Letzte Instanz - Morgenland

Review

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„Morgenland“ – Der Titel des neuesten Werks von LETZTE INSTANZ kann im Hinblick auf das aktuelle Weltgeschehen, in dem engstirnige Menschen den Begriff des Abendlandes wieder in den Fokus der Gesellschaft gerückt haben, durchaus provokant aufgefasst werden. Doch birgt dieser Titel laut der Band noch mindestens eine weitere Facette, denn schließlich ist ein Blick in ein „Land von morgen“ durchaus spannend und kann von verschiedenen Perspektiven aus geworfen werden. All diese Überlegungen versprechen ein abwechslungsreiches und tiefgründiges Album – schauen wir also, ob LETZTE INSTANZ dem gerecht werden können.

„Morgenland“ – Volle Kraft voraus!

Mit stampfenden Drums und angenehm präsenten Streichern beginnt „Morgenland“ mit dem gleichnamigen Song. Der Refrain rockt sich schnell in die Gehörgänge der gemeinen Hörerschaft und verweilt dort gern auch nach Verklingen des letzten Tons. Den gesunden Optimismus, der vom Text ausgeht, hätte man angesichts des Kontext des Titels so vielleicht nicht erwartet, befindet sich jedoch am Anfang des Albums an einer guten Stelle und macht Lust auf mehr. „Schwarz“ ist eine Ode an die Szene, welche man bereits von vielen Bands kennt. Der Text bedient sich einer sehr einfachen Wortwahl, ist musikalisch wenig abwechslungsreich und rockt ereignislos vor sich hin. Angenehm zu hören, aber kein Kandidat für Jubelstürme. Für diese Kategorie hat „Morgenland“ ganz andere Songs in petto.

Zunächst geht es jedoch mit einer leichten Tanz- beziehungsweise in Bezug auf den Text des Liedes eher Nichttanz-Nummer weiter, die eine mögliche Liebelei auf der Tanzfläche thematisiert. „Disco D’Amour“ zeigt im Gegensatz zu „Schwarz“, dass LETZTE INSTANZ auch einfache Themen in einen ansprechenden Song packen können. Eine Situation, die wohl jeder im örtlichen Tanzschuppen bereits erlebt hat: Es herrscht ein Gefühl der Unsicherheit im Kopf des Protagonisten, welches überwunden werden muss, um das attraktive Gegenüber kennenzulernen. Der Text von „Disco D’Amour“ bringt die Problematik perfekt auf den Punkt, weswegen das Hören hier durchgängig Spaß macht.

Wo bleibt die Kritik?

Bis zu diesem Lied ist „Morgenland“ zwar ein gutes Album, lässt jedoch ein paar Fragezeichen stehen, hatte man doch provokanteres und politischeres Material nach ersten Pressetexten vermutet. Mit dem folgenden „Mein Land“ werden diese Erwartungen das erste Mal erfüllt – und wie! Fast schon zynisch wirkt der Titel, wenn man die politische Einstellung von LETZTE INSTANZ kennt. Der Song selbst setzt ein klares Zeichen gegen den Hass, der durch Organisationen, Parteien oder das selbsternannte „Volk“ verbreitet wird. Die Musik unterstreicht den Text dabei gekonnt: Kräftige Gitarren betonen die wütend vorgetragenen Worte, während die Streicher den traurigen Unterton der Botschaft vermitteln. Ein enorm starker Song, ohne Wenn und Aber.

Leider kann dieses hohe Niveau nicht durchgängig gehalten werden. „Glücksritter“ quillt vor Phrasen förmlich über, „Symphonie“ und „Noch Einmal“ sind gute Lückenfüller, und „Ikarus“ bietet durch eine bereits allzu oft gehörte Geschichte inhaltlich wenig Neues. Glücklicherweise schaffen es LETZTE INSTANZ auch bei manch textlich schwächerer Nummer durch die packende Musik noch einiges rauszuholen. „Ikarus“ ist daher keineswegs ein Song zum Weiterschalten, sondern überzeugt durch Rhythmik, die Dramatik im Gesang und ein angenehmes Piano im Refrain.

Enorm starke zweite Hälfte!

Bei „Morgenland“ lohnt sich das Dranbleiben, denn in der zweiten Albumhälfte versteckt sich noch der eine oder andere Höhepunkt. „Du Lebst“ ist beispielsweise ein geeigneter Kandidat für einen künftigen Live-Kracher – kraftvoll, hymnisch, Highlight! Der Text packt hier besonders durch den Kontrast aus traurigen, beinahe tragischen Momenten im Leben der besungenen Person und der im Refrain besungenen positiven Botschaft mit Blick nach vorn – dem Blick in ein besseres „Morgenland“. Mit „Wellenreiter“ folgt eine kräftige Portion Kitsch – aber Kitsch der besonders guten Sorte (wenn es sowas denn gibt). Jedenfalls ist der Song hervorragend geeignet, um seine Gedanken und Gefühle schweifen zu lassen, so, wie es LETZTE INSTANZ eben in Perfektion beherrschen.

Das Album schließt mit zwei Liedern, die perfekt zum Konzept des Albums passen würden, wenn es ein durchgängiges Konzept geben würde. LETZTE INSTANZ haben sich entschieden, sich mit einigen Liedern kritisch mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen, jedoch mit deutlich mehr Stücken in gewohnten Gewässern zu schwimmen. Das kommt gut an, verwirrt jedoch möglicherweise beim ersten Hören. Nichtsdestotrotz sind „Armageddon“ und das ORPHANED-LAND-Cover „Children“ textlich wie musikalisch Anspieltipps. Während „Armageddon“ durch unterschwellige Elektronik und wütenden Gesang ein packend-bedrohliches Flair versprüht, sticht „Children“ allein durch seine orientalischen Einflüsse heraus. Die leicht doomig wirkende Nummer, in der Kobi Farhi von ORPHANED LAND sogar als Gastsänger mitwirkt, ist mit Sicherheit das Experimentellste, was LETZTE INSTANZ je veröffentlicht haben. Dieses Lied ist eindrucksvoll bedrückend und entfaltet sich vom Anfang bis zum Ende zu einem wahren Juwel in der Diskografie der Band – unbedingt anhören!

LETZTE INSTANZ: Weniger Phrasen, mehr Würze!

Erst jetzt fällt mir auf, wie lang doch diese Review geworden ist. Scheinbar ist “Morgenland“ eine Platte mit reichlich Diskussionspotential – was nicht das Schlechteste ist, was man über ein Album sagen kann! Insgesamt legen LETZTE INSTANZ ein starkes Stück Musik vor, was um die eine oder andere Phrase gekürzt und mit ein wenig mehr Stringenz und Würze durchaus zur Besten der Bandgeschichte hätte werden können.

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21.02.2018

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1 Kommentar zu Letzte Instanz - Morgenland

  1. Bernd sagt:

    Also,
    was den Inhalt aus „metal“ Gesichtspunkten angeht muss ich dem Ersteller durchaus rechtgeben, wenn man nur oberflächlich in das Album hereinhört, ABER ohne ihm zu nahe treten zu wollen, hat dieses Album noch eine weitere Facette, die nur einem Hörerkreis von ca. 10% auffallen dürfte.
    Das Album als Gesamtes gesehen ist eine emotionale und teils gedankliche Reise mit starken Eindrücken und deftigen Aussagen, wenn man in der Lage ist diese zu erkennen.
    Mich jedenfalls hat dieses Album sehr hart erwischt und die kleinen, aber perfekten Details machen es für mich zu einem Meisterwerk, was ich nur mit einem weiteren vergleichen könnte und würde.
    Wer allerdings auf Metal bis zum Genickbruch hofft, ist bei diesem Album leider falsch. Es ist eher was für die „ruhigen“ Momente der Metalheads und der Menschen aus der Szene, zu der ich selbst lange gehörte und immernoch gehöre.
    Die Texte sind in Verbindung mit den Klängen perfekt auf den Punkt gebracht und meiner Meinung nach deutlich weniger politisch, als metal.de besagt.

    Hört rein! Schaltet ab! Geht ab! und genießt das Meisterwerk.

    10/10