Black Sabbath
Der Geburtsschrei des Heavy Metal - 40 Jahre BLACK SABBATH-Debüt

Special

Die Wirkungsgeschichte von BLACK SABBATH

Zusammen mit dem kommerziell noch erfolgreicheren zweiten Album „Paranoid“, das zeitnah im Oktober 1970 veröffentlicht werden sollte, wies „Black Sabbath“ der Rockmusik den Weg in eine härtere Richtung. Bands wie etwa DEEP PURPLE und insbesondere LED ZEPPELIN boten zwar schon auf ihren Debüt-Alben in den Jahren 1968 und 1969 („Shades Of Deep Purple“ und „Led Zeppelin“) mitunter harte, schleppende Rockmusik (man höre nur “Dazed And Confused“), aber das hier ging weiter: Trotz unbestritten schwerer Riffs waren Blues- und Folk-Einflüsse bei Jimmy Page von LED ZEPPELIN nach wie vor sehr deutlich, Tony Iommi hingegen war der Erste, der den im Blues verwurzelten Rock-Sound durch Herunterstimmen seiner Gitarre auf eine neue Stufe hievte.

Mit BLACK SABBATH begann nach einer relativ homogenen zweiten Hälfte der 60er Jahre 1970 eine Aufsplittung der populären Musik. Image und Darbietung BLACK SABBATHs hatten sich zu Beginn des neu angebrochenen Jahrzehnts so weit entwickelt, dass sie einen deutlichen Kontrast zur populären Musik der späten 1960er Jahre, zur spätestens seit Woodstock ein halbes Jahr zuvor im Mainstream auf- oder vielmehr untergehenden Hippiekultur bildeten. Wo THE BEATLES ein positiv belegtes „Yeah, Yeah, Yeah“ intonierten, winselt Osbourne „No, No, Please, No“.

Die ersten Rock-Kritiker, die mit Bands wie eben THE BEATLES groß geworden waren, waren schockiert. „Das Schlechteste der Gegenkultur auf einem Plastikteller“, schrieb etwa der Kritiker Robert Christgau in The Village Voice über „Black Sabbath“; auch Lester Bangs vom 1967 gegründeten Rolling Stone fand ausgesprochen wenig Gefallen an dem Album, das ihm nach aus „nicht miteinander harmonierenden Jams mit Bass und Gitarre, die wie aufgedrehte Speedfreaks durcheinander wirbeln“, bestand.

Der Erfolg beim Publikum stand im umgekehrten Verhältnis zur Wertschätzung der Kritiker: Obwohl der neue Sound in der Musikpresse zunächst verrissen – weil noch nicht verstanden – wurde, nahm „Black Sabbath“ die Herzen vieler Rockfans im Sturm und entwickelte sich zu einem beachtlichen kommerziellen Erfolg: Die Platte erklomm ohne nennenswertes Airplay Platz acht in den britischen Charts und hielt sich nach dem US-Release im Mai 1970 mit rund einer Million abgesetzer Einheiten mehr als ein Jahr lang in den dortigen Charts. Auf der von Februar bis August 1970 stattfindenden Tour zum Album teilten sich BLACK SABBATH die (Festival-)Bühnen mit Bands wie THE GRATEFUL DEAD, DEEP PURPLE und PINK FLOYD, boten dabei unzweifelhaft die musikalisch heftigsten und inhaltlich anstößigsten Darbietungen der damaligen Zeit.

Erst als BLACK SABBATH ihre Visionen auf Platten und Bühnen intonierten, fand der Begriff „Heavy Metal“ Eingang ins populäre Vokabular, um diesen dichteren, donnernden Ableger des Rock zu beschreiben. Wahrscheinlich – es gibt weitere und umstrittene Hypothesen über den Ursprung des Namens, die aber an dieser Stelle den Rahmen sprengen würden – geht der Terminus auf englische Musikkritiker wie etwa David Marsh und den schon erwähnten Lester Bangs zurück, die die Musik der Band schon früh als “Heavy Metal“ bezeichneten, da alle Musiker aus der englischen Stahlindustrie-Stadt Birmingham kamen. Wenn auch ursprünglich als Spottwort gebraucht, übernahmen Anhänger der Musik den Ausdruck recht schnell.

Mit ihren schweren, Riff-basierten Liedern, extremer Lautstärke, hysterischem Geheul und dem Kokettieren mit Satanismus und Okkultem (inklusive des Artworks des ersten Albums und dem Erscheinungsbild der Bandmitglieder) vereinten BLACK SABBATH schon 1970 als erste Band alle Schlüsselaspekte der Ästhetik dieser Musikrichtung und steckten das Feld des damals noch nicht existenten, sich in den folgenden Jahrzehnten immer weiter ausformenden und -differenzierenden Genres ab. Das den Blues-Wurzeln vollständig entwachsene Zweitwerk BLACK SABBATHs, „Paranoid“, wird vielfach als noch stärker und einflussreicher als das Debüt eingestuft. Aber „Black Sabbath“ hatte einerseits das deutlich bessere Cover und war schlicht die Ursuppe, der erste, tragende Stein des Hauses, das heute so viele Spielarten harter Gitarrenmusik beherbergt. Es ist das erste Album, das rückblickend – und mit großem Konsens – definitiv die Bezeichnung „Heavy Metal“ verdient und somit als dessen Geburtsstunde und erste Definition gelten muss; für Tony Iommi liest man deswegen des Öfteren die Bezeichnung „Godfather Of Heavy Metal“.

Einige Kritiker wie beispielsweise Jack Feeny sind der Ansicht, dass – obwohl die Band zumindest ihr „dunkles“ Image ganz offensichtlich absichtlich in diese Richtung lenkte – die unbestreitbare musikalische Innovation hauptsächlich aus einer Zwangslage heraus entstanden sei: BLACK SABBATHs Mangel an musikalischem Talent und Können – Iommi ausgenommen – habe bedeutet, dass sie langsam spielen mussten und so in einen Stil der Rockmusik gezwungen wurden, der für Bands wie LED ZEPPELIN einfach unter deren spielerischem Niveau gewesen wäre. Ja, wahrscheinlich gab es eine Zwangslage, aber diese begründete sich doch offensichtlich in Tony Iommis versehrter Hand, die ihn in den heruntergestimmten, leicht mechanischen Stil zwang, aus dem letztlich der unkonventionelle Sound der Band erwuchs. Oder um es positiv zu formulieren: BLACK SABBATH und insbesondere Tony Iommi gelang es, ihre vermeintlichen Schwächen in einen Vorteil umzumünzen und etwas völlig Eigenes zu erschaffen.

BLACK SABBATH sahen sich damals selbst als eine „Heavy Underground“-Band und benannten damit sowohl die Intensität ihrer Musik als auch die Netzwerkstruktur ihrer Anhänger, die die Band lange vor den Kritikern und der Musikindustrie schätzen gelernt hatten. In den Folgejahren weiterhin noch oftmals verachtet von Mainstream-Rock-Kritikern und ignoriert von Radiosendern, schaffte es die Band, bis zum Ausstieg Osbournes im Jahre 1979 8 Millionen Alben zu verkaufen – bis zum heutigen Tag sind es bei insgesamt 18 regulären Studioalben mehr als 75 Millionen, anderen Quellen nach gar mehr als 100 Millionen Tonträger.

Viele der einflussreichsten und größten Rock- und Metal-Bands, die nach ihnen kamen – egal, ob sie nun METALLICA, GUNS N‘ ROSES, NIRVANA, IRON MAIDEN oder JUDAS PRIEST heißen – geben BLACK SABBATH als in höchstem Maße prägenden Einfluss an. METALLICAs Lars Ulrich, der BLACK SABBATH mit seinem Bandkollegen James Hetfield 2006 in die “Rock And Roll Hall Of Fame“ einführte, formulierte es folgendermaßen: „Black Sabbath ist und wird immer synonym mit Heavy Metal sein.“

Nicht nur im klassischen Heavy Metal, sondern auch in den heute existenten zahlreichen Substilen wie etwa Doom Metal, Stoner Rock oder im den “dunklen“ Themen besonders zugewandten Death- und Black Metal lassen sich die Spuren oftmals bis zu BLACK SABBATH zurückverfolgen: Das Zähflüssige und Kriechende des Doom findet sich zum ersten Mal auf “Black Sabbath“ und spätere Genregrößen wie SAINT VITUS, CANDLEMASS, PENTAGRAM oder auch Doom/Death- bzw. Funeral-Doom-Pioniere wie frühe CATHEDRAL und PARADISE LOST, THERGOTHON und WINTER stehen klar in der Tradition des Quartetts aus Birmingham. Auch das Kokettieren mit okkulten und satanischen Inhalten, das Bands der ersten Welle des Black Metal wie VENOM Anfang der 80er Jahre zeigen, findet sich in vergleichbar dichter Form erstmals bei Ozzy Osbourne und seinen Mitstreitern, der Frontmann setzte mit seiner wilden Bühnenperformance darüber hinaus Maßstäbe für die Schockrocker der nachfolgenden Jahrzehnte.

Das in der harten Gitarrenmusik vorhandene Bewusstsein um den Stellenwert BLACK SABBATHs zeigt sich auch darin, dass auf zahlreichen Tribute-Alben – beispielsweise “Nativity In Black I & II“ – stilistisch so unterschiedliche Bands wie BATHORY, DANZIG, ICED EARTH, SEPULTURA, SLAYER, MEGADETH, MONSTER MAGNET, MACHINE HEAD, NEUROSIS, FAITH NO MORE, VADER oder TYPE O NEGATIVE Lieder der Birminghamer interpretieren und sich so musikalisch verneigen.

Hätte jemand den ersten Kritikern 1970 erzählt, dass man selbst noch in 40 Jahren und mit solch einem positiven Tenor über BLACK SABBATH schreiben würde, hätten sie wohl ungläubig aus der Wäsche geguckt und diesen jemand nur müde belächelt. Es mag sein, dass es damals auch schwerlich abzusehen war, welche Lawine das Debüt-Album der Herren Iommi, Butler, Osbourne und Ward hier gerade losgetreten hatte.

Aber mittlerweile wird der Band auf breiter Front die verdiente Anerkennung zuteil und die Medien und Postillen der Rockmusik haben ihre Fehleinschätzungen längst revidiert: MTV kürte BLACK SABBATH 2008 zur „Greatest Metal Band Of All Time“, in der VH1-Liste der „100 Greatest Artists of Hard Rock“ belegten die Birminghamer den zweiten Platz direkt hinter LED ZEPPELIN. Der Rolling Stone nahm „Black Sabbath“ als auch „Paranoid“ in seine 2003 veröffentlichte Liste der „500 Greatest Albums Of All Time“ auf und die Band selbst zwei Jahre später in die Liste der “Greatest Artists Of All Time“.

Nachdem man mehr als drei Jahrzehnte zuvor noch gespöttelt hatte, dass das Debütalbum „so wie CREAM, nur schlechter“ klingen würde, gestand man sich nun auch beim bekannten Musikmagazin ein, dass das „schwerfällige Debüt einer ehemaligen Bluesrock-Band einen neuen Sound beschwor: die Geburtsschmerzen des Heavy Metal“ und betitelt BLACK SABBATH an anderer Stelle als „THE BEATLES des Heavy Metal, von denen jeder, der Ahnung von Metal hat, sagen wird, dass das alles auf sie zurückgeht.“

Bei aller gebotenen Nüchternheit sei an dieser Stelle abschließend eine gewisse Emotionalität erlaubt: Ein herzliches „Danke“ in Richtung Birmingham.

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05.06.2013

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1 Kommentar zu Black Sabbath - Der Geburtsschrei des Heavy Metal - 40 Jahre BLACK SABBATH-Debüt

  1. .klaus sagt:

    Ich glaube ja, dass ihr 10 Jahre unterschlagen habt……Das Black Sabbath-Album hat mittlerweile 50 Jahre auf dem Buckel.