Said But True mit Erik Cohen
"Nenn' mich gerne Lebemann"

Interview

Über vier Jahre ist es mittlerweile her, dass ERIK COHEN, vielen noch unter dem Namen Jack Letten als SMOKE-BLOW-Bühnenderwisch bekannt, sich anschickte, der aktuellen deutschsprachigen Rockmusik ein bisschen Nachhilfe zu erteilen. Mit der „Kapitän“-EP brachte er einen so traditionsbewussten wie stilsicheren und gleichzeitig frischen Ansatz in die Szene. Riffs, Synthies, unpeinliche Texte und das gewisse nordische Etwas schufen den groben Rahmen. Zwei Studioalben später sticht COHEN dieser Tage zum dritten Mal in See und liefert mit „III“ das wohl puristischste und straighteste Rock-Album seiner Solo-Karriere ab. Wir haben ihn durch unser „Said-But-True“-Format gejagt und ihn über seine musikalischen Highlights 2017 und seinen maritimen Fuhrpark befragt.

Moin, Herr Kapitän! Was hebt “III” von seinen Vorgängern ab?

Erik:III“ ist im direkten Vergleich mit seinen beiden Vorgängern das roheste, direkteste, schnellste ERIK-COHEN-Album. Es ist purer Rock, schnörkellos und unkompliziert. Aber natürlich bietet es – wie gehabt – unterschiedliche Facetten. Wie aus einem Guss treibt es trotzdem, will ich hoffen.

Welche Themen treiben dich textlich am meisten um?

Erik: Das ist ganz unterschiedlich, aber es sind oftmals aus dem (also meinem) Leben gegriffene Situationen, die mich inspirieren. Das führt mich gelegentlich zu einzelnen Punchzeilen, um die herum ich dann ganz intuitiv weitere Textzeilen stricke, bis eine für mich in sich stimmige Story entsteht. Die muss griffig sein, sich im Idealfall aber flexibler interpretieren lassen.

Autotunes metal.de-Special! Nenn uns doch mal deine drei Lieblings-Metal-Alben aus 2017 und begründe sie kurz.

Erik: Mein persönliches Hard Rock- und Metal-Jahr 2017 war mehrheitlich geprägt von alten Klassikern aus der Frühphase des Metal, aber ein paar frische Alben habe ich mir natürlich auch in die Lauscher gedrückt, als da exemplarisch wären:

1. DOOL – „Here Now, There Then

Zu Teilen aus der Asche von THE DEVIL’S BLOOD gestiegen, haben mich die Niederländer mit ihrem doomig-progressiven Rock-Ansatz schnell überzeugt. Sehr coole, düster-psychedelische Songs, tolle Sängerin. Haben an vielen Stellen ihr verdientes Lob einkassiert. Zukunftsweisender Metal-Ansatz, der sich auch interessanten Strömungen „von außen“ öffnet.

2. PARADISE LOST – „Medusa

Durch Zufall gehört und dabei unmittelbar für ziemlich gut befunden. Einzelne Songs dieser Platte strahlten die spannende Klasse von Früher aus und walzten trotz ihrer doomigen Schwere frisch und angenehm nach vorn. Muss an der feinen Melodieführung gelegen haben. Und generell präsentierten sich Mackintosh und Aedy in super Form.

3. THE NIGHTFLIGHT ORCHESTRA – „Amber Galactic

Songs, die uns freundlich daran erinnern, dass Nackenpeitsche, Schnauzbart und Cowboystiefel auch Stil haben können. Zeitlose Melodien, authentischer 80er-Sound, schmissige Refrains, schmalzige Keyboards und filigrane Gitarrensoli. JOURNEY, FOREIGNER, TOTO, SURVIVOR, BOSTON, MAGNUM, oder DOKKEN lassen grüßen. Musik, die einfach nur Laune macht.

Was fehlt der deutschsprachigen Rockmusik aktuell?

Erik: Das kann ich gar nicht so recht beantworten, denn ich höre tatsächlich kaum deutschsprachige Rockmusik und somit fehlt mir ein fundierter Gesamtüberblick. Aber natürlich hört man immer mal irgendwo rein und ich bin über die Jahre schlicht auf wenig gestoßen, das mich als Rockfan musikalisch berührt hätte. Daher kam mir vor einigen Jahren auch der Gedanke, es einfach mal selbst zu probieren. Ich fand das damals spannend und bin heute noch froh, mir mit ERIK COHEN diesen neuen, recht grenzenlosen Spielraum erschaffen zu haben, da er mir künstlerisch viel ermöglicht. Ich kann mich austoben, ohne, dass es mir langweilig würde. Ich hatte insgesamt das Gefühl, dass es wenig klassisch ausgerichtete, deutschsprachige Rockmusik gibt, die ein Stück weit etwas wagt und sich auch mal deutlich zwischen diverse Szene- und Genre-Stühle setzt und Reibung erzeugt. Oft ordnet sie sich von selbst ein oder sogar unter.

Welche Show einer anderen Band hat dich zuletzt richtig umgehauen?

Erik: Das waren RANCID auf dem vergangenen Hurricane Festival. Ich konnte mir ihr Set von der Bühne aus ansehen, das war schlicht großartig. Stücke wie „Old Friend“ sind unsterblich geil, vor allem live. Schade, dass die Band so selten bei uns gastiert. Aber eventuell fühlte es deshalb auch umso besser an, ihre Show sehen zu können.

Was war das Inspirierendste jenseits von Musik, das zu zuletzt gesehen hast?

Erik: Das waren unter anderem „John Sinclair“-Hörspiele im Tourbus, eine spannende Dokumentation über Jimi Hendrix als auch Spiele von Holstein Kiel.

Was trinkst du auf der Bühne?

Erik: Neben Wasser auch mal ein-zwei Bierchen und dazu stell ich mir nebenbei gerne eine Wodka-Mische rein. Bin aber insgesamt nicht der große Bühnen-Trinker.

Die Vodka-Mische macht’s: ERIK COHEN live und in Farbe.

Was war das Letzte, das während einer deiner Shows zu Bruch gegangen ist?

Erik: Das muss schon 10 Jahre her sein, aber ich habe meinem Gitarristen Kentucky mal beim Mikro-Schleudern versehentlich die Nase gebrochen. Sorry nochmal!

Wie sieht der perfekte Backstage aus?

Erik: Geräumig, ruhig, bequeme Sitzgelegenheiten, voller Kühlschrank, Künstler-WC & Dusche, gern auch in sauber. Easy auf die Bühne und auch locker wieder runter. Dazu nette örtliche Veranstalter/innen.

Welche Rituale pflegst du vor der Show?

Erik: Ich mixe mir seit Jahrzehnten eigentlich immer Wodka mit ’nem Energydrink, kurz bevor ich auf die Bühne gehe.

Wann und wo hast du zuletzt eine rauschende Backstage-Party gefeiert?

Erik: Wüst gefeierte Backstage-Parties gehören bei mir eigentlich der Vergangenheit an, Lampen ausknipsen und nett gemeinte Randale war früher aber durchaus ein Thema, haha. Zuletzt habe ich im Dezember angenehm in der Hamburger Fabrik gefeiert, es waren nach unserer Show mit SB noch viele nette Menschen auf ein paar Bier da, mit denen wir den Abend ausklingen lassen haben.

Welche Show hast du am weitesten entfernt von deiner Heimat gespielt?

Erik: Ich kann es gar nicht genau sagen, aber Ausflüge nach Wien oder auf das Sonisphere Festival in Jonschwil in der Schweiz gehörten auf jeden Fall dazu. Das mag für viele gar nicht so weit klingen, aber wenn Du da von Kiel aus mit ’nem Van hin knatterst, dann weißt Du, wo der Barthel den Most holt. Immerhin hat es sich gelohnt: Mit SMOKE BLOW spielten wir in Jonschwil 2010 mit den „Big Four“, dazu MOTÖRHEAD, HEAVEN & HELL, ALICE IN CHAINS usw. – es hat allerdings gepisst wie Sau und dazu durften wir morgens um 10:30 Uhr auf die Bühne.

Hattest du schon einmal Probleme mit dem Gesetz?

Erik: Ich habe permanent Probleme mit Gesetzen, aber im Knast war ich noch nie.

Was würde man am wenigsten von dir erwarten?

Erik: Ein minimalistisch vor sich hin waberndes Elektronik-Album? Keine Bange, kommt auch nie!

Hast du eigentlich ein Boot? Oder mehrere?

Erik: Meine Karriere als Erzieher, die über Jahre gescheffelte Kohle mit SMOKE BLOW und nun auch die überdimensionalen Erfolge mit ERIK COHEN machen es mir einfach schwer, auf kleinem Fuße zu leben. Ich habe entsprechend mehrere Schlauchboote, die aufgepumpt zu Wasser gelassen werden könnten. Ich lebe nicht umsonst an der Küste. Nenn‘ mich gerne Lebemann.

ERIK COHENs „III“ erscheint am 26. Januar 2018 via RYL NKR Recordings.
22.01.2018