Lychgate - An Antidote For The Glass Pill

Review

„Das älteste und stärkste Gefühl ist Angst, die älteste und stärkste Form der Angst, ist die Angst vor dem Unbekannten.“
H.P. Lovecraft, „Supernatural Horror in Literature“ (1938)

Um „An Antidote For The Glass Pill“, das neue Werk der englischen Schwarzmetall-Avantgardisten LYCHGATE, umreißen zu können, lohnt sich zunächst der Vergleich mit dem Vorgängerwerk, dem selbstbetitelten Debütalbum. Die starken Assoziationen an SATYRICON, die das Debüt noch hervorgerufen hat, finden sich auf „An Antidote For The Glass Pill“ nur noch blass und rudimentär – kompositorisch und atmosphärisch nähert man sich eher einer Mischung aus den mächtigen und kolossalen ESOTERIC und den suizidalen DOLORIAN an, erliegt dabei jedoch nicht der Versuchung, in die allzu geordneten und schleifenden Songstrukturen des Funeral Doom zu verfallen. Vielmehr erschaffen LYCHGATE eine eigene, spannende Mischung: Durch Abschichtung der grundlegenden Strukturen des Black Metal, Beförderung der Orgel vom „Beiwerk“ zu einem maßgeblichen Protagonisten und Fokussierung auf die behäbigeren Abfolgen der orchestralen Elemente, bekommt „An Antidote For The Glass Pill“ einen zutiefst mystischen und ungeheuer bösen Anstrich. Zudem wird das Tempo seltener und nur sehr pointiert angezogen, als bisher – entweder um die aufgestaute Spannung ventilartig zu kanalisieren oder der mächtigen Orgel einen rasenden Teppich zu bereiten. Hinzu kommen vertrackte, geradezu labyrinthische Melodiefolgen und Songstrukturen – J.S. Bach trifft EMPEROR in einer Nervenheilanstalt.

„An Antidote For The Glass Pill“ verhält sich damit wie eine Erkundungsreise durch ein verwittertes, verfallendes Kirchenschiff, inklusive angeschlossenem Friedhof, Gruft und verwinkelten Tunnelanlagen – und alles was man dabei hat, ist ein Feuerzeug als Lichtquelle. Man weiß kaum, wie es hinter der nächsten Abzweigung weiter geht, erahnt es vielleicht – und der Körper ist angespannt vor Aufregung, in panischer Furcht vor dem unsichtbaren, namenlosen  Grauen. Der Verstand wird beständig malträtiert von den tiefen, dröhnenden Orgelklängen, die aus den Tiefen des Baus emporsteigen: Der direkte Bezug zu horrorhafter, mystischer und finsterer Literatur, wie sie aus der Feder eines E.A. Poe oder H.P. Lovecraft stammt, ist über die gesamte Albumlänge von knapp fünfzig Minuten geradezu greifbar. Die orchestrale Wucht, die „An Antidote For The Glass Pill“ dabei entfaltet, ist niederschmetternd: Bereits im Opener „Unto My Tempest“ hat man das Gefühl, unter den tonnenschweren Klängen einer Kirchenglocke und bleiernden Orgelpfeifen begraben zu werden – ein Gemütszustand, der auch im Verlauf der weiteren vierzig Minuten nicht verschwinden mag. Mit dem schleifenden „Davemesque B2“ gelingt ein Einstand nach Maß, das Albumhighlight „Letter XIX“ pendelt gekonnt zwischen barockem Prunk und kaltem Schwarzmetall, „Deus Te Videt“ mit seinem Klängen einer antiken Standuhr und choralen Gesangslinien stellt in der Mitte des Albums nur eine kurze atmosphärische Verschnaufpause dar  – damit „An Antidote For The Glass Pill“  in der zweiten Hälfte noch tiefer in die Düsternis hinabsteigen kann. „An Acousmatic Guardian“ mit einem soundtrackartigen Zwischenspiel und furiosem Abschluss treibt den Wahnsinn dann auf die Spitze – der Abschlusstrack „The Pinnacle Known To Sysiphus“ verblüfft schließlich mit Klargesang – und dann: Ende. Durchatmen.

Die vielseitig eingesetzte Instrumentierung, von Piano, über Pauke bis zum Cembalo trägt seinen eigenen Anteil zu einem organischen Klangerlebnis bei, ebenso das krankhafte Schreien und Kreischen von ESOTERICs Frontmann Greg Chandler – die hallende, räumlich tiefe Produktion macht die Angelegenheit dann zu einem wahren Erlebnis. Annähernd klingen einige Passagen vage nach den Landsleuten von BAL-SAGOTH (insbesondere im etwas flotteren „My Fate To Burn Forever“ oder dem erzählerischen „I Am Contempt“) oder den stimmungsvollen Momenten von DISSECTION, ohne allerdings jemals in überzogenen Kitsch, billige Effekthascherei oder unnötigen Pathos abzudriften.

Eine wahrlich schwarzes Gebräu kochen LYCHGATE auf „An Antidote For The Glass Pill“ zusammen und bieten eine finstere, monumentale und verstörende Zeremonie dar, die einem den kalten Schauer über den Rücken jagt.

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14.07.2015

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

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