYPTOPSYs, welche vermutlich auch für die Metalcore-Gerüchte sorgten, nämlich den Gitarren. Ganz klar angelehnt an heutige Standards, die besonders vom Metalcore geprägt sind, wurde der Gitarren-Sound drastisch sterilisiert und ihm somit leider auch jegliche Seele genommen. Trocken und superfett braten die Klampfen alles nieder. Man hört zwar (im Gegensatz zu früher) jede noch so kleine Nuance heraus, vermisst aber auch ganz klar den Wiedererkennungswert der beiden Gitarristen. Selbst wenn man gelegentlich (!) auch in den Riffs eine Anlehnung an den Begriff Metalcore erkennen kann, ist es hauptsächlich der Sound, der CRYPTOPSY zu etwas Neuem macht. Die meisten Riffs sind, eben unabhängig vom Sound, dennoch immer noch typisch CRYPTOPSY. Wenn man genau hinhört, wird man diese Tatsache unschwer erkennen. Metalcore ist ohnehin ein so weitläufiges (und auch gerne mal zum negativen benutztes) Genre, dass man schnell geneigt ist, diesen Stempel anzubringen. Mit der Endung „Core“ haben CRYPTOPSY allerdings auch anno 2008 genau so viel zu tun wie zuvor, nämlich gar nichts!

Das Songwriting weist hingegen einige äußerst gewöhnungsbedürftige Neuerungen auf. CRYPTOPSY verlassen die Wege des brutalen und supertechnischen Death Metals immer häufiger und streuen sogar melodische Metal-Elemente ein, die in ihrer Krönung sogar noch mit Clean Vocals begleitet werden, nahezu unfassbar. So kann es also sein, dass nach einem schnellen, hammermäßigen Blastbeat inklusive Frickel-Metzel-Riffs durchaus eine langsame, freundlich gesinnte und zudem sehr melodische Passage kommen kann, die einem mit klarem Gesang entgegenlächelt und nach sonnigen Wiesen duftet. Naja, Letzteres mag vielleicht etwas übertrieben klingen und es ist auch nichts gegen neue Einflüsse einzuwenden, aber es muss schon gekonnt klingen. Hier steckt nämlich ebenfalls ein kleiner Hund begraben.

Der neue Mann am Mikro, Matt McGachy ist ein lupenreiner Metalcore-Sänger (schon wieder dieses Wort!), der zumeist schreit, bis ihm die Stimmbänder zur Nase raushängen und sich zwischendurch auch gerne mal an Growls versucht, die er zwar nicht als einer der Besten seines Fachs erledigt, aber dennoch eine durchaus akzeptable Leistung abliefert. Leichtes Stirnrunzeln ist angesagt, wenn der Mann mit klarer Stimme zum melodischen Geplänkel säuselt. Die Clean Vocals werden zudem immer mal wieder entweder mit extremen Gekreische oder einer anderen, zumeist tieferen Tonlage gedoppelt, worauf man erstmal klarkommen muss. Auch wenn McGachy seinen Job recht passabel erledigt, bleibt noch viel Raum nach oben offen.

Trotz der Kritikpunkte darf nicht geleugnet werden, dass CRYPTOPSY ein gutes, wenn auch nicht überragendes Album abgeliefert haben. Es rappelt auf „The Unspoken King“ ganz amtlich im Karton und übertrifft den etwas zerrissenen Vorgänger „Once Was Not“ meiner Meinung nach auf jeden Fall. Die Keyboards, vor denen sich irgendwie auch jeder im Vorfeld fürchtete, hört man kaum, bedienen sie doch eher den Background für atmosphärische Passagen.

Letztendlich wird der neue, moderne oder erweiterte Stil vermutlich nicht dazu beitragen, dass CRYPTOPSY wieder das Ansehen erlangen, dass sie sich mit Überalben wie „Whisper Supremacy“ oder „And Then You’ll Beg“ erspielt haben, aber vielleicht sollte man auch davon abkommen, diese Band ständig mit ihren zwei Vorzeigewerken zu vergleichen.

Wer nicht ein drittes Album in der Machart der beiden oben genannten Highlights gefordert hat und Neuem gegenüber offen ist, dürfte nach dem enttäuschenden „Once Was Not“ nun mit „The Unspoken King“ eine positive Überraschung erleben. Anhängern des alten Sounds der Kanadier bleibt im Gegenzug vermutlich nur ein kleiner Trost, aber diese dürfen sich auch gerne weiterhin am Back-Katalog der Band erfreuen.

2008 heißt es für CRYPTOPSY: Auf zu neuen Ufern und Erweiterung des alten Sounds durch Kombination mit neuen Stilen. Wenn man nun die Zähne zusammenbeißt, bis man den inneren Schweinehund besiegt hat und etwas Blut aus den Lippen tropft, wenn man die Scheuklappen abnimmt und endlich aufhört sich in nostalgischen Tränen zu wälzen, wird man vielleicht feststellen, dass CRYPTOPSY ihre Sache gar nicht mal so übel machen…

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24.05.2008

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4 Kommentare zu Cryptopsy - The Unspoken King

  1. stendahl sagt:

    Eigentlich darf ich nicht benoten, kenne nur 2 Trax. Aber die gurgeln munter vor sich hin, ohne dass ein schwarzer Faden erkennbar wäre. Kann dieser Musikform allerdings, Schande über mein Haupt, nichts abgewinnen, obwohl da ja durchaus Finessen drin stecken… Zuwenig Identität m.E., aber vllt ist der Rest des Albums ja besser.

    5/10
  2. purgatory sagt:

    ich geb die höchstnote mal zum ausgleich, weil ich finde, dass das album ne 5 nun echt nicht verdient hat und ich es besitze im gegensatz zum beurteiler weiter oben 😉 :p
    es ist zwar ganz klar kein klassischer death metal wie er hier fabriziert wird, aber cryptopsy gehören zum besten und dieser frikelwahn wie er hier stattfindet ist in seiner brutalität schon ziemlich cool^^ also zum ausgleich die 10

    10/10
  3. Anonymous sagt:

    Langweiliger Scheiss. Der neue Sänger, soll in irgendeiner beliebigen Deathcore Band "singen", aber bitte nicht bei Cryptopsy. Im Ganzen ist mir das so oder so zu viel Deathcore. Schade, dass Cryptopsy diesen Weg gegangen sind, das alte Zeug gehört ja zu den Genre-Klassikern.

  4. Matthias sagt:

    Ich war damals sehr streng und als langjähriger Fan von CRYPTOPSY auch enttäuscht von der Ausrichtung des Albums. Heute halte ich „The Unspoken King“ durchaus für eine starke Sache, allerdings auch nur, wenn man den Namen CRYPTOPSY ausblendet. Hier hätte auch Name XY stehen können, denn die Musik ist sehr an angesagte Trends angepasst, wenn auch für sich stehend auf sehr hohem Niveau (über das Können der beteiligten Musiker braucht man nicht mehr diskutieren). Ich halte viel davon, wenn eine Band bei ihren Merkmalen bleibt, was die Kanadier hier eben gebrochen haben. Natürlich darf sich eine Band immer verändern, immer sogar, man muss es ja nicht mögen und hören, gibt genug Stoff da draußen, aber wenn ich Probleme habe, die „eigentliche“ Band herauszuhören wirds meiner Meinung nach kritisch. Wie dem auch sei, gutes Album, das sicher einen Punkt mehr verdient hätte, von einem Meisterwerk aber trotzdem weit entfernt ist.

    8/10