Moonsorrow - V : Hävitetty

Review

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MOONSORROWS „Verisäkeet“ war vor zwei Jahren ein lässiger Schlag mit einem kraftvoll geführten Beil ins Gesicht der allgegenwärtigen Kritiker, die beim (allzu-)soften Vorgänger schon „Ausverkauf, zu lasch, zu sanft“ riefen… Nun durfte man also mit Recht gespannt sein, wohin die Band sich neuerdings mit ihrem Release „V : Hävitetty“ entwickeln würde. Denn zunächst gab es im Vorfeld der Veröffentlichung eine große Überraschung: die Meister der überlangen Songs kündigten ganze zwei Tracks an, allerdings dafür jeweils mit ca. 30 Minuten Spieldauer… Und so etwas ist im Metalgenre ja keineswegs immer allzugut ausgegangen, man denke an die eigenwillig-langatmige „A Pleasant Shade Of Grey“-Scheibe von FATES WARNING, die seltsam unspektakulären Experimente von VOIVOD, OPETH oder MESHUGGAH… Würden also MOONSORROW ein derartig mutiges Konzept schlüssig umsetzen können?

Song I (der in die Einheiten „Jäästä Syntynyt“ und „Varjojen Virta“ unterteilt wird) startet zunächst mit Lagerfeuerklängen, lange verhaltene Keys leiten ein akustisches Gitarren-Intro ein, ein Basslauf übernimmt allmählich die Führung, ein Choral erklingt… Woraus andere Bands wahrscheinlich mindestens einen Song geformt hätten, daraus erschaffen MOONSORROW eine gelungene Einführung hin zum nun vom Hörer sehnlichst erwarteteten und in der Tat kantigen, wuchtigen, wirkungsvoll sich aufbauenden Gitarrenriff (um Minute sechs, um genau zu sein). Markerschütternde Vocals (die auch Puristen gefallen dürften) läuten ab Minute Acht die Blackmetallische Phase des Songs ein, der Track behält dabei stets seine roten Faden, variiert wird um das Riff herum mit allen zulässigen Genremitteln in gelungener Manier, verlockende Schamanenstimmen aus folkloristischem Dunkel lassen innehalten, mit krächzenden schwarzmetallischen Vocals wird wieder Fahrt aufgenommen, derwischartig, beschwörend, immer trotzig den eisigen, stürmischen Naturgewalten wehrend.

Das Strophe-Refrain-Schema wird selbstbewußt mißachtet, dennoch bleibt Track I ein echter, organischer Song. Denn nichts wird hier dem Zufall überlassen, zerhackt, zerstückelt oder künstlich ambitioniert neu zusammengesetzt und zu Möchtegern-Prog verwoben. Stattdessen lassen MOONSORROW eine ergreifende Akkordeonsequenz einfließen, die Freund Valfar (R.I.P.) und WINDIR zu allerhöchsten Ehren gereicht hätte, verzweifelte Schreie des mit der Unwirtlichkeit der Naturgewalten kämpfenden verhallen, es folgt die triumphale erhabene Auflösung, wobei das Folk-Thema nochmals aufgegriffen wird, das Finale tönt berserkerhaft entfesselt, es gibt die großartigen MOONSORROW-typischen heroischen Chöre, plötzlich Stille! Die einschmeichelnde orientalische Akkordfolge wird begnadet in nordische (karstigere) Musik überführt, Orient und Okzident treffen sich (wie es in gänzlich anderem Bereich von MELECHESH vorgeführt wurde). Und das beste: kein Elfengesang, kein endloses ELUVEITIE/AES DANA-Gefiedel, alles bleibt Blackmetal-kompatibel, harsch, hypnotisch, hart. Instrumental-atmosphärisch klingt der erste Song aus, mit Lagerfeuerklängen. Dreißig unterhaltsame Minuten, die im Rabenfluge vergehen…

Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Song: „Tuleen Ajettu Maa“ eröffnet mit entfernten Schamanentrommeln, tranceartig, hypnotisch fesselt düsterer Sprechgesang (TENHI könnten es ähnlich machen), Maultrommeln ertönen, nach dem harten Eingangsriff folgt donnerndes Schlagwerk (dass diesem Song vom Anfang bis Ende den Stempel eindringlich aufdrückt), die Vocals werden allmählich böse, die „Ahs“ und „Ohs“ wirken bei MOONSORROW nicht disneymäßig wie bei den bedauernswerten FALKENBACH, sowas bleibt hier nur Ausschmückung, nie übernimmt derartig simple Effekthascherei die Führung des Songs. Die Schamanengesänge münden in eine Art hymnenhaften Refrain, die Gesänge werden wärmer, optimistischer, das Feuer (das in diesem Track ausgiebig besungen wird) wärmt die Krieger. Die Keys haben bei MOONSORROW eine ergänzende, jedoch nicht zu unterschätzende Funktion: ähnlich THYRFING sollen die Songelemente ihre kratzige Herkunft nicht verleugnen, andererseits sollen verführerische Hintergrundakkorde in Spannung versetzen, sozusagen ein wenig Licht oder Optimismus ins nordische Dunkel bringen.
Übrigens fügt sich Gastsänger Thomas von THYRFING erwartungsgemäß ideal in das Gesamtkonzept des Albums ein, seine typisch kratzende Stimme betont das archaische, wilde Element der Songs trefflich.

Die Hammondorgel im letzten Teil vom zweiten Track gehört zu den überraschenden, ebenfalls stimmigen Kleinexperimenten der Band. Im Grunde können an dieser Stelle wirklich nur MANEGARM und THYRFING mithalten. Letztere kommen mir an dieser Stelle oft in den Sinn, sie bilden sozusagen das „Auf-den-Black-Metal-Punkt-Pendant“ zu den epischeren MOONSORROW. Nach der instrumental abgeschlossenen 60 minutigen Tour-de-Force muß Drummer Marko mit einiger Sicherheit unter’s Sauerstoffzelt, Sänger Ville wohl ebenso…

Fazit der musikalischen Schwelgerei: das Album überzeugt ungemein. Man muß es regelmäßig hören, um die vielen Feinheiten und Facetten zu entdecken. MOONSORROW haben bewiesen, dass sie sehr lange, interessante, atmosphärische Songs erschaffen können. Und das ist beileibe nicht einfach. Pagane Elemente treffen Black treffen Viking treffen Schamanenrock. Wer QUORTHON mochte, WINDIR, THYRFING oder MANEGARM, aber auch Bands wie TENHI, FINNTROLL oder FALKENBACH, wird die neue MOONSORROW verehren. Wirklich. Ich gebe neun, weil es das nächste Mal noch höher hinaus geht, wetten?

10.01.2007

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5 Kommentare zu Moonsorrow - V : Hävitetty

  1. Anonymous sagt:

    Verehrter Hr. Rezensent. Was hat denn bitte Tenhi mit Moonsorrow zu tun? Also zumindest die Aussage "Wer Tenhi mag, mag auch das neue Moonsorrow Album", ist doch für den Arsch.
    Das Album ist gut, aber kann nur etwas über die halbe Spielzeit überzeugen. Vieles wirkt schon sehr bekannt. Das Konzept der zwei überlangen Songs ist neu, die Musik selbst hat sich aber kaum entwickelt.

    7/10
  2. Anonymous sagt:

    Ein weiterer Schritt in Richtung Abgrund… meiner Meinung nach viel zu BM – lastig, viel zu viele Elemente aus vorherigen Alben werden recycled ( wie‘ auch schon auf Verisäkeet der Fall war ), und für meinen Geschmack zu düster bzw. melancholisch…

    Voimasta Ja Kunjasta… waren das noch Zeiten…

    6/10
  3. akula sagt:

    Ein wahnsinnig tolles episches Album, anders kann man es nicht beschreiben. Den beiden Herren vor mir, sei doch mal gesagt, das manche wiederkehrenden Stilelemente bei weitem nicht immer nerven müssen. Im Falle des neuen Albums ist es überhaupt nicht ärgerlich, im Gegenteil sogar, die altbekannten Elemente werden hier zu einer Einheit. Mich hat das Album voll überzeugt. Es ist wunderschön anzuhören und vorallem oft, denn es mangelt nicht an langerweile. Die Entwicklung seit Verisaekeet ist sehr positiv. Die alten Alben mögen auch eine Klasse für sich sein, kommen meiner Meinung nach aber bei weitem nicht an die beiden neuesten Werke heran.

    Manche User sollten sich doch endlich mal direkt auf die Alben einlassen und offener werden, als alten Sachen und Gedanken nachzutrauern. Man sollte den Kontext nicht immer zu eng suchen und sehen.

    9/10
  4. wishmaster89 sagt:

    "Hävitetty" ist echt außergewöhnlich, noch außergewöhlicher als "Verisäkeet". Allerdings hab ich zu "Hävitetty" eher Zugang gefunden, als zu dem Vorgänger. Mit einem klirrenden Sturm, dem man 6 Minuten lauschen darf, wird die Scheibe eingeleitet. Es folgt eine ordentliche Portion Black Metal mit Chören. Im Gegensatz zum Vorgänger gibt es hier kein Vogelgezwitscher mehr und die Folkelemente (zwar noch vorhanden aber arg zurückgeschraubt) fügen sich wie zuvor hervorragend in das Gesamtgeschehen ein. Der erste Song ist leider nicht ganz so abwechslungsreich, aber bei einer Spielzeit von 30 Minuten und 10 Sekunden würde zu viel Abwechslung die schöne winterliche Atmosphere zerstören. Daher ist das akzeptabel.Der zweite Song allerdings ist richtig gut. Ein heftiger Black Metal Anteil paart sich mit episch, hymnischen Melodien, besonders in den letzen 5 Minuten haben diese Melodien Vorrang. Der starke Black Metal Einschlag steht Moonsorrow gut zu Gesicht und das macht die Scheibe auch so gut. Ich freue mich schon drauf Moonsorrow auf dem diesjährigen Wacken Open Air live zu sehen. Ich bin echt gespannt was sie sich für das neue Album einfallen lassen, aber bei dieser Band kann man sich sicher sein, keinen komerz überladenen Schrott vorgesetzt zu bekommen.

    9/10
  5. js sagt:

    Brilliant, was Moonsorrow hier bietet: 2 Stücke a ca. 30 Minuten spannend zu gestalten und nicht zu zäh klingen zu lassen, ist schon eine Meisterleistung. Mein absolutes Lieblingsalbum, das mich immer wieder fesselt und die Verehrung für die Finnen und das Genie Henri Sorvali ins Maßlose steigert… Einfach nur episch, laut und gleichzeitig wunderbar melancholisch.

    10/10