Nachtmystium - Assassins - Black Meddle Part I

Review

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NACHTMYSTIUM haben sich nach anfänglicher Verwendung schon vor Jahren gegen szenetypische Klischees wie Corpsepaint, Spikes und ähnlichem Firlefanz gewehrt. Die Attentäter des Black Metals – weg vom Schubladendenken, ultimativen „Trve-Sein“-Guides und vom leider entstandenen Herdenverhalten innerhalb der sonst als „individuell“ bezeichneten Black Metal-Szene mit uniformierten Anhängern ebenjener Subkultur.
Wer die Diskographie NACHTMYSTIUMs, die in den acht Jahren Bandgeschichte nicht wenige Veröffentlichungen vorweist, nur annähernd mitverfolgt hat, kann den vier US-Amerikanern aus Chicago ein geschicktes Händchen für in Musik verpackte Emotion und treibende und bahn- (oder eher nacken-?)brechende Lead-Riffs nicht absprechen. Wo die 2004er „Demise“ schleppend und destruktiv war und für heutige Zeiten wahrscheinlich als „suizidal“ bezeichnet werden würde, so hat die letzte Full-Length-Veröffentlichung „Instinct:Decay“ von 2006 sowohl die schon in „Demise“ vorhandene abgrundtiefe Melancholie und die leichte Anbahnung von progressiven und rockigen Melodien auf einem urigen Black Metal-Boden miteinander verbunden. An sich hätten einige Jahre ins Land ziehen müssen, um diese beiden starken Vorgänger zu übertreffen. Bei der EP „Worldfall“, die eigentlich auf einer Split mit dem Kollegen Wrest von LURKER OF CHALICE erscheinen sollte, konnte man nur dezent erahnen, was sich mit dem nächsten NACHTMYSTIUM-Werk anbahnt. Schon erstaunlich, was sich mit „Assassins – Black Meddle Part I“ in nur zwei Jahren entwickelt hat.

Rein musikalisch gesehen und trotz Ablehnung irgendwelcher „Szene“-Werte hat man es immernoch mit Black Metal zu tun. Wer aber dazu neigt, diesen in Schranken zu weisen und Einflüsse aus anderen Genres zu verabscheuen, wird mit diesem modernen und eigenständigen Werk ohne Limitierungen seine Probleme haben. Man könnte „Assassins – Black Meddle Part I“ als Bindeglied zwischen den anfänglichen Schritten mit Garagensound, den letzten Veröffentlichungen voller Liebe fürs Detail und einer vielverheißenden Zukunft bezeichnen.
Neben einer saftigen und hochwertigen Produktion, die sicher nicht ganz billig war, wurden in „Assassins“ alle Emotionen, die ein menschliches Wesen zu fühlen vermag, in musikalische Form gebracht. Schon der Titeltrack haut einem mit einer Energie um die Ohren, die mir seit langem nicht mehr untergekommen ist. Der Refrain hat fast schon Mitgröhlcharakter und könnte sicherlich für einen Dauerbrenner bei gepflegten Schwarzwurzel-Events sorgen. „Ghosts Of Grace“ lässt mir auch nach sicherlich fünfzig Mal Hören immernoch einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen. Diese stürmische Woge des Chorus mit den typischen NACHTMYSTIUM-Melodien, die keine Worte annähernd anschaulich beschreiben könnten, verbindet gleichermaßen ein absolut positives Gefühl, ist aber ebenso verheerend und verderbend. Das Interludium „Away From The Light“ schließt dieses anfängliche Gewitter und deutet ruhigere Zeiten an, die sie aber mit „Your True Enemy“ oder „Omnivore“ mit einem Brett an einem Donnerknall und eine Agressivität rauslassen, was sie in den bedächtigeren Momenten an Energie eingespart haben. Blake schreit sich auf authentischste Weise seine Verachtung gegenüber irgendwelcher Normen aus dem Leib. Ruhe kehrt hier höchstens in dem vor sich hinschleifenden „Code Negative“ ein, was sicherlich bereits zu Zeiten der „Instinct:Decay“-Ära geschrieben wurde und indem man die ersten Anzeichen der PINK FLOYD’schen-Einflüsse erkennt, die bei dem dreiteiligen, teils instrumentalen „Seasick“ ihren Höhepunkt findet und das Kernstück von „Assassins“ bietet. Bei „Drowned At Dusk“ kommen dann die für PINK FLOYD typischen spacigen Loops zum Einsatz neben dezenten Effekten und Samples, aber auch einer Menge Blues. „Oceanborn“ ist dagegen flotter und durch den Einsatz eines Saxophons ziemlich jazzig ausgefallen und mag dem ein oder anderen anfangs die Falten ins Gesicht jagen. „Silent Sunrise“ beendet dieses intensive und atmosphärische Hörerlebnis mit progressiven Schritten und einem mitreißenden Gesang durch Blakes kraftvolle, energische Brüll-, Hauch-, Gröhl-Stimme, die irgendwo zwischen Rock- und dezentem Black Metal-Gesang anzusiedeln ist, aber immernoch nach Blake aus „Demise“ oder „Instinct:Decay“ klingt.

NACHTMYSTIUM wären nicht NACHTMYSTIUM, wenn sie nicht mit jedem Ton einen neuen angeben. Wägt man sich anfangs noch in totaler Gewissheit, was als nächstes passiert, so kann man mit dem nächsten Trommelschlag und dem nächsten Griff auf die Tabs eines Besseren belehrt werden. Obwohl man Tony Laureano für NACHTMYSTIUM verpflichtet hat, der z. B. live für DIMMU BORGIR hinter dem Kit sitzt, wird zwar voller Power, aber nicht unbeherrscht drauflosgeschossen. Die Gitarren haben teils noch den sphärischen Beiklang aus alten Zeiten, sind aber sehr klar zu vernehmen und sind auf eine Art kühl, aber auch brennend, nicht aber seelenlos und kalkuliert. Einzig und alleine vermisse ich ein wenig die Tiefe der Bässe, die aus „Demise“ ein so schwarzes Album gemacht hat.

Alles in allem hat „Assassins“ nichts mit dem gewöhnlichen Black Metal-Einheitsbrei zu tun. Es ist weiterführend und experimentell, aber trotzdem leicht zugänglich und bildet die Krone über allem, was Blake mit NACHTMYSTIUM über die Jahre geschaffen hat. Ein Album, welches man nicht einfach nach dem ersten Hören in den Schrank packen kann, sondern eh nochmals anhören muss, da stets neue Details zu entdecken sind. Und ich sage es selten, aber dieses Album ist definitiv ein Pflichtkauf, dem man einfach nur lauschen, in totale Euphorie verfallen sollte und wo wenige Worte die besten sind!

16.07.2008
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