Farmer Boys
Listening Session zu "The Other Side"

Special

„Power To The Bauer“ – es gab wirklich kein passenderes Motto, unter dem die Farmer Boys einer zahlreich erschienenen Schreiberlingmeute ihr neues Album „The Other Side“ (VÖ: 26.01.04) präsentieren konnten. Denn gerade erst hatte man sein Auto auf dem Parkplatz vor dem Nuclear Blast-Büro abgestellt, fand man sich schon auf einem von einem Traktor gezogenen Heuwagen wieder, auf dem man über z.T. wegen in den Wagen schlagender Äste durchaus gefährlichen Wegen durch die Landschaft rund um Donzdorf kutschiert wurde. Verpflegung für unterwegs war in Form von frischer Milch und noch frischerem Most auch an Bord. Ziel der Reise: ein kleiner Bauernhof mitten im Grünen, wo erstmal eine zünftige Schnapsprobe auf dem Programm stand. Zu empfehlen: die Quittenvariante. Dann hieß es wieder rauf auf den Wagen und ab zu einem gemütlichen Landgasthof namens „Bürgerstüble“, wo die eigentliche Albumpräsentation stattfinden durfte. Ganz Bauer, durfte natürlich auch eine waschechte Bullriding-Maschine nicht fehlen, die im Laufe des Abends noch für einige Lacher und blaue Flecken, sowohl auf Band-, als auch auf Redakteurseite sorgen sollte. So, jetzt aber zum eigentlichen Beweggrund meiner kleinen Reise ins Schwabeländle:

Farmer Boys

For The World To Sing
Der Opener knüpft logisch an den Vorgänger „The World Is Ours“ an. Mächtiges, Farmer Boys-typisches Riffing trifft auf einen hymnischen, getragenen Refrain und erinnert mich so ein wenig an meinen Favoriten des letzten Albums, „End Of All Days“. Starker Beginn!

Like Jesus Wept
Rein titeltechnisch tauchten in meinem Kopf direkt Machine Head-Assoziationen auf. Ganz so weit haben sich die Jungs dann aber doch nicht von ihren Wurzeln entfernt, denn es gibt einmal mehr einen fetten Groove auf die Ohren. Während der Strophen wird es dann etwas ruhiger, wobei die Bauernbuben die Dynamik zwischen lauten und leiseren Parts gewohnt effizient nutzen. Das stampfende Midtempo wird von wuchtigem Drumming unterstützt, während der Mittelteil von Samples dominiert ist.

Once And For All
Ein richtiger Vorschlaghammer erwartet uns mit diesem Track. Für Farmer Boys-Verhältnisse ungewohnt unmelodiös, aber dafür überraschend Modern Thrash-lastig gibt es hier von Anfang bis Ende dick eins auf die Zwölf. Schnelles, abgehacktes Riffing, simples, aber effektives Drumming und ein fieser Jump-Jump-Teil gegen Ende machen diesen Song in meinen Augen zum besten der Platte. Auch bestätigt sich hier, was in den ersten beiden Stücken der Platte schon anklang: Matze Sayer hat sich gesanglich enorm weiter entwickelt, sein Stimmlagenspektrum ausgedehnt und klingt somit noch markanter als vorher schon. Klasse!

Where The Sun Never Shines
Dieser Track wird von einem Riff dominiert, das wohl in dieser Form wirklich nur die Farmer Boys schreiben können. Zudem sind auch wieder weitere Trademarks der Band enthalten: die Strophen sind nur mit Gesang, Bass und Drums unterlegt, während die Refrainmelodie gewohnt hymnisch daherkommt, die notwendige Portion Groove im Gesamten aber nicht vermisst werden muss.

In My Darkest Hour
Laut Herrn Sayer handelt es sich hierbei um „Schmuserock für den Kuschelrocksampler“. Kein Wunder, denn einige Klischees werden wunderbar bedient, wie z.B. durch den recht kitschigen Beginn (nicht negativ gemeint) und Meeresrauschen mitten im Song. In der Gesamtheit gesehen ist „In My Darkest Hour“ vielleicht am ehesten mit den sanften Parts von „While God Was Sleeping“ vom Vorgänger vergleichbar. Nach drei heftigen Stücken und der beschriebenen Oberwuchtbrumme eine gelungene Abwechslung.

Stay Like This Forever
Während des Anfangs gibt es erstmal ratlose Gesichter en masse. Komische Keyboardsounds zwischen Depeche Mode und 2 Unlimited (das waren in etwa die Grenzbereiche der in die Runde geworfenen Namen und Stilrichtungen) leiten ein in ein Stück, dessen Fortgang man folgendermaßen beschreiben kann: Farmer Boys treffen auf Pain. Sehr eingängig und vor allem einmal mehr die Kraft des monotonen Riffings aufzeigend.

The Other Side
Ungewohnt vertrackt und verschachtelt findet der Titeltrack der Scheibe seinen Weg eher auf Umwegen aus den Boxen und zeigt die Farmer Boys von ihrer „verkopften“ Seite. Über den Song verteilte Sample- und Keyboardspielereien machen es noch schwerer, nach nur einmaligem Hören ein Urteil über dieses Lied abzugeben. Nur der Chorus weist auf den ersten Hör direkt auf die Schwaben hin. Mal schauen, wie dieser Track noch wächst, wenn man ihn öfters konsumiert.

What A Feeling Like
Hier kommt man im Gegensatz zum eben gehörten Stück wieder ohne Schnörkel auf den Punkt. Begünstigt wird dies durch coole Wechsel zwischen abgehacktem und flüssigem Riffing, während die Vocals einmal mehr die verschiedenartigsten Emotionen transportieren. Vergleichbar mit den ersten Songs der Platte, auch wenn man diesen in punkto „Pathos trifft Härte“ etwas hinterher hinkt.

Trail Of Tears
Nichts anderes gilt für dieses Stück, obwohl der Refrain einen Tick eingängiger rüberkommt als noch bei „What A Feeling Like“. Zudem zeigt „Trail Of Tears“ in Ansätzen, dass die Farmer Boys auch vor dem Verwenden Alternative-naher Elemente nicht zurückschrecken. Einziges wirkliches Überraschungsmoment dieses Tracks ist jedoch das Gitarrensolo. Übrigens das einzige auf der Platte.

Home Is Where The Stars Are
Schon von den Sommerfestivals bekannt, gehört dieser Song wieder zu den Highlights von „The Other Side“. Erst weiblicher Operngesang, dann dissonante Elektronikspielereien, bevor letztendlich eine fette Riffwand alles in Grund und Boden drückt. Im Mittelteil klingt es sogar, als wären die Farmer Boys mit Rammstein und The Kovenant eine Liaison eingegangen. Daneben brilliert Oberbauer Sayer erneut mit seinem entwickelten, im Refrain extrem melodischen Gesang. Der ausgewogenste Mix aus Heaviness und Atmosphäre bisher.

Get Crucified
Das Niveau des vorangegangen Tracks und des Beginns des Albums wird gehalten. Groove satt, effektbeladene Klampfen während der Strophen, ein latenter Disco-Touch, melodisch harte Vocals und ein apruptes Ende, auf das gezielt hingearbeitet wird, machen „Get Crucified“ zum würdigen Rausschmeißer und Schlußpunkt dieser CD.

Fazit: Alle Fans der Farmer Boys und die, die es noch werden wollen, sollten sich schonmal den 26.01.04 rot anstreichen, denn an diesem Tage wird mit „The Other Side“ ein Album herauskommen, das seinen Vorgänger „The World Is Ours“ klar toppt. Mittig sind zwar ein paar kleinere Hänger zu verzeichnen, Totalausfälle wie noch auf dem letzten Werk sind jedoch komplette Fehlanzeige. „Landwirt’s Finest“, die das Album übrigens selbst produziert haben, haben es also geschafft, ihre Stärken zu bündeln und in ihren Sound ein paar weitere Kleinigkeiten wie verspieltere Keyboard-/Elektronikparts oder den schon erwähnten, gewachsenen Gesang sinnvoll einzuarbeiten. Über allem regiert jederzeit der bekannte und garantiert nicht schwächer oder eindrucksloser gewordene Mix aus Härte und Pathos. Besonders überzeugend dabei (wie immer): die fetten Riffwände und der unnachahmliche Groove, den diese Band im Blut hat. In diesem Sinne: „Power to the Bauer“!

Farmer Boys

Im Laufe des (mit fortschreitender Stunde immer lustiger werdenden) Abends hatte ich noch die Möglichkeit, mit Keyboarder Dennis Hummel und Schlagzeuger Till Hartmann ein kleines Gespräch zu führen:

Warum habt ihr eine so lange Pause eingelegt?

Dennis: Ein gutes Produkt braucht eben seine Zeit. (lacht) Wir haben uns Zeit gelassen mit dem ganzen kreativen Prozess. Begründen können wir das aber eigentlich gar nicht.
Till: Stimmt, die Zeit ist irgendwie trotzdem vergangen wie im Fluge.
Dennis: Die Produktion ist diesmal einfach ganz anders abgelaufen, da wir sie erstmals selbst übernommen haben. Wir wollten das auf eigene Faust in Angriff nehmen. Unsere Erfahrung, die wir durch die letzten Platten gesammelt haben, konnten wir uns so zunutze machen. Unser Umfeld hat, was die helfenden Leute angeht, ebenfalls gepasst. Ich möchte hier z.B. Siggi Bemm erwähnen, der das Album letztendlich gemischt hat.Oder z.B. Bernhard Hahn, der die Basic-Aufnahmen durchgeführt hat und auch schon beim letzten Album für die Vorproduktion zuständig war.

Gab es im Vorfeld irgendwelche Ängste, das alles selbst in die Hand zu nehmen?

Till: Nein, es waren keine Ängste da. Der Entschluss stand fest. Noch dazu war es die letzten Male eigentlich auch immer so, dass wir am Ende komplett die Verantwortung für die Produktion übernommen haben, da die damaligen Produzenten immer uns haben entscheiden lassen, wie das Resultat klingen soll. Deswegen war das für uns eigentlich keine neue Situation.

Es ist schwer, euch in eine Schublade zu stecken. Wie würdet ihr jemandem, der überhaupt keine Ahnung von eurer Musik hat, diese beschreiben?

Dennis: Als Farmer Boys-Sound. Manche sagen, dass wir geile Riffs haben, dass unser harter Sound cool ist. Andere wiederum, dass unsere Melodien richtig gut wären. Wieder andere sagen, alles sei geil. Grob kann man vielleicht sagen, wir machen Pop mit Metalriffs. Das ist eine gute Verschmelzung.

Wie sieht es mit den Texten auf „The Other Side“ aus? Steckt ein Konzept dahinter oder stehen sie für sich alleine?

Till: Die Texte sind jeweils aus einzelnen Ideen heraus entstanden. Wir werden von vielem beeinflusst. Und selbst wenn es nur Filme sind, dann nehmen wir immer etwas mit. Sei es eine Textidee oder ein Sample. Matze ist z.B. jemand, der viel durch Filme inspiriert wird.
Dennis: Ja, er versucht dann immer, die Emotionen aus starken Szenen in unsere Musik zu transferieren. Deswegen klingt selbige vielleicht auch manchmal wie eine kleine Ausschnittsreihe aus Filmen.

Wie kam euer Labelwechsel zu Nuclear Blast zustande?

Dennis: Da frag mal Motor Music. Aber ich denke, es macht jetzt keinen Sinn, darüber zu philosophieren, warum Majors zusammen brechen und Indies nicht.

Naja, jetzt passt es doch! Schwabenpower-Band auf Schwabenpower-Label!

Till: (lacht) Richtig, sehr richtig! Naja, aber wir hätten auch in Hamburg unterschrieben, aber da gibt es keine so guten Metal-Labels.

Wie sieht denn die Zukunft für die Farmer Boys jetzt aus?

Dennis: Für uns ist das hier heute so ein wenig wie ein Pre-Release. Wir sind genauso „frisch“ in diesem Raum hier drin wie ihr. Wir haben die Platte nur schon etwas öfters gehört. Die Fotos fürs Cover sind gerade geschossen worden, die anderen werden morgen gemacht. Nächste Woche fangen wir dann an, uns über alles andere Gedanken zu machen.

In welche Richtung geht das Cover? Den Albumtitel kann man auf verdammt viele Arten umsetzen.

Dennis: Das Cover geht in die Richtung „The Other Side“. (beide fangen an zu lachen)
Till: Diesmal probieren wir, die ganze Covergeschichte künstlerisch umzusetzen. Beim letzten Album war das alles sehr festgelegt. Das wollen wir diesmal nicht. Diesmal wird alles weniger spezialisiert. Wir werden auf dem Cover zu sehen sein und alles wirs abstrakter ausfallen.

Was steht für euch selbst hinter dem Titel?

Dennis: Es soll auf jeden Fall nicht so ausgelegt werden, dass „The Other Side“ die andere Seite der Farmer Boys repräsentiert. Nimm’s mal so hin: Wenn man von Motor zu Nuclear Blast geht, geht man auf „The Other Side“. (lacht)
Till: Wir hätten auch „The Better Side“ nehmen können, aber das wäre zu platt gewesen. (wieder Gelächter) Es sollte etwas werden, mit dem sich jeder identifizieren kann. Denn es war auch das Konzept des Albums, das jeder für seine Sachen verantwortlich war während der Produktion. So finden wir uns alle in diesem Album wieder. Jeder spürt, was der andere durch die Musik ausdrücken will.
Dennis: Themen wie „die Drums müssen lauter sein“ oder „die Synthies müssen lauter sein“ kamen nie auf. Es geht mehr um die Songs an sich. Jeder nimmt die Ideen von jedem auf und versucht, seinen Teil dort hinein zu arbeiten.
Till: Es hat absolut kein Machtkampf stattgefunden. Das war eher ein gegenseitiges, kreatives Hochschaukeln.
Dennis: Das ist vielleicht auch einer der großen Unterschiede zum letzten Album. Wir sind mittlerweile in unserer Entwicklung so weit, dass wir songdienlich zusammen arbeiten können.

Quintessenz der Aussage: die Bandchemie stimmt von vorne bis hinten?

Dennis: Auf jeden Fall!
Till: Ja, klar! Jeder weiß, wie der andere funktioniert.

Was habt ihr euch für ein Ziel gesteckt mit „The Other Side“? Schielt ihr wieder in die Charts?

Till: Nein, im Prinzip wollen wir nur so viele Leute wie möglich erreichen. Wir haben uns aber nicht hingesetzt und gefragt: ‚Was können wir jetzt machen, um mehr Fans zu bekommen?‘ Du produzierst dein Produkt und beschäftigst dich währenddessen eigentlich gar nicht groß mit dem Danach. Erst wenn es fertig ist, kommen die Gedanken, wie die Leute das jetzt wohl aufnehmen werden.
Dennis: Deswegen war es heute auch ein aufregender Moment, zum ersten Mal die Reaktionen von anderen auf unser Album zu sehen. Hauptsache ist aber immer, dass man das macht, wozu man auch steht.

Galerie mit 7 Bildern: Farmer Boys - Born Again-Tour Teil 2
13.11.2003

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