The 69 Eyes - Goth'n'Roll

Review

Galerie mit 26 Bildern: The 69 Eyes - Gotta Rock European Tour 2023 in Berlin

Meine Herren, halt, eher Damen, da haben die Helsinki Vampires aber mächtig auf die Kacke gehauen! Drei CDs und eine DVD, verpackt in Buchform mit schickem Schlangenlederdesign und dazu ein riesiges Booklet mit der Geschichte der Band, sämtlichen Texten und vielen Bildern. Ich weiß zwar nicht, was das Ganze kosten soll, aber es wäre definitiv eine Investition wert, um der Freundin an Weihnachten mal wieder richtig das Höschen wegfliegen zu lassen. Mit “Goth’n’Roll“ blicken die 69 EYES auf die Phase ihres Durchbruchs zurück, von 1998 bis 2003. In Finnland wurden sie zu Stars und auch im Ausland wuchs und wuchs ihre Anhängerschaft.

Mit an Bord haben sie daher zuallererst die beiden Alben, die für eben diesen Durchbruch gesorgt haben: “Blessed Be“ und “Paris Kills“, beide remastered. Sehr gut für den sympathischen Verfasser dieser Zeilen, stellen diese beiden Alben doch auch seine Favoriten in der Liste der Veröffentlichungen der finnischen Goth Rocker da. Vom Sound her höre ich zwar keinen Unterschied zu den Erstauflagen, das tut der Qualität der Stücke aber keinen Abbruch. Falls Du die Band tatsächlich noch nicht kennen solltest: Es erwartet Dich emotionaler Goth Rock, der einerseits natürlich sehr nach Finnland, im Vergleich zu HIM aber doch wesentlich aggressiver klingt und, meiner Meinung nach, auch über wesentlich größeres Hitpotenzial verfügt. Während bei ihren Freunden meist zwei, drei Songs pro Album wirklich Durchschlagskraft besitzen, verstehen es die 69 EYES viel besser, den Hörer über das ganze Album hinweg zu unterhalten, zu berühren. Natürlich liegt das zum großen Teil am tiefen und melancholischen Gesang von Jyriki 69, der jedem Refrain eine eigene Note verleiht und dadurch sicherlich für so manche Narbe auf schmalen Mädchenarmen verantwortlich ist. Dementsprechend fällt es mir schwer, mich für Highlights auf diesen beiden Alben zu entscheiden, denn egal ob “The Chair“, “Framed in Blood“ und die Bandhymne “Brandon Lee“ auf der einen, oder eben “Radical“, “Betty Blue“, “Chrashing High“ und und und auf der anderen Seite – Mittelmaß oder gar Ausfälle sind auf “Blessed Be“ und “Paris Kills“ jedenfalls nicht zu finden und die Band liefert den perfekten Grund, warum sie es gerade mit diesen Alben in den Rockolymp geschafft haben. Zusätzlich zu den regulären Songs gibt es pro CD auch noch zwei Bonussongs, die allerdings teilweise etwas überflüssig sind, der Radiomix von “Brandon Lee“ unterscheidet sich beispielsweise kaum von seinem Original.

Soweit das bekannte Material, jetzt allerdings wird es richtig spannend. Die dritte CD, die “Goth’n’Roll Archives“, beinhaltet nämlich rares Bonusmaterial. So kommt man nun in den Genuss von Demoversionen solcher Songs wie “Gothic Girl“ oder “Sleeping With Lions“. Die Stücke zeigen einerseits sehr deutlich die Evolution der Herren, andererseits teilweise aber auch, was man im Studio noch so alles aus einem Album herausholen kann. Nicht falsch verstehen, die Songs sind keinesfalls schlecht, ganz im Gegenteil, sie klingen interessant, sehr erdig und authentisch. Nichtsdesotrotz sind mir die fertigen Songs aus dem Studio irgendwie lieber, einfach weil diese die 69 EYES-typische Melancholie besser transportieren können. Neben diesen Demosongs, zehn an der Zahl, befinden sich auf diesem Scheibchen zusätzlich noch acht Remixe und Radioliveaufnahmen diverser Klassiker der Bandgeschichte. Die Liveaufnahmen klingen, ähnlich wie die Demostücke, sehr echt, wie man es von Livesongs eben erwartet, dennoch schon weitaus näher an den endgültigen Versionen. Als ein wenig ärgerlich empfinde ich hingegen die Tatsache, dass es von „Stigma“ gleich drei Remixe gibt. Nicht, dass sie nicht interessant wären, dennoch hinterlässt es den etwas faden Eindruck, hier hätte man Zeit schinden wollen. Davon einmal abgesehen finde ich die “Goth’n’Roll Archives“ aber sehr interessant, eben weil man die Band hier einmal akustisch ungeschminkt erleben kann und die von mir so gemochten Lieder in einem ganz anderen Licht erscheinen.

Als wäre dem Ganzen nicht genug, schmeißt die Band den gierigen Fans mit CD Nummer vier auch noch eine Live-DVD in den Rachen. Und natürlich befindet sich auf der DVD nicht nur schnödes Livematerial. Es gibt Interviews mit jedem Bandmitglied, die zwar jeweils nur ein wenig mehr als eine Minute lang, dafür aber umso unterhaltsamer sind (Jyriki 69 gibt den zukünftigen Groupies beispielsweise eine kleine Finnischunterrichtsstunde). Dazu gesellt sich eine kurze, allerdings unkommentierte Doku über den Aufenthalt der Band in Russland (die Jyriki 69 selbst gedreht hat), acht Videoclips, eine weitere Doku bestehend aus selbstgedrehtem Material der Band, welches sie bei Studioaufenthalten, Vorbereitungen auf Gigs und Wanderungen durch den Schnee zeigt. Durchaus interessant und teilweise recht selbstironisch, wenngleich ich leider nichts verstehe, da natürlich Finnisch gesprochen wird und auf Untertitel verzichtet wurde. Doch nicht genug, dazu kommt eine weitere Doku über die Band, die unter anderem TV-Berichte, Behind-the-Scenes-Material und alte Interviews enthält – leider wieder auf Finnisch, damn it. Noch immer nicht genug? Na gut, dann werfen die Finnen auch noch Bilder diverser Deutschlandaufenthalte und die Übersicht über ihre komplette Diskographie in die Waagschale. Und eine Sache habe ich ja auch noch vergessen, das wichtigste nämlich, das Livekonzert!

Aufgenommen wurde dabei ein Gig aus dem Jahre 2002, in einem Laden namens Tavastia in Helsinki. Dieser Schuppen ist auffällig klein, auch die Bühne bietet kaum Raum zur Bewegung. Wie sich aber zeigt, braucht die Band diesen auf Grund ihres doch recht eingeschränkten Bewegungsradius auch nicht wirklich. Dennoch war die Entscheidung in einem verhältnismäßig kleinem Konzertsaal zu spielen vielleicht gar nicht so schlecht, denn so wirkt der ganze Gig sehr intim, sofern man bei den 69 Eyes auf der Bühne davon sprechen kann. Der Fünfer agiert sehr kühl, es gibt immer nur sehr kurze und knappe Ansagen, die meist nur Genuschel und den Songtitel beinhalten. Doch auch sonst konzentriert sich die Band eher auf das Spielen als auf eine “richtige“ Show. Einzig Drummer Jussi 69 geht richtig aus sich heraus und präsentiert dem Zuschauer in extatischen Bewegungen immer wieder seine unrasierten Achselhöhlen. Der Rest der Band, allen voran Jyriki 69, bevorzugt cooles, fast arrogantes Posing, was mir im Endeffekt doch besser, da zur Musik passender, erscheint. 17 Songs werden insgesamt in knapp 80 Minuten geboten, gefilmt mit mehreren Kameras, die natürlich zu großen Teilen dafür da sind, den charismatischen Frontmann einzufangen. Von der Songauswahl her kann ich nicht meckern, Klassiker wie “Wasting The Dawn“, “The Chair“ und natürlich das unvermeidliche “Brandon Lee“ als letzte Zugabe, gibt es en masse. Dennoch bleibt ein leicht fader Beigeschmack, kommen doch die Keys und sämtliche anderen Sounds abseits von Drums, Klampfe, Bass und Gesang aus der Konserve. Und auch insgesamt klingt der ganze Gig ein wenig zu sauber, ein wenig zu perfekt. Es bleibt auf jeden Fall das Gefühl, hier sei nachträglich noch einmal nachgeholfen worden. Und auch insgesamt sind die 69 EYES wohl eine Band, die man, wenn sie denn einen guten Tag haben, lieber tatsächlich live, denn auf DVD ansieht. So richtig kann mich das Dargebotene nicht vom Hocker hauen. Die einzige wirkliche Überraschung ist, für mich zumindest, dass das anwesende Publikum schon recht alt und durchaus unattraktiv ist, da hätte ich mehr erwartet.

Am Ende dieses Reviews muss man einfach sagen, dass “Goth’n’Roll“ wirklich eine lohnenswerte Anschaffung ist. Neben den beiden sehr guten Alben gibt es Tonnen von akustischem und visuellem Bonusmaterial, welches immer wieder Einblicke in die Bandgeschichte und den Bandalltag gewährt, insgesamt über 325 Minuten Unterhaltung. Mit Punkten möchte ich dieses Mammutwerk nicht beurteilen, Fans werden sicherlich eh zuschlagen und wer sich bisher noch nicht mit den Finnen und ihrer Musik auseinandergesetzt hat, der kann dies nun mit einem gelungenen Rundumschlag nachholen. Also nur zu, es lohnt sich!

23.11.2008

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