Voivod - Dimension Hatröss (Deluxe-Set)

Review

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Von Thrash-Rüpeln zum Aushängeschild experimentellen Metals

Wie sinnvoll die Neuauflage der drei Noise-Alben von VOIVOD ist, merkt man erst, wenn man sich aller drei Platten angenommen hat und so diese Entwicklung, die hierin stattgefunden hat, erst richtig nachvollziehen kann. Waren die Kanadier auf ihrem Zweitling „Rrröööaaarrr“ noch eher Thrash-Rüpel gewesen, machten sie 1987 mit ihrem dritten Album „Killing Technology“ einen wichtigen Schritt in Richtung Eigenständigkeit. Und das geschah, während die Band mit der Hektik des Musikbusiness konfrontiert worden ist. Man hatte schon mit dem Touren alle Hände voll zu tun und arbeitete nebenher an neuen Songs für das kommende, hier vorliegende Album „Dimension Hatröss“. Und natürlich ergriffen die Kanadier die Gelegenheit beim Schopfe, diese auch live zu erproben. Deshalb erscheinen in den Live-Aufnahmen, die den Deluxe-Sets der Noise-Platten beigelegt worden sind, immer auch Songs, die eigentlich erst auf dem jeweiligen Nachfolge-Album zu hören sein sollten, da die Band ihre Live- und Studio-Arbeit irgendwie unter einen Hut bringen musste.

Die Band arbeitete das Material zum „Killing Technology“-Nachfolger „Dimension Hatröss“ also aus und nahm sich hierfür einiges vor. Nach wie vor wurde im Musiclab Studio in Berlin aufgenommen und wiederum saß Harris Johns an den Reglern. Die Band entdeckte dank Einflüssen etwa von EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN das Sampling sowie die elektronische und industrielle Musik und experimentierte damit. Das Leben im damals noch geteilten Berlin war natürlich geprägt von den damaligen Umständen, die Band wurde praktisch täglich mit Stacheldraht konfrontiert und sogar im Zuge der Silvesterfeier 1987 unter Raketenbeschuss genommen. „[…] there were these kids, that fired what looked like rockets at us […] New Year’s Eve was especially crazy – the whole city seemed to be on fire; it was like being in a war zone„, heißt es hierzu in den Liner Notes.

VOIVOD klangen endlich wie VOIVOD

Doch diese Erfahrungen zusammen mit den gereiften Fertigkeiten und erweiterten Horizonten der Musiker ließen „Dimension Hatröss“ letztendlich zu dem Album werden, das es nun ist: der Moment, in dem der charakteristische  VOIVOD-Sound in Stein gemeißelt worden ist. Die Band zeigt hier und da noch, dass sie einst im Thrash verwurzelt war. „Macrosolutions To Megaproblems“ etwa enthält eine vergleichsweise hohe Dichte an thrashigen Rhythmen und Riffs und erinnert damit noch etwas an „Killing Technology“. Auch „Tribal Convictions“ enthält zum Ende hin einige deutliche Verweise in Richtung Thrash. Doch ist die Heaviness hier schon deutlich zurückgefahren worden, sicher auch dank Denis „Snake“ Belangers zum Großteil clean dargebotenen Gesanges, sodass „Dimension Hatröss“ teilweise mehr nach Punk denn nach Thrash respektive Metal klingt. Das Tempo wird oftmals ins wenn auch gerne mal flottere Midtempo hinein gedrosselt. Besonders fällt das in „Technocratic Manipulators“ auf. Im Kern krempelten VOIVOD mit „Dimension Hatröss“ die eigene, etablierte Musik komplett um und transformierte sie praktisch zu etwas völlig Anderem. Passend hierzu dreht sich das Konzept der Platte um die Erschaffung und den Untergang eines Mikrouniversums, die wiederum im Schatten menschlicher Unfähigkeit, die Technik zu kontrollieren, steht.

Plötzlich scheint der Sound der Kanadier keinem Zwang mehr untergeordnet, sondern bekam die Gelegenheit, sich frei zu entfalten. Die Dichte an Effekten verleiht den Songs etwas Andersartiges. Snake, der seinen Gesang mitunter durch das Intercom-System des Studios aufgenommen hat, klingt teilweise komplett entrückt und trägt zur wieder sehr verstörenden Stimmung der Platte bei. Denis „Piggy“ D’Amours Arbeit an der Gitarre wurde deutlich differenzierter und spielte mit Effekten wie dem Tremolo in „Tribal Convictions“. Michel „Away“ Langevin verwendete teilweise elektronische Drums und schüttelte die Rhythmen deutlich ungezwungener aus seinen Ärmeln. Unterdessen hob Harris Johns Jean-Ives „Blacky“ Thieraults Bass etwas prägnanter unter Piggys Gitarre, die er mehr in den höheren Tonlagen platzierte. Die Platte gewann durch die Experimentierfreude der Musiker eine neue Psychedelik, aber auch eine neue Komplexität. Die Songs stehen zum Teil in krummen Takten oder schlagen unerwartete Haken. Das alles verleiht den Songs deutlich mehr Tiefe als zuvor. Dass die Band auch Humor hat, zeigt sich durch die der CD-Version beigelegte Cover-Version des berühmten, cheesy Batman-Themas aus den Sechzigern.

Kurzum ist „Dimension Hatröss“ das Album, mit dem VOIVOD endgültig in progressive Sphären vorstoßen sollten – eine Entwicklung, die im folgenden „Nothingface“ gipfeln sollte. Doch hier endete auch die Zusammenarbeit der Band mit Noise Records, da die Band nur einen Vertrag über drei Alben unterschrieb und hiernach ihr Major-Label-Debüt bei MCA Records gab. Auch erlebte die Band nach der Veröffentlichung von „Dimension Hatröss“ einen Schicksalsschlag, als bei Piggy ein Tumor diagnostiziert wurde, der dank Chemotherapie bekämpft werden konnte. Dieser Vorfall sollte seine tragisch-prophetischen Schatten vorauswerfen auf den Tod Piggys. „Dimension Hatröss“ stellt in jedem Falle eines der wichtigsten VOIVOD-Alben dar und vollendet die Entwicklung, die mit dem Vorgänger begonnen hatte. Ein Muss also für Fans wie auch Einsteiger.

31.10.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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5 Kommentare zu Voivod - Dimension Hatröss (Deluxe-Set)

  1. Bimmel sagt:

    Voivod sind überbewertet, durch und durch.
    Diesen schiefen Mist kann sich doch keiner enrsthaft anhören….

    3/10
    1. Doktor von Pain sagt:

      Du vielleicht nicht, aber das ist dein Problem – Voivod sind für sich genommen schon ganz cool.

  2. Lex sagt:

    gibt zwei sorten menschen: solche die voivod verstehen und solche die es nicht tun 😉

    1. Bommel sagt:

      Nö, es gibt diese zwei Sorten: Die, die Voivod mögen und die, die es nicht tun.
      Mit dieser abgedroschenen Totschlag-Floskel „verstehen“ hat das nix zu tun.

      1. Doktor von Pain sagt:

        Das stimmt wohl.