Karmakanic - In A Perfect World

Review

Manche können halt gar nicht genug um die Ohren haben – Jonas Reingold ist einer davon. Der schwedische Prog-Tausendsassa spielt nicht nur bei THE FLOWER KINGS und einem gefühlten Dutzend weiterer Projekte mit, sondern veröffentlicht seit 2002 auch mehr oder weniger regelmäßig Alben für KARMAKANIC, ein Projekt, das zwar mit einem kompletten Line-up aufwarten und damit als Band gelten kann, bei dem Herr Reingold aber als Mastermind fungiert und über sämtliche künstlerischen Entscheidungen die Oberhand behält.
„In A Perfect World“ heißt der vierte Streich KARMAKANICs, und ich muss gestehen, die drei vorhergehenden Alben nicht gehört zu haben (was sich wohl bald mal ändern wird). Mit diesem vierten Album der Band bzw. des Projektes betrete ich für mich also Neuland – und bin gewissermaßen hin und weg.

Vorweg: „In A Perfect World“ macht es einem (mir zumindest) nicht einfach. Beim ersten Durchlauf ist bei mir nur wenig hängen geblieben, was nicht daran liegt, dass „In A Perfect World“ über keinerlei Eingängigkeit verfügt, sondern einfach an der großen Welle an verschiedenen Elementen, die Herr Reingold einem hier serviert. So beginnt das Album gleich einmal mit einem 14-Minuten-Song und verbindet unterschiedlichste Elemente zwischen Progressive Metal, Rock’n’Roll, Jazz und Pop gleich mal in einem einzigen, epischen Song namens „1969“. Die Ideenreichfalt, die alleine im Opener vorhanden ist, hätte anderen Bands für ein ganzes Album gereicht, und trotzdem vollbringen KARMAKANIC das Kunstwerk, all diese Elemente zu einem homogenen Sound zu verarbeiten, der sich nicht nur durch den Opener, sondern durch das ganze Album zieht. Das darauffolgende „Turn It Up“ führt dann weiter, was „1969“ angefangen hat: Zwischen Classic Rock, der irgendwo zwischen DEEP PURPLE und VAN HALEN angesiedelt ist, und einem Refrain, der ein bisschen an Neunziger-Jahre-Popmusik erinnert, ist „Turn It Up“ ein eingängiger Song, der zwar nur halb so lang ist wie „1969“, aber trotzdem zunächst ähnliche Probleme bereitet, wenn man sich noch nicht ganz auf das Spiel eingelassen hat, zu dem KARMAKANIC den Hörer einladen.
Es würde ein bisschen den Rahmen sprengen, jeden weiteren der insgesamt sieben Songs in seinem vollen Ausmaß zu beschreiben, aber es geht weiter mit jeder Menge Ideen: Balladeske Momente, Jazz, Pop, Mambo, Prog, Classic und Hard Rock blicken vorbei, in „Can’t Take It With You“ gibt es sogar einen kurzen Moment, der an New Metal erinnert, kleine Verbeugungen beziehungsweise sogar immer mal wieder eindeutige Hommagen an Bands wie THE BEATLES, GENESIS, DREAM THEATER oder YES kommen im Sound von „In A Perfect World“ vor – und das wirkt wie gesagt erstaunlicherweise nie inhomogen, sondern fügt sich wunderbar zu einem ganz eigenen Sound zusammen. Nach drei bis vier Durchläufen in der heimischen Stereoanlage ahnt man schließlich, dass man es hier mit etwas Großem zu tun hat, nach drei bis vier weiteren bin ich mir sicher, dass „In A Perfect World“ ein Klassiker werden könnte.

Oder hätte werden können. Denn ein ganz, ganz großes Manko empfinde ich beim Hören von „In A Perfect World“, der dazu führt, dass ich „nur“ zu acht von zehn möglichen Punkten greife: Der dünne Sound, der keine wirklichen Ecken besitzt, nicht kantig genug ist, nicht druckvoll, sondern einfach … dünn. Das mag zu den Popmomenten auf „In A Perfect World“ passen, ist aber für eine insgesamt doch eher rockig ausgerichtete Platte zu wenig. Schade, sehr schade.

Wie gesagt: Man sollte wissen, worauf man sich einlässt, wenn man „In A Perfect World“ einlegt, und der Platte vor allem auch einen zweiten und dritten Durchlauf gönnen, wenn man anfangs das Gefühl hat, erschlagen zu werden. Die unterschiedlichen Elemente verbinden sich mit zunehmendem Hören immer mehr, ergeben ein unglaublich vielfältiges, aber nicht mehr erschlagendes Album mit Hommagen und Verbeugungen vor mehr Künstlern und Stilen, als man erkennen kann (gilt auch für diese Review: Ich glaube kaum, dass ich alles, was sich auf „In A Perfect World“ befindet, heraushören konnte). Das hier ist intelligente Musik von Fans für Fans gemacht, gleichzeitig auch ein Sprachrohr und eine Ausdrucksform für Bandchef Jonas Reingold, jede Menge Komplexität, aber immer auch ein gewisses Maß an Eingängigkeit.
Ich liebe dieses Album jetzt schon und mache es nun zum zehnten Mal an, um zu versuchen, den Reingold-Code weiter zu entschlüsseln. Ein Album für Mitdenker, die Spaß daran haben, sich Musik auch mal zu erarbeiten. Aber wie gesagt: Abstriche müssen beim Sound gemacht werden.

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20.07.2011

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