Running Wild
"Shadowmaker" - Meinungen der Redaktion

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Running Wild

RUNNING WILD sind eine Band, die schon seit jeher polarisiert. Sei es bezüglich ihres Images, den Bühnenoutfits oder ihrer Musik. Rolf Kasparek und seine Mannschaft haben während ihrer gesamten Karriere nicht nur Lob, sondern auch etliche Kritiker an ihrer Seite gehabt. Als Rolf im letzten Jahr die Reunion seiner gerade einmal zwei Jahre vorher aufgelösten Band ausrief, lachten sich viele Kritiker ins Fäustchen. Eben jenen möchte der Kapitän nun mit “Shadowmaker” den Wind aus den Segeln nehmen. Dass ihm das nicht vollends gelingt, zeigen die vielen unterschiedlichen Meinungen zum neuen Album. Auch in der Redaktion von metal.de stößt das Album nicht ausschließlich auf Gegenliebe. Daniel, Heiko und Jens haben sich “Shadowmaker” ebenfalls angenommen und erläutern im Folgenden ihre Meinung.

 

Running Wild

 

Piraten sind in! Dass dieser Ausspruch der Wahrheit entspricht, belegt der Hype um Bands wie ALESTORM oder die “Fluch der Karibik”-Filme. Allerdings vergessen viele dabei, dass dieses Thema musikalisch gar nicht einmal so neu ist. RUNNING WILD widmen sich ihm bereits seit ihrem 1987er Album “Under Jolly Roger”.

Natürlich kommt dieses Thema auch nach ihrer zweieinhalbjährigen Kreativpause nicht zu kurz. Das neue Album “Shadowmaker” besinnt sich eben auf alte Tugenden. Das gilt aber nicht nur für die inhaltliche Ausrichtung, sondern auch für ihre musikalische Präsentation. In jedem der zehn Tracks kann der Hörer Elemente entdecken, die typisch für die Band um Rock’n’Rolf Kasparek sind. Seien es die galoppierenden Drums, die treibenden Riffs oder Rolfs charakteristischer Gesang – diese Platte lässt häufig Erinnerungen an bessere Zeiten aufkommen. Vor allem die schnelleren Nummern wie “I Am Who I Am” oder “Into The Black” erinnern an die glorreichen Tage Ende der 80er und Anfang der 90er. Auch die Energie und Spielfreude, welche die damaligen Alben zu so einmaligen Hörerlebnissen gemacht hat, scheint wieder zu Rolf zurückgekehrt zu sein. Insofern scheint ihm die Pause also durchaus gutgetan zu haben.

Man muss an dieser Stelle allerdings auch einmal anmerken dürfen, dass es am Anfang schwer ist, mit “Shadowmaker” warm zu werden. Die Songs machen zunächst mal einen recht gleichförmigen Eindruck und wenn man dann noch die bösen Gerüchte im Kopf hat, die ob des sehr kurzen Splits kursieren, tut man den Silberling schnell als belangloses Remake alter Klassiker ab. Allerdings lohnt es sich in diesem Fall, dem Album noch die ein oder andere weitere Rotation zu gönnen. Denn mit jedem dieser Durchläufe wird man unweigerlich in die Stimmung der einzelnen Tracks eingesogen und bekommt jene gute Laune, die sich damals schon beim Hören von Platten wie “Under Jolly Roger” oder “Death Or Glory” unwillkürlich eingestellt hat. Spätestens wenn man dann mindestens einen der eingängigen Texte mitgrölen kann, ist es um den Hörer geschehen.

Um es kurz zu machen: Echte Innovationen gibt es auf “Shadowmaker” nicht. Der einzige Song, der nicht in der Tradition der Bandklassiker steht, ist “Me + The Boys”, der den typischen RUNNING WILD-Sound mit dem eingängigen Stadion-Rock der späten 80er und frühen 90er kombiniert und so zu einem energiegeladenen Party-Song mutiert. Dennoch eignet sich dieses Album dazu, alle bösen Gerüchte vergessen zu lassen, da es so authentisch und charismatisch daherkommt.

Punkte: 8/10 (Daniel P.)

 

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Die Diskussion darüber, ob “Shadowmaker” als neues RUNNING WILD-Album nach der “Auflösung” der Band nun seine vollste Daseinsberechtigung hat oder nicht, erspare ich mir, zumal es sich ohnehin nach wie vor vielmehr um Rock ’n‘ Rolfs One-Man-Show handelt, denn um die Band, die bis Mitte der Neunziger eine Reihe Heavy Metal-Klassiker veröffentlicht hat. Ich beschränke mich aufs Wesentliche und komme direkt zum Punkt: “Shadowmaker” ist mitnichten ein Klassiker im Backkatalog des Herrn Kasparek, sondern ein höchstens durchschnittliches Metal/Rock-Album, das vor Allem an einem ganz besonders krankt: an der Produktion. Es ist nicht so, dass man dieses Problem von den letzten RUNNING WILD-Scheiben nicht gewohnt wäre, aber speziell der programmierte, penetrante Drumsound ist mal wieder ein ganz schlimmes Ärgernis und sorgt bei jedem einzelnen Song für Punktabzug. Selbst wenn man gesampleten Drums aufgeschlossen gegenüber steht, muss man feststellen, dass dieses künstliche Plastikgepatsche einfach gar nicht geht. Und da gibt es auch keine Entschuldigung für: Das ist in der heutigen Zeit einfach unprofessionell.

Die Songs können sich stellenweise hören lassen, auch hier bleibt uns unser Lieblingspirat allerdings einiges schuldig. Eine Uptempo-Nummer in anständiger deutscher Metal-Manier gibt es auf “Shadowmaker” überhaupt nicht zu hören, und auch kompositorisch bleibt all das unerreicht, was den Namen RUNNING WILD einst zu einer der europäischen Top-Adressen des melodischen Metal machte. Eine TWISTED SISTER-mäßige Spaß-Nummer wie “Me & The Boys” ist für sich genommen gar nicht mal verkehrt und kann mit einer eingängigen Melodie sogar ein wenig mitreißen. Auch der Opener “Piece Of The Action“ hat gute Ansätze, auch wenn er so gar nicht nach RUNNING WILD klingt. Beim größten Teil des Songmaterials hat man aber ständig das Gefühl, dass der Input eines anderen Bandmitglieds fehlt, jemand, der für ein bisschen Frische und Überzeugungskraft sorgt. Der Titelsong ist das beste Beispiel dafür: Grundsätzlich ein guter Song, der zwar nicht unbedingt schwermetallisch losbrettert, der aber beweist, dass Rolf ein guter Songwriter ist. Auch das Gitarrensolo in der Mitte macht was her, trotzdem klingt das Ganze eher wie ein unfertiges Demo, an der noch geschraubt und poliert werden müsste. Das Problem ist dabei nicht, dass die Nummer schludrig eingespielt wurde, sondern dass die Produktion nicht atmet und nicht lebt, und alles so dermaßen homemade klingt, dass man sich zwangsweise wehmütig an selige “Death Or Glory”- bzw “Black Hand Inn”-Zeiten erinnert.

Das eigentlich Bedauerliche an der ganzen Sache ist, dass man immer wieder zu ahnen glaubt, was man mit ein bisschen mehr Mühe aus dem Album hätte machen können. Ein paar Musiker ins Studio, einen Produzenten, der den Herren einen zusätzlichen Kick verliehen hätte, und schon hätte man aus einem Song wie “Sailing Fire” mit seinen eigentlich guten Melodien und seiner von dieser Band eigentlich so geschätzten Piratenromantik eine echte Vorzeigenummer machen können. So muss sich Alleinunterhalter Rolf den Vorwurf gefallen lassen, einen etwas egoistischen Schnellschuss abgeliefert zu haben, bei dem sein unbestreitbares Talent immer wieder aufblitzt, der aber leider viele Wünsche offen lässt.

Punkte: 6/10 (Heiko)

 

Running Wild

 

Rock’n’Rolf hat sich größten Respekt verdient. Nicht so sehr dafür mit „Shadowmaker” ein weiteres Album unter dem Banner von RUNNING WILD zu veröffentlichen, aber dafür, dass er immer seinen Weg gegangen ist, ohne dass er jemanden in seine musikalische Vision hat reinreden lassen. Die Fehler, die er in seiner mittlerweile über dreißigjährigen Karriere als Musiker ohne Zweifel begangen hat, haben ihn niemals aus der Bahn geworfen, so dass er in regelmäßigen Abständen immer wieder sein Verständnis von Freiheit mit seiner Musik der Öffentlichkeit präsentierte. Ein Original, ein Rebell – durch und durch -, der sich bewusst von bestimmten Normen und gesellschaftlichen Regeln abgrenzt und seine Sichtweise der Dinge in den Songs darstellt.

Diese Freiheit kann er sich leisten. Denn auch die inzwischen vierzehnte Langrille enthält alle Trademarks, die man von RUNNING WILD bisher gewohnt war, bietet aber darüber hinaus auch – ein Novum – viele frische Ideen, die den zehn neuen Songs viel mehr Leben einhauchen, als dies bisher der Fall war. Die Verbissenheit, immer und immer wieder Altbewährtes aufwärmen zu müssen, wie es so viele andere Bands unter dem Vorwand “zurück zu den Wurzeln” vorleben und damit schlichtweg nur noch zu langweilen wissen, ist einer neuen Lockerheit und damit verbunden auch einer neuen Kreativität gewichen, die beim ersten Hören vielleicht noch verwundert, beim zweiten Hördurchgang zu gefallen weiß und spätestens nach dem dritten Durchlauf einfach Spaß macht und überzeugt. Damit ist Kasparek ein Kunststück gelungen. “Shadowmaker” ist ein ehrlich klingendes Album, eines der ganz wenigen Alben seiner Art innerhalb einer viel zu häufig von knallhart kalkulierten Veröffentlichungen dominierten Industrie.

Das Front Cover Artwork gibt zunächst allen Grund zur Verwunderung, und ist außer Frage eines der ungewöhnlichsten der Bandgeschichte, aber das von Jens Reinhold (EVERGREY, KINGDOM COME, TANK, u.v.m.) prächtig gestaltete Booklet, in dem diesmal keinerlei Photos von Rolf oder seiner Crew zu finden sind, sondern zu jedem Song ein eigenes, stimmungsvolles Artwork, entschädigt völlig. So gibt es einen ganz besonderen Augenschmaus zum Beispiel zum abschließenden Song (“Dracula”): Adrian, das Bandmaskottchen, als Vampir – das muss man gesehen haben!

Doch nicht nur das Booklet hat eine Menge zu bieten, und so steht natürlich die wichtigste Frage weiterhin im Raum: Besteht “Shadowmaker” tatsächlich aus den besten Songs, die Rock’n’Rolf jemals geschrieben hat? Ist etwas Wahres an dieser markigen Ankündigung? Auffallend ist zunächst der kraftvolle Sound und hervorragende Mix, der dem 2005 veröffentlichten “Rogues En Vogue” gefehlt hat und sich daher auch zu Recht Kritik gefallen lassen musste. An diesem Punkt haben Rolf und seine Mitstreiter besonders gute Arbeit geleistet. Auch die mehrstimmigen und diesmal richtig fett klingenden Chöre sind ein Novum und treiben Freudentränen in die Augen.

Dabei deckt das neue Material musikalisch gesehen ein ungewöhnlich breites Spektrum ab, das sich von der “Gates To Purgatory” (1984) bis zur “Rogues En Vogue” (2005) erstreckt und damit nicht nur sämtliche Phasen der Band in einem modernen Soundgewand Revue passieren lässt, sondern auch eine neue Seite offenbart. Somit hat “Shadowmaker” das Potential sowohl langjährige Anhänger als auch neu hinzugekommene Fans zufriedenstellen zu können. Welche anderen Bands und Alben können so etwas schon von sich behaupten?

Während man auf älteren Scheiben von RUNNING WILD – Hand aufs Herz – den ein oder anderen Track auch schonmal überspringen kann, kann man sich “Shadowmaker” an einem Stück anhören. Das mag im ersten Moment tatsächlich unglaublich klingen, aber sämtliche Songs befinden sich auf einem hohen Niveau, das man so schon lange nicht mehr gehört hat, und durch Rolfs gewohnt exquisitem Gitarrenspiel, aber auch durch Peter Jordans Gitarrensoli aufgewertet werden. Fairerweise muss auch erwähnt werden, dass einzelne Songs älterer Scheiben teilweise höhere Qualitätsmaßstäbe setzen, als das auf “Shadowmaker” insgesamt der Fall ist. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, welches Album das bessere ist: Ein Album, das keinen einzigen Durchhänger enthält und durchweg Spaß macht, oder ein Album wie zum Beispiel “The Rivalry”, das neben vielen Durchhängern und einiger Mittelmäßigkeit nur ein paar wenige Highlights zu bieten hat?

Ein erstes Highlight auf “Shadowmaker” ist jedenfalls der Opener: “Piece Of The Action” ist eine straight rockende Nummer mit einem eingängigen Refrain, der umgehend einen Adrenalinstoß bewirkt und in die Achtziger zurückversetzt, während das folgende “Riding On The Tide”, der in einem kurzen Auszug bereits vorab veröffentlicht wurde, eine jüngere Zielgruppe anspricht – gewohnte Kost, die alle Freunde des “Pirate Song” begeistern wird, den Klassikern der Band mit Piratenthematik wie “Port Royal”, “Riding The Storm” oder “Jenning’s Revenge” allerdings nicht das Wasser reichen kann. Auch der zweite Song mit Piratenthematik auf dem Album, “Sailing Fire”, erreicht nicht ganz das Niveau der zuvor erwähnten Klassiker. Auch das sehr düstere und mit schleppendem Rhythmus vorgetragene “Black Shadow” benötigt einige Durchläufe, bevor der Song dann aber doch noch zündet.

Dem gegenüber stehen jedoch Up-Tempo-Songs wie “I Am Who I Am”, der problemlos auf einem Album wie “Blazon Stone” Platz gefunden hätte, oder der tonnenschwere Dampfhammer “Locomotive”, der auf der “Masquerade” zu den Highlights des Albums gezählt werden könnte. Gemeinsam mit dem Titelsong zählen diese beiden Songs zu den härtesten und schnellsten Tracks des neuen Albums und werden keinen Old-School-Fan enttäuschen. Gewöhnungsbedürftig ist auf der anderen Seite ein Song wie “Me & The Boys”, der ursprünglich für Kaspareks Rock’n’Roll-Projekt TOXIC TASTE geschrieben wurde, für dieses Projekt allerdings zu heavy war und nun im RUNNING WILD-Gewand wirklich keine schlechte Figur abgibt – ganz im Gegenteil sogar! Für diese Nummer haben sicherlich TWISTED SISTER, KISS und auch JUDAS PRIEST Pate gestanden, und live gespielt, während das Publikum wie bei “Prisoners Of Our Time” oder “Chains And Leather” mitgröhlt, könnte auch “Me & The Boys” zu einem absoluten Spektakel werden – ungewöhnlich und mutig, und vielleicht gerade deshalb ein Highlight auf “Shadowmaker”. Den krönenden Abschluss des Albums gibt es schließlich in Form des über siebenminütigen “Dracula”, das atmosphärisch dicht von der ersten Sekunde an bis zum letzten gespielten Ton zu begeistern weiß und ein absolutes Muss für jeden Heavy-Metal-Fan und Freund von RUNNING WILD darstellt.

“Shadowmaker” ist ein Statement einer Heavy-Metal-Band, die sich mit Alben wie “Under Jolly Roger”, “Death Or Glory” oder “Black Hand Inn” Legendenstatus erarbeitet hat, und die immer mit erhobenem Haupt dem eigenen Weg gefolgt ist, um jetzt, nach siebenjähriger Studiopause, kein Meisterwerk, aber ein hervorragendes und vor allem ehrlich klingendes Eisen im Feuer hat, das die letzten vier Alben locker in die Tasche steckt, und teilweise sogar an alte Glanztaten erinnert.

Punkte: 8/10 (Jens)

 

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6 Kommentare zu Running Wild - "Shadowmaker" - Meinungen der Redaktion

  1. headbang666 sagt:

    Bin auf das Album echt gespannt. Und an dieser Stelle mal ein Lob an metal.de (obwohl ich schon länger hier lese, habe ich das glaube ich noch nie gesagt). Nirgends findet man so detailierte und auf den Punkt geschriebene Rezensionen wie hier. Nur eine Sache noch, mit Behauptungen wie Computerdrums wäre ich aber schon vorsichtig. Auf der DVD der limitierten Edition soll ein Making-Of des Albums enthalten sein, wenn dann dort Aufnahmen am Drumkit zu sehen sind, könnte das schon für einige Leute sehr peinlich werden. 😉

  2. Heiko sagt:

    Selbst wenn das ein echter Schlagzeuger ist, dann klingt er nicht wie einer. Was es ja eigentlich noch sehr viel schlimmer macht.

  3. Hans-Hubert sagt:

    Ist headbang666 nicht Jens?

  4. Jens sagt:

    Habe ich was verpasst?

  5. Hans-Hubert sagt:

    Zumindest hält man headbang666 in diversen Foren für BlackChest, also für dich.