Dawn Of Ashes
"Genocide Chapters" (The Clash)

Special

Während Bastian vom neuen DAWN OF ASHES Album ziemlich überrascht war, konnte „Genocide Chapters“ bei Timm nur ein müdes Schulterzucken hervorrufen. Ist hier eine Band am Werk, die ihr Handwerk bei der Kombination von extremem Metal mit düsterer, symphonisch getragener Atmosphäre versteht, oder sind es eher inspirationslose Gesellen, die sich passend zum aktuellen Zeitgeist ihr Material aus allen bekannten Ecken der Metalwelt zusammenklauben?

Dawn Of Ashes

Bastian: Timm, also wirklich, wenn der von Ihnen herbeibeschworene Stilmix so chaotisch sein soll, dann ist die neue IRON MAIDEN vermutlich stark an der Avantgarde vorbeigeschrammt, oder? Black, Death und Industrial – das sind gerade mal drei Zutaten! Da ist ja schon eine Pizza Quattro Formaggi komplizierter!

Timm: Werter Kollege: Jede Zutat hat immer mehr als eine Geschmacksnuance, und wenn man wie DAWN OF ASHES grundsätzlich nur die Kopfnote verwendet, bleibt eben der echte Geschmack völlig auf der Strecke. Klar, Black-, Death- und Industrial-Metal kann man mischen, schließlich haben RED HARVEST mehr als nur ein gutes Album gemacht. Aber ich schätze, die Musiker dahinter sind auch ungefähr doppelt so alt wie diese Amerikaner. „Genocide Chapters“ bleibt dagegen oberflächlich.

Bastian: Sie haben allerdings ein schönes Stichwort geliefert: Toleranz. Hand auf’s Herz – würden Sie es Ihrer Lieblingsband verzeihen, wenn die plötzlich sagt, „Hey, war schön mit dir, aber ich hab jetzt keinen Bock mehr, ich mach was anderes.“? Das ist doch fast ein bißchen so, wie die eigene Freundin in flagranti mit dem Briefträger zu erwischen, oder?

Timm: Genau, und deswegen hätten DAWN OF ASHES lieber bei ihrem Industrial-Geplänkel bleiben sollen, anstatt sich nach dem Genuss von anderthalb DIMMU BORGIR-Alben gleich auf Metal einzuschwören. Apropos Toleranz: Ich war bei meiner Besprechung noch regelrecht gnädig. Bei dem Wust an belanglosen Platten, die mir dieses Magazin jeden Monat zumutet, grenzt meine Besinnung auf die guten Eigenschaften jeder Veröffentlichung ja direkt an aufopferungsvolle Nächstenliebe!

Bastian: Nicht zu fassen, da verwenden DAWN OF ASHES perfekt abgemessene, atmosphärische Keyboardsounds, und für Sie wird das dann zu „symphonischem Schwulst“. Ich wette, Sie sind so nen harter Kerl, Sie könnten mit Ihren Arschbacken Nüsse knacken! Wenn DAWN OF ASHES schwülstig klingen, was für Qualen leiden Sie dann erst bei NIGHTWISH?

Timm: Drei Töne perfekt abzumessen ist wahrlich kein Kunststück. Das hindert allerdings schon seit Dekaden keine Metalband mehr daran, das ganze mindestens durch Lautstärke, meistens aber auch noch durch Penetranz des Sounds so dermaßen aufzublähen, dass man vergessen könnte, es hier mit Gitarrenmusik und eben nicht mit kitschigen Pop-Opern der Marke NIGHTWISH zu tun hat. Wenn man schon Black- bzw. Death Metal spielen will, hat man gefälligst durch Riffs zu überzeugen und nicht durch nutzloses, pseudoatmosphärisches Beiwerk.

Bastian: Ich muss noch mal auf das Gesamtbild einprügeln: Was wären DAWN OF ASHES denn ohne dieses atmosphärische Element? Doch nix anderes als eine gewöhnliche Extrem-Rüpelkombo! Timm, so zeigen Sie doch Einsicht!

Timm: Und genau hier beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz: Genau WEIL DAWN OF ASHES ohne ihre sowieso schon reichlich unspektakulären Keyboardversuche unendlich uninspiriert sind, werden sie durch das bisschen Tastendrücken nicht zur tragfähigen Band. Wobei „Rüpelkombo“ bei so viel Schminke und so wenig metallischer Substanz ja schon wieder ein Euphemismus ist, den ich eher von einer Vierzehnjährigen erwartet hätte.

Bastian: Im letzten Absatz haben Sie es ja wirklich auf Majestätsbeleidigung ankommen lassen. Was müssen meine geröteten Augen da lesen: „kaum Gespür für Wiedererkennungswert oder prägnante Strukturen“ und „ohne nennenswerte Highlights“? Was ist dann das FEAR-FACTORY-Riff gleich am Anfang von „Conjuration…“? Was der geniale Choral im Refrain von „Nyarlathotep’s…“? Was das thrashinfizierte Geshredder bei „Transformation…“? Oder das wirklich krachende Hauptriff von „The Ancient…“? Ja, haben Sie Wahnsinniger denn überhaupt die fesselnde Melodie von „Carnal Consumation…“ gehört?

Timm: Die roten Augen kommen bestimmt von der unsicheren Hand im Umgang mit dem Kajalstift. Und was sie, werter Herr Chefredakteur, da an ach-so-umwerfenden Momenten referieren sind in meinen Ohren nichts weiter, als lasche Aufgüsse ohne eigenen Charakter. Das ist doch überhaupt das, woran es dieser Band an allen Ecken und Enden mangelt: ein eigener Stil. Anstatt sich ständig hier und dort was zu nehmen und alles ohne Sinn und Verstand in einen Topf zu schmeißen um es danach mit zentimeterdicker Symphonieglasur zu überziehen, sollten DAWN OF ASHES erst mal zu sich finden, bevor sie ihre Instrumente in die Hand nehmen.

Bastian: Und was ist mit dem Power-Galopp bei „London’s…“, lässt sie das völlig kalt? Warum kritisieren Sie all das Gute und lassen diesen wirklichen Fehlgriff völlig ungeahndet?

Timm: Das fällt doch zwischen dem ganzen kruden Zusammengeklaue von B-Seiten-Material überhaupt nicht weiter ins Gewicht. Man muss dafür schon einiges an Fantasie mitbringen um den Rest der Gitarrenarbeit auf Niveau hochzuhören, bei dem tatsächliche Ausfälle nach unten überhaupt möglich wären.

Bastian: Timm, ab nächste Woche Reha, Bewegungstherapie. Wenn DAWN OF ASHES Sie nicht bewegt, dann kann das einfach nicht an der Musik liegen. Wenn Sie mal wissen wollen, wie echtes Geplätscher klingt, brauchen Sie nur ins nächstbeste Männer-WC reinhorchen!

Timm: Reha und ein bisschen Ruhe könnte ich nach so viel belangloser Musik wirklich wunderbar gebrauchen. Und zur Bewegungstherapie ziehe ich das nächste CONVERGE-Konzert allemal vor. Da gibt’s dann wenigstens auch Musiker, die wissen, was sie eigentlich ausdrücken wollen!

10.09.2010

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