Therion
Der Meister trifft den Antichrist

Interview

Wohl kaum eine Band hat so eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung des Symphonic Metal wie THERION. Denn bereits seit Mitte der 90er Jahre pushen die Schweden dieses Genre maßgeblich mit zu immer neueren Höhen. Als bisherige Krönung ihres Schaffens steht nun die Rock- bzw. Metal-Oper „Beloved Antichrist“ in den Regalen. Grund genug für uns, Mastermind Christofer Johnsson dazu ein paar Fragen zu stellen.

Hi Christofer! Zunächst einmal vielen Dank dafür, dass du dir ein bisschen Zeit für metal.de nimmst.

Bitte, gerne!

„Beloved Antichrist“ ist ja nicht einfach nur eine neue THERION CD, es ist ein imposantes Monument, absolut gelungen! Was war zuerst da, die Idee, generell mal eine Rockoper in Angriff zu nehmen, oder gerade diese Geschichte zu vertonen?

Ursprünglich wollte ich eigentlich schon vor 15 Jahren eine klassische Oper schreiben, die auf einer Kurzgeschichte basiert. Aber mit der Zeit wurde das Ganze dann schließlich zu einem THERION-Metal-Oper-Musical.

Warum habt ihr euch für diese Story entschieden? Was bedeutet dir bzw. verbindet dich genau mit dieser Erzählung?

Eigentlich wollte ich zunächst Michail Bulgakows „Meister und Margarita“ vertonen, aber diese Geschichte ist ganz einfach zu lang und komplex. Zu dieser Zeit beschäftigte ich mich viel mit russischer Literatur und brauchte für mein Vorhaben eine Art dunkle Geschichte, denn ich kann ganz einfach keine romantische Oper oder gar Komödie schreiben. Daher schien mir diese Geschichte am besten zu passen. Zu Wladimir Solowjows Prophetie „Kurze Erzählung vom Antichrist“ habe ich jetzt keine besondere persönliche Beziehung. Ich mag diese Story ganz einfach, weil sie sich in unterhaltsamer Weise mit dem Antichrist beschäftigt.

Das kann man als Argument sicher gelten lassen. Ich bin ja kein Musiker, sondern nur ein kleiner Schreiberling… Wie geht man denn generell ein solch komplexes Vorhaben „Rockoper“ an, kannst du das mir als Laien bitte kurz erläutern?

Die ursprüngliche Idee war eigentlich, „Beloved Antichrist“ wesentlich kürzer zu halten und viel weniger Charaktere mit einzubauen. Aber irgendwie bekam die Geschichte ein Eigenleben und wurde immer umfangreicher. Es war also nie geplant, ein solch massives Werk zu erschaffen.

Ist diese Scheibe ausschließlich ein Christofer-Johnsson-Werk, oder doch ein THERION-Teamwork?

Die ganze Sache ist meine Idee bzw. meine Vision, daher stammt auch 80% der Musik ausschließlich von mir. Aber viele Szenen und Passagen der restlichen 20% waren unglaublich schwer für mich alleine zu schreiben, die waren dann definitiv Teamwork. Linnea [Vikström; Tochter von THERION-Sänger Thomas Vikström und selber auch auf dem Album zu hören] hat mir dank ihrer Ausbildung sehr dabei geholfen, und zwar sowohl bei der Auswahl der geeigneten Sängerinnen und Sänger, als auch als eine Art Assistentin im Studio. Sie war definitiv eine sehr große Hilfe für mich.

Apropos Auswahl der Sängerinnen bzw. Sänger, war es sehr schwierig, genau die richtigen gesanglichen Charaktere für die einzelnen Rollen zu finden? Welche Kriterien habt ihr dafür angewandt?

Das hat schon eine ganze Zeit gedauert. Alleine einen passenden Tenor Bariton zu finden erwies sich als echt schwierig. Die Kriterien für die Auswahl waren ausschließlich musikalischer Natur und konzentrierten sich auf dem Stimmumfang und die jeweils zu verkörpernde Figur.

Warum hast du eigentlich keinen Gesangspart übernommen? Das hätte so manchem alten Fan sicher ein Tränchen ins Auge gezaubert…

Da hat doch einiges dagegen gesprochen. Aber der Hauptgrund ist ganz einfach, dass „Beloved Antichrist“ eine Rock bzw. Metal Oper mit dementsprechendem Gesang ist. Und ich bin nun mal kein Opernsänger, daher gehört meine Stimme da einfach nicht hin. Dafür habe ich allerdings den Sprechpart des Teufels übernommen.

Auch nicht schlecht, das musste ja auch einer machen. Du hast ja die ursprüngliche Geschichte ergänzt bzw. weiter gesponnen. An welchen Stellen genau ist das geschehen? Ist auch geplant, dass du deine erweiterte Fassung der Geschichte veröffentlichen wirst?

Im Prinzip haben wir die Geschichte total verändert. Übrig geblieben sind eigentlich nur einige wenige Charaktere, zwei bis drei Szenen und natürlich die generelle Idee an sich. Eine eigene Veröffentlichung meiner Version der Geschichte plane ich nicht. Aber mir würde es natürlich sehr gefallen, wenn die Story eines Tages verfilmt werden würde, falls das überhaupt möglich ist.

Das könnte in der Tat sehr interessant werden. Was gibt es denn nach diesem Monumental-Werk überhaupt noch für Ziele und Visionen für dich bzw. THERION?

Das ist wirklich eine sehr gute Frage, und ich habe noch keine Ahnung, was ich als Nächstes tun soll. Aber in nächster Zeit werde ich denke ich voll damit beschäftigt sein, das komplette Werk auf die Bühne zu bringen. Danach könnte ich mir vorstellen, möglicherweise mal ein Jahr lang gar nichts zu tun und darüber nachzudenken, was man anschließend angehen könnte. Aber aktuell ist das echt eine schwere Frage.

Wie schwierig wird es werden, dieses Werk in seiner gesamten Pracht auf die Bühne zu bringen? Und gibt es schon konkrete Pläne für die Realisierung dieses Vorhabens?

Wir versuchen die ganze Sache im Herbst zu realisieren. Das Hauptproblem an der Geschichte wird ganz einfach alles sein. Wir haben schließlich keinerlei Erfahrungen mit einer solchen Produktion. Daher müssen wir eine Menge lernen. Aber Probleme sind ja schließlich dazu da, um gelöst zu werden.

Werdet ihr auf der anstehenden Tour viele neue Sachen spielen, oder wird es mehr eine Art Best-Of-Set ergänzt mit ein paar neuen Songs sein? Wie viele Sänger werdet ihr mit auf Tour nehmen?

Es wird eine normale Tour mit drei Sängern werden, auf der wir 5-7 neue Songs vorstellen werden, quasi als ganz normale THERION-Lieder. Der Rest wird schon eine Art Best-Of-Set werden, wobei wir zurzeit noch über die endgültige Setlist intern diskutieren. Ergänzt wird das Ganze dann noch mit ein bis zwei Songs, die wir bisher selten bzw. viele Jahre nicht mehr live gespielt haben.

Zum Abschluss hätte ich nun noch eine etwas umfangreichere Frage an dich. Mal abgesehen von „Beloved Antichrist“, was sind für dich die drei wichtigsten THERION Veröffentlichungen und warum? Ich gebe dir mal meine drei Favoriten vor. „Symphony Masses“, weil man hier zum ersten Mal so richtig ahnt, welches Potential in der Band steckt. „Theli“ natürlich, weil es euer absoluter Durchbruch war. Und „Secret Of The Runes“, weil hier meiner Meinung nach die Einheit von Musik und Story in Perfektion dargeboten wurde.

Für die Entwicklung der Band hat natürlich jedes einzelne Album seine ganz besondere Bedeutung. Das kann man mit einer Leiter vergleichen, da führt ja auch immer eine Sprosse zur nächsten. Aber du hast schon recht, „Symphony Masses“ war schon das Album, wo ich mich zum ersten Mal von herkömmlichen Denkweisen losgesagt und so experimentiert habe, wie ich wollte. Das alte Line-Up hatte meine verrücktesten Ideen ja immer abgelehnt.

„Theli“ war dann natürlich ein Meilenstein für THERION, unser Durchbruch. Meiner Meinung nach hat diese Scheibe auch diese ganze Metal-mit-Operngesang-Geschichte recht stark beeinflusst.

„Vovin“ hingegen war das Album, das sich am besten verkauft und die Band richtig etabliert hat. Meiner Meinung nach war das unsere bedeutendste Scheibe, denn dank ihr wurden wir wirtschaftlich unabhängig. Sie gab uns die absolute Freiheit, nur noch im Studio zu arbeiten und dort zu tun, was immer wir mochten. Seit „Vovin“ hat sich auch bei uns im privaten Bereich vieles zum Guten gewendet. Wir hatten nun nicht mehr die Sorge, wie wir jeden Monat unsere Rechnungen bezahlen sollen. Diesen Luxus, nicht zwanghaft jedes Jahr aus monetären Gründen eine neue Platte veröffentlichen zu müssen, genießen wir absolut. Seit dieser Zeit können wir sämtliche Ideen natürlich wachsen lassen, ohne den großen Veröffentlichungsdruck. Beispielhaft dafür steht das Doppelalbum „Lemuria“ und „Sirius B“, wo ich zum Schreiben und für die Aufnahmen drei Jahre gebraucht habe. Oder natürlich jetzt „Beloved Antichrist“, mit dem ich mich sogar fünf Jahre beschäftigt habe.

„Secret Of The Runes“ stellt unser erstes Konzeptalbum dar. Hier war auch die Musik zum ersten Mal irgendwie einheitlich, also ohne größere Stilunterschiede zwischen den einzelnen Songs. Als diese Scheibe veröffentlicht wurde, war sie kommerziell schon so etwas wie ein kleiner Flop. Doch mit der Zeit wurde „Secret Of The Runes“ das Lieblingsalbum vieler THERION Fans. Daher haben wir dann sogar eine Tour bestritten, bei der wir das komplette Album gespielt haben. Damit konnte natürlich niemand rechnen, nachdem die Scheibe zunächst so schlecht gestartet war.

Ok, dann danke ich dir für diese Einschätzung und für das ganze Gespräch. Und ich hoffe sehr, dass wir „Beloved Antichrist“ bald in seiner gesamten Pracht auf unseren Bühnen genießen dürfen.

23.01.2018
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