Powerwolf
Am Stammtisch zu POWERWOLFs "Blessed & Possessed"

Special

Quo vadis, POWERWOLF und Corpsepaint im Alltag

NS: Das heißt, ihr könntet euch schon vorstellen, dass POWERWOLF grob den Stil ändern oder irgendwann auch ändern müssen? Dynamite, Blood, Christus, Lupus, Animus, Pray, Religion… man könnte theoretisch auch das Wolfsthema behalten und nur Religion austauschen, mit POWERWOLF ist man ja darauf auch nicht festgelegt.

FS: Ehrlich gesagt, erwarte ich da momentan keinerlei stilistische Änderungen. Dafür funktioniert das Konzept aktuell einfach zu gut. Und wie oben bereits erwähnt, ist das ja auch nichts Schlimmes. Ich bin nur gespannt, was sie tun werden, sollten sich ihr Stil und ihr Image irgendwann abgenutzt haben.

AG: Das sehe ich auch so, siehste, schon sind wir uns wieder einig, hehe. In Nuancen kann man sich natürlich entwickeln, also einem neuen Album durch einen kleinen Kniff eine dezent neue Note verpassen, aber riesige Entwicklungsschritte, die dazu führen, dass sich ein neues Album plötzlich komplett anders anhört als der Vorgänger, warum? Dann kann man auch eine neue Band gründen!

EE: Da sind wir uns wohl alle einig. Ich glaube auch, dass die Band an ihrem Erfolgsrezept erst einmal festhalten wird. Ich kann es mir zumindest momentan nicht anders vorstellen. Aber gegen eine positive Überraschung hätte ich natürlich überhaupt nichts einzuwenden. Aber lasst mir ja die Finger vom Angelo Sasso, sonst gibt es eine Delle in die Gewürzgurke!

NS: Floh hatte eben die Bonus-CD angesprochen, POWERWOLF haben ja jüngst eine Bonus-CD namens „Metallium Nostrum“ gemacht und die dort zitierten Künstler sind auch nicht ernsthafter – AMON AMARTH mit ihrem Wikinger-Klischee, OZZY mit seinem ähm… OZZY-Ding, was rechtfertigt den Anstoß an POWERWOLF? Ist es besser, sich seine Schublade selbst zu schaffen und damit ein Aufsehen zu erregen, das man zumindest steuern kann?

EE: Klar, ich finde es fantastisch, wenn man seine eigene Nische hat. POWERWOLF erfinden ja auch das Rad nicht neu, die musikalischen Einflüsse sind deutlich hörbar. Geschminkte Bands gibt es auch schon lange, Texte die irgendwo was mit Wölfen und der Kirche zu tun haben ebenso, theatralisches Image, nur das POWERWOLF das Ganze auf die Spitze treiben. Das macht Spaß und ist authentisch! Und gerade wir Metaller mögen doch Authentizität! Ist mit jedenfalls lieber, als den zigtausendsten SLAYER-Abklatsch etc. Sein eigenes Ding durchziehen, das finde ich super!

AG: Aber ist etwas so sehr aufgeblasenes wirklich authentisch? Sind nicht gerade die reduzierteren Dinge irgendwie authentischer? Wie gesagt, ich höre POWERWOLF sehr gerne, nur irgendwie ist man da schon in einem Bereich, in dem Image langsam zu einer Marketingstrategie wird, denke ich.

EE: Authentisch deswegen, weil sie ihr Ding mit dem Kopf durch die Wand ohne Rücksicht durchziehen, und der Erfolg kam ja jetzt nicht über Nacht sondern wurde über viele Jahre Stück für Stück aufgebaut. Dass da mittlerweile ein schlüssiges Marketingkonzept dahintersteckt ist klar – wie bei jeder anderen erfolgreichen Band, die entsprechend vermarktet wird.

NS: „…in dem Image langsam zu einer Marketingstrategie wird…” woran machst du das fest, André?

AG: Das mit dem „durchziehen” finde ich auch super, aber ganz so viele Jahre hat es auch nicht gedauert, oder? Gleich beim Debüt hat man mit Nordström zusammengearbeitet, der immerhin schon mit IN FLAMES und HAMMERFALL zu tun hatte, man war bei Metal Blade, Touren mit großen Bands kamen auch recht fix und der erste Wacken-Auftritt hat auch nicht so ewig auf sich warten lassen. Was alles total in Ordnung ist, aber im Vergleich zu anderen Bands doch eher in Richtung Senkrechtstart geht, denke ich. Und das beantwortet dann deine Frage, Nadine: Es ist eben in der Gesamtheit doch ein sehr spezielles Image und Konzept, das letztlich ja auch gut funktioniert hat. Aber das heißt nicht, dass ich denke, dass die vorher ein Jahr lang jeden Tag zusammensaßen und sich das alles haargenau überlegt haben. Aber nur mal das Corpsepaint als Beispiel: Das haben sie aus einem komplett anderen Subgenre übernommen, das fällt natürlich erst mal enorm auf, weil man es in der Regel nicht zu dieser Art von Musik zuordnet, die POWERWOLF spielen. Authentisch wäre es jetzt, wenn die Mitglieder sich allgemein gerne schminken, aber das glaube ich nicht hahaPowerwolf

FS: Och, dass die großen Spaß an der Schminkerei und ganz allgemein an den Verkleidungen haben, dass sie sich quasi gerne auf eine Bühne stellen und da ein wenig Theater spielen, das glaube ich schon. Und genauso wenig wie ich von einer Black-Metal-Band erwarte, dass sie außerhalb der Bühne ständig Pandabärchen-Make-Up trägt, sollte man das von POWERWOLF erwarten. Selbst wenn sie die Verkleidungen nur auf der Bühne durchziehen, macht es das für mich nicht weniger authentisch. Ansonsten kamen die Jungs ja aber auch nicht aus dem Nichts. Die Musiker haben davor in anderen, kommerziell weitaus weniger erfolgreichen Bands gespielt und stilistisch ganz andere Sachen gemacht. Natürlich leben die Jungs nun zu einem guten Teil von ihrem Image, aber daraus einen Vorwurf konstruieren zu wollen, läuft meiner Meinung nach halt ziemlich ins Leere. Dass einem bestimmten Image überproportional große Bedeutung beikommt, ist im Musikbusiness eher die Regel als die Ausnahme. Und gerade die Bands, die für besonders authentisch – um nicht zu schreiben: „trve” – gehalten werden, machen sich dessen doch allzu oft in ganz besonderem Maße „schuldig”.

AG: Dass man Corpsepaint auch im Alltag trägt, meine ich auch nicht, hier wirkt es nur eher konstruiert aus meiner Sicht.

EE: Über die genauen Hintergründe, wie es zum Deal mit Metal Blade kam und was die Beweggründe für die weiteren Entscheidungen waren, kann ich nichts sagen. Ich vermute, dass die Verantwortlichen hier viel Potenzial gesehen haben und an den Erfolg von POWERWOLF glaubten. Und die Musikindustrie hatte damals auch noch deutlich mehr Geld auf den Bankkonten zur Verfügung, um eine „neue” Band von der man überzeugt ist, gleich zu pushen.

NS: Mal ganz abgehen vom Image – Ich fühlte mich tatsächlich sehr oft an IRON MAIDEN erinnert, handwerklich kann man den Wölfen aber mal so gar nichts vorwerfen, oder?

FS: Ach, wer das unbedingt will, wird immer technisch bessere Bands, anspruchsvollere und abwechslungsreichere Kompositionen oder meinetwegen auch bessere Entertainer finden. Insofern wird jeder, der das möchte, auch was finden, wofür er die Jungs hassen kann. Ich persönlich sehe aber tatsächlich keinen Grund, ihnen handwerklich was vorzuwerfen, weil das Gesamtpaket einfach absolut stimmig und rund ist und mir keine krassen Defizite störend ins Auge/Ohr fallen. Mehr erwarte ich da doch auch gar nicht.

EE: Dem kann ich mich fast vollständig anschließen. Die Songs sind superarrangiert und gekonnt eingespielt, da gibt es nichts zu bemängeln. Natürlich steht bei POWERWOLF Eingängigkeit im Vordergrund, während IRON MAIDEN ja zumindest teilweise progressiver sind. Also POWERWOLF sind mit Sicherheit stark von IRON MAIDEN beeinflusst, kochen aber ihr eigenes Süppchen.

AG: Richtig, ihre Instrumente und das Songwriting beherrschen sie. Zudem ist es schon auch eine Leistung, aus nahezu jedem Song einen Hit zu machen. Die Eingängigkeit, die Hooks, all das haben die Jungs schon mächtig drauf.

NS: Immer wieder gerne diskutiert – das POWERWOLF-Bingo.“Armata Strigoi“ erinnert mich vom Gitarrensolo her etwas an „Hevenu shalom alechem“, hört ihr noch irgendwo Ähnlichkeiten raus, eventuell auch zu den alten POWERWOLFschen Hymnen selbst?

AG: Ganz ehrlich, vor allem in der zweiten Albumhälfte habe ich ständig diese Déjà-vu-Momente. Ich kann nichts genau sagen, an welche Songs mich die Passagen exakt erinnern, das müsste man mal gezielter analysieren, aber der gemächlichere Teil in „Higher Than Heaven” kommt mir bekannt vor, der Refrain von „Sanctus Dominus” und ein Riff in „Christ & Combat” ebenfalls … und das alles nur auf den POWERWOLF-Musikkosmos bezogen. Daher: Als stimmungsvolle Party-Scheibe grandios beziehungsweise nahezu perfekt, aber wenn sich mal jemand die Mühe macht, das alles haarklein auseinanderzunehmen, dann kann man sicherlich auf so einige Parallelen stoßen.

FS: Ich muss gestehen, dass mir da nichts explizit aufgefallen ist, aber Déjà-Vu-Momente im Hinblick auf die älteren POWERWOLF-Alben kann man nicht leugnen. Ich lehn mich da aber auch eher zurück und genieß die Musik, ohne aktiv nach irgendwelchen Parallelen zu suchen.

EE: Also mal ehrlich – Heavy Metal lebt doch von Zitaten. RUNNING WILD zitieren sich selbst, JUDAS PRIEST und W.A.S.P., LEGION OF THE DAMNED zitieren SLAYER, BLIND GUARDIAN zitieren QUEEN, EREB ALTOR zitieren BATHORY, MANOWAR und POWERWOLF zitieren sich öfter selbst als es andere Bands bei sich tun. Außerdem bin ich BOLT THROWER-Fan, die Meister des Selbstzitats. Alles gut.

NS: Womit wir bei der letzten und alles entscheidenden Frage wäre – Bester POWERWOLF-Song aller Zeiten, auch von denen die noch kommen werden?

EE: Grandiose Frage! Also: „Phallus Sanctus Pornus”, „Wolfnight Preacher”, „Hallelujah Dominus Lupus Kusskuss”, „Heaven Amen Sacristalum”, „The Evil Night Of The Bible Wolf”, „Schwanzus Longus Lupus”, „Pfui Deibel” und natürlich „Ich rrrrrriech dich du Opfer” harhar!

FS: Na der ist garantiert noch nicht geschrieben. Der wird im Jahr 2023 auf ihrem zehnten Album „The Curse of the Returned Big Bad Wolf of Pinksville” erscheinen und auf den grandiosen Namen „Stick it in, Aladdin!” hören. Remember where you read it first!

AG: Das kann nur ein Song mit dem Titel „Powerwolf” sein, der alles, aber auch alles bündelt, was ihren Sound ausmacht … und genauso klingt wie zig andere aus der Diskografie, haha!

Galerie mit 30 Bildern: Powerwolf - Summer Breeze Open Air 2023

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17.07.2015

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