Philm - Harmonic

Review

Für die meisten Leute wird PHILM die Band sein, in der Dave Lombardo mitspielt – weil sein Name nun mal eng mit SLAYER, einem der Metalurgesteine schlechthin, verbunden ist. Das Etikett könnte aber für falsche Erwartungen sorgen. Für ausgewiesene Musikliebhaber hingegen ist PHILM vor allem das aktuellste Projekt von Gerry Nestler, der vor knapp 20 Jahren anfing, mit CIVIL DEFIANCE heimlich Progressive-Geschichte zu schreiben. Multiinstrumentalist Nestler steht wie kaum ein anderer Musiker für kompromißlosen Experimentaltrieb, der sich nie scheute, Jazz mit Grindcore, Alternative Rock und Cajun zu kreuzen. Und noch gefühlten 1000 anderen Sachen mehr.

Nach CIVIL DEFIANCE folgte bei Nestler eine musikalische „Sortierung“, angefangen bei KKLEQ MUZZIL, hin zu den eingängigen Alternativeklängen von LOOK PAST THE STARS bis zum Skater-Post-Hardcore von SUPER RIDER. Und dann kam PHILM, mit dem er dort andockte, wo er CIVIL DEFIANCE Anfang 2000 beerdigt hatte. Mit von der Partie: SLAYER-Hero Dave Lombardo, mit dem er bereits auf dem bisher einzigen KKLEQ MUZZIL Album „M“ gearbeitet hatte. Erinnert sich noch jemand an die Big Four Konzerte? Vielen SLAYER-Fans wird gar nicht bewusst sein, wie vielseitig Lombardo eigentlich ist. Dass beim großen Finale immer nur er und nicht auch seine drei Kollegen auf der Bühne standen, hatte einen simplen Grund: Sie stehen nicht auf diese Art musikalischer Eskapaden. Lombardo hat auch schon Bands wie GRIP INC. und FANTÔMAS mit seinen kreativen Strömen bereichern können und auch ein Album mit DJ SPOOKY produziert. Er und Nestler, das war im Prinzip bis vor kurzem eins der best gehütetsten Geheimnisse, wenn es um vielversprechende Kollaborationen geht.

Zusammen mit Pancho Tomaselli von WAR unternehmen sie auf ihrem Debüt „Harmonic“ eine äußerst unterhaltsame tour-de-force des Metal und Rock. Mit „Vitriolize“ begibt man sich auf die gleichen hardcoreschwangeren Pfade, die auch schon für KKLEQ MUZZIL charakteristisch waren. Der Unterschied: Das Power-Trio hat sich dieses Mal in ein gemütliches Selfmade-Studio zurückgezogen, zusammen mit altehrwürdiger Hardware. Genau deshalb klingt „Harmonic“ nicht so aggro und fett, aber genau das haben PHILM auch so gewollt. Statt die Boxenmembranen auf Durchzug zu stellen, geht es hier vor allem um weitläufigere Gitarrentöne, bei denen vor allem der Bass stark zur Geltung kommt. Bei Songs wie „Dome“, „Amoniac“ und „Meditation“, die schon einmal auf „M“ erschienen sind, hat dieses Setup leider nicht ausschließlich positive Effekte. Selbst wenn man die Originalfassungen der Songs nicht kennt, spürt man, dass ihnen wesentlich mehr Feuer innewohnt, als sie hier herauslassen dürfen. Nestler, wie er seine Saiten und Stimmbänder malträtiert, Lombardo mit gepflegten Ausrastern und Tomaselli am röhrenden Bass – sowas schreit einfach nach Eigenheimverwüstung.

Doch mal abgesehen von Kraftakten dieser Couleur mausert sich „Harmonic“ schnell zu einer vielschichtigen, faszinierenden Platte. Im Song-Trio „Way Down“, „Harmonic“ und „Exuberance“ geben sich PHILM zunächst ruhig, erforschen ihr Klangspektrum und schwenken bald immer mehr zu virtuoser Improvisation. Eine viertelstündige Jamsession bis hin zu experimentellen Klangbasteleien, bei denen kein Mensch erraten würde, dass dort der Schlagzeuger der ewigen Thrashgötter am Kit sitzt. PHILM entwerfen hier nichts geringeres als ihre moderne Spielart von Jazz, die hier nahezu flüssig mit Metal und Rock fusioniert. „Held In Light“ gehört da mit zum Besten, was „Harmonic“ aufzubieten hat: Eine extrem geile Bassline, düster jazziges Schlagzeug und der rockende Ausrasterrefrain – einfach top. Dazu modernes Noir-Feeling mit „Killion“, „Mezzanine“ gibt sich ebenfalls sehr relaxt, wonach es mit „Mild“ wieder richtig Action gibt.

CIVIL DEFIANCE haben damals mit fast jedem Song einen neuen Haken geschlagen, während mit KKLEQ MUZZIL aurale Streubomben abgeworfen wurden. Mit PHILM verschmelzen nun die facettenreichen Persönlichkeiten von Nestler, Lombardo und Tomaselli zu einer aufregenden Mixtur mit brodelndem Potential. Wer sich nur für halbwegs aufgeschlossen hält, sollte diese Platte unbedingt testen – wer unter allen erwähnten Namen mindestens zwei wiedererkannt hat, hat es mit Pflichtmaterial zu tun!

20.05.2012

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2 Kommentare zu Philm - Harmonic

  1. Rubicon sagt:

    Diese Scheibe ist totaler Mist. Selten solchen Müll gehört. Das, was die angeblich großen Musiker hier bringen ist einfach nur lächerlich schlecht. Kreativität schön und gut aber das bedeutet nicht gleich, dass das Ergebnis auch ansprechend ist. In diesem Falle hier ists am Rande des Hörbaren. Schwere Enttäuschung. 3/10

  2. Matthias sagt:

    Ich muss meinem Vorredner zustimmen: Das Album ist einfach nur saumies und vor allem schlecht produziert. PHILM sind für mich auch ein totaler Reinfall. Habs nun 4x versucht, jetzt ist schluss. Geht mir bloß weg mit diesem Käse…

    4/10