Bleeding Through
Ich konnte mich selbst nicht mehr leiden!

Interview

Machen wir mal einen kleinen Zeitsprung. Wir haben das Jahr 2012 und BLEEDING THROUGH beschließen mit dem Album „The Great Fire“ ein großes Ausrufezeichen hinter ihre bisherige, schlagartig, durch die Decke gehende Laufbahn als Metalcorer zusetzen und diese auch damit zu beenden. Mit sieben Studioalben innerhalb von zehn Jahren schoss die Band aus Orange County von 0 auf 100 durch gute und auch schlechte Zeiten. Und da die guten Zeiten noch sehr präsent in den Köpfen waren oder auch sind, lassen sich BLEEDING THROUGH nun wieder Blicken. Sechs Jahre nach dem offiziellen Ende sind sie wieder mit frischem Material in der Pipeline. Ich erwische Frontman Brandan Schieppati in seinem Fitnessstudio, wo er als Personaltrainer und Coach arbeitet, schwitzt und Menschen zum Schwitzen bringt. Wir reden über die neue Platte „Love Will Kill All“, über soziale Medien und warum in der Vergangenheit nicht immer alles gut war.

Hallo Brandan. Herzlich willkommen zurück, BLEEDING THROUGH. Wie fühlt es sich für dich an wieder da zu sein mit der Band?

Es fühlt sich richtig, richtig gut an. Aber gleichzeitig ist es auch ein bisschen merkwürdig. Seit unserer letzten Platte hat sich doch so einiges verändert. Die ganzen Plattformen, die Bands heute haben um sich zu promoten, die hatten wir in der Form damals gar nicht. Klar, wir hatten Facebook und Myspace. Aber das war es eigentlich schon. Wir waren zum Beispiel nie wirklich eine Social Media-Band und lernen jetzt damit umzugehen. Aber es ist cool, dass man näher an den Fans dran ist und direkteres Feedback bekommt.

Schaffst du es die Kommentare auf Facebook und Instagram zu lesen? Wie war die Reaktion im Internet auf euer Comeback?

Ich lese die Kommentare total gerne und versuche auch darauf zu reagieren. Wenn jemand Fragen hat, versuche ich mein Bestes, die auch zu beantworten. Alle schaffe ich natürlich nie, dann müsste ich stundenlang auf den Plattformen herumsurfen. Haha. Bisher waren die Rückmeldungen auch sehr nett. Die Leute freuen sich auf das Album und auf neue Shows von BLEEDING THROUGH. Ich mag aber auch die negativeren Kommentare. Konstruktive Kritik ist mir sehr wichtig. Ich finde,dass bringt einen noch ein Stückchen weiter.

Was war das letzte Kommentar, was dich echt gernervt hat?

Uh,in der letzten Zeit, waren da kaum negative Sachen dabei. Alles sehr positiv. Ich bekomme natürlich mit, wie sehr sich die Leute teilweise auf anderen Seiten auslassen und sicherlich auch daneben benehmen. Aber ich distanziere mich davon und lasse mich von solchen Menschen, nicht beeinflussen oder herunterziehen.Ich versuch mich jetzt eher auf das Positive zu konzentrieren.

War das mal anders?

Ja, in der Vergangenheit. In der Zeit,in der wir ständig mit BLEEDING THROUGH unterwegs waren, haben wir uns viel zu sehr von Negativem beeinflussen lassen. Das hat uns rückblickend blockiert und uns die ein oder andere Erfahrung ruiniert. Das will ich so nicht mehr. Deshalb picke ich mir jetzt nur die guten Sachen heraus.

Erinnerst du dich an eine bestimmte Situation, in der du gemerkt hast, das jemand zu viel Negativität auf dich oder die Band ausgeübt hat?

Wenn ich zurückdenke, war das Jahr 2005/2006 eine extrem harte Zeit für uns. Jeder kannte „This Is Love, This Is Murdererous“ und „The Truth“ kam gerade heraus. Alles wurde plötzlich größer und größer. Auf einmal gab es zusätzlich noch diesen Myspace-Boom, der uns und das Genre noch weiter gepusht hat. Und dann fängst du an, dich mit anderen Bands zu vergleichen, eine Art Zwang besser und schneller zu sein. Das hat soviel Druck ausgeübt und ich habe das letztendlich einfach nur noch gehasst. Ich wollte mich nicht ständig mit anderen vergleichen. Aber es zieht dich da einfach herein. Ich wurde regelrecht sinnlos eifersüchtig und stumpfte total ab. Ich konnte mich zu dieser Zeit selbst nicht mehr leiden.

Wann war denn der Moment für dich, wo du für dich selber festgestellt hast: Oh jetzt könnten BLEEDING THROUGH wieder loslegen?

Hier in Kalifornien sind ständig irgendwelche Metalcore oder Hardcore-Shows. Das Genre ist hier sehr beliebt. Viele Bands, wie ATREYU, AVENGED SEVENFOLD haben hier ihre Wurzeln. Alles großartige Bands. Es fühlte sich fast schon wie eine Core-Revolultion hier in Süd-Kalifornien an. Haha. Ich war dann vor einiger Zeit bei einer Show, auf denen kleinere, lokalere Bands, gespielt haben.Und als ich da so stand, hatte ich plötzlich den Gedanken:“Die Menschen könnten ein BLEEDING THROUGH-Comeback gebrauchen.“ Ich kenne nichts oder habe nichts gehört, was sich so wirklich mit uns vergleichen lässt. Das soll jetzt nicht falsch klingen, aber alles was ich in der letzten Zeit gehört habe, hört sich gleich an. Das geht von derselben Aufnahmetechnik, bis hin zum identischen Songaufbau, den immer gleichen Shouts und Screamings und Gitarrenriffs. Alles ist irgendwie gleich. Und als mir das so bewusst wurde, habe ich gemerkt, dass es doch mal wieder Zeit für uns wäre, etwas zu veröffentlichen. Etwas was den Leuten anderes liefert.

Waren denn alle gleich von deiner Idee begeistert, die Band wieder zurückzuholen?

Das war echt einfach. Das ging per Gruppenchat. Haha. Ich war im Studio und habe für die anderen so ein kleines Video aufgenommen, auf denen die ersten Töne eines neuen Tracks zuhören waren. Und dann habe ich allen geschrieben: „Was meint ihr, ist es Zeit für was Neues?“ Und alle sofort: „Yeah. Lass uns das machen.“ Also es war nicht wirklich schwer, alle on board zu holen. Es brauchte nur eine Textnachricht (lacht).

Also hat alles gerade für euch zur richtigen Zeit gepasst?

Ja genau. Wir haben natürlich immer mal wieder Angebote für große Shows bekommen. Aber das fühlte sich nicht richtig an. Ich wollte das hier nur, wenn alle dabei sein, wenn alle auch wirklich Lust darauf haben. Ohne jeglichen Druck.

Wie waren denn die letzten Wochen mit BLEEDING THROUGH?

Die Aufnahmen waren echt entspannt. Wir haben hier in Orange County/ Kalifornien ein kleines, familäres Aufnahmestudio. Da haben wir uns in Ruhe zusammen gesetzt. Weisst du, die Leute wollen immer wissen, was für Songs einen bei den Aufnahmen inspiriert haben und so. Aber um ehrlich zu sein, haben wir in der Zeit sehr viel die alten BLEENDING THROUGH-Sachen gehört. Aber das einfach um zu sehen, was für Stücke oder Elemente man immer noch geil findet. So in etwa: „Hey den Teil mag ich. Die Vibes fand ich gut. So eine Hook ist gut.“ Einfach, um zusehen, was von damals können wir mitnehmen und weiter entwickeln. Das hat jede Menge Spaß gemacht.

Eure neue Platte fühlt sich in etwa so an, als hättet ihr lange Zeit etwas im dunklen Keller eingesperrt und nun darf es endlich ins Licht. Das Ganze ist sehr verspielt und dennoch dramatisch und aggressiv.

Genau das. Sehr gut. Als wir damals „The Great Fire“ aufnahmen, wussten wir alle, das es das letzte Album sein wird. Jahre später haben wir uns über darüber unterhalten und von allen Seiten kam das Gefühl auf, dass man noch soviel mehr hätte machen können, das halt noch ganz viele Ideen vorhanden waren und sind. Es fühlt sich an, als hätten wir noch einiges an Öl im Motor zurückgelassen, das jetzt bei „Love Will Kill All“ benutzt wird.

Im Song „Cold World“ lautet die Textzeile: „Over and over again you will see. You end up like this.“ An wen richten sich diese Zeilen?

Oh, das ist sogar irgendwie an mich selber gerichtet. Das ist etwas merkwürdig, ich weiß. Ich versuche es dir zu erklären. Viele der Songs sind quasi wie ein Spiegel, in dem ich mich selbst betrachte. Und in „Cold World“ geht es in etwa darum, dass ich mir in den letzten 15 Jahren mit BLEEDING THROUGH viel zu sehr einen Kopf darum gemacht habe, was andere von mir und meiner Band halten oder denken. Du versuchst einfach ständig perfekt für wen auch immer zu sein, aber am Ende bleibt es so wie es ist. Es ist und bleibt eine kalte Welt („Cold World“) und du musst anfangen, dich einfach auf dich zu konzentrieren und darauf, was dir selber gut tut. Wenn du nur für andere lebst oder nur darauf achtest,was andere von dir halten, dann wirst du dich selber verlieren. Dieser Song ist ein Statement, eine Art mich immer wieder daran zu erinnern, ich selber zu sein. Wir alle müsse mehr wir selber sein. Darauf kommt es am Ende an. Auf die Einzigartigkeit.

Was macht „Love Will Kill You All“ denn einzigartig? Was macht ihr anders?

Ehrlich gesagt: Jetzt in dem Moment wollten wir alle diese Platte, wir sind komplett darauf eingestiegen. 120 %. Selbst, wenn jetzt jemand der Meinung ist, dass diese Platte nichts taugt, dann ist es uns egal. Denn wir haben, dass gemacht, was uns gefällt und ich glaube das ist genau das Richtige. Wenn du selber mit deiner Arbeit zufrieden bist, transportierst du das wiederum nach außen. Wir sind an die Sache relativ locker herangegangen. Das war früher natürlich auch alles anders. Natürlich haben wir uns da beeinflussen lassen und uns sicherlich auch in ein Muster pressen lassen. Heute sind alle in der Band happy und haben ihr Leben und ihren Platz gefunden. Wir mussten diese Platte nicht machen, wir wollten diese Platte machen. Das ist der Unterschied und ich glaube das hört man auch.

Ihr nennt die Platte „Love Will Kill All“. Das klingt in erster Linie erstmal negativ. Obwohl wir doch mehr Respekt und Liebe brauchen.

Haha. Da gebe ich dir absolut Recht. In diesem Fall meinen wir eher die Tatsache, dass Liebe einfach alles kann. Es verändert alles. Herzschmerz,Verlust von Liebe, Trennungen, das kennen wir alle und natürlich tut das weh. Aber gleichzeitig kann Liebe alles wieder gut machen, alles wieder heilen. Poetisch gesehen. Du musst dich genau auf so etwas konzentrieren. Für uns gerade bedeutet das, dass die Band zusammen sein kann, und Musik zusammen machen kann. Das relativiert einiges für jeden einzelnen von uns. Musik kann das bewirken, kann für dich ein sicherer Ort sein, an dem du dich flüchten kannst. Das ist Liebe, wenn das da ist, dann ist der Rest nicht mehr ganz so schlimm.

Habt ihr bei den Arbeiten an „Love Will Kill All“ denn generell darauf geachtet, wie damals zu klingen, um eure alten Fans wieder abzuholen?

Ich gebe zu: Ich war und bin nicht der beste Sänger. Kennst du das, du hörst ein Album und der Sänger hört sich fantastisch an und dann siehst du ihn live on stage und es hört sich überhaupt nicht mehr so an, wie auf den Aufnahmen? Das mag ich gar nicht. Deshalb achte ich darauf, dass wir Tracks haben, bei denen ich auch sicher bin, dass ich sie genauso auf der Bühne performen und wieder geben kann. Da muss ich auch ehrlich zu mir selber sein, dass stimmlich einfach nicht alles drin ist bei mir.

So schlecht bist du nun auch wieder nicht.

(lacht) Haha. Danke. Gut zu wissen.

Was halten BLEEDING THROUGH denn alles für die Zukunft bereit?

Wir schauen uns gerade um und suchen nach Möglichkeiten eventuell bei einigen Festivals dieses Jahr in Europa zu spielen. Wir werden jetzt nicht verbissen versuchen zu touren, eine lange und ausgedehnte Tour ist alleine schon wegen unserer Vollzeitjobs gar nicht so einfach. Aber wir sind aktiv dabei und schauen, wie wir das alles realisieren können. Mal sehen, was da alles so kommt.

So Brandan, das war es auch schon. Ich danke dir. Die letzten Sätze überlasse ich dir.

In den letzten 15 Jahren war BLEEDING THROUGH eine Band, die immer alles gegeben hat. Und ich möchte die Gelegenheit nutzen allen da draußen, die die ganze Zeit da waren und uns unterstützt haben, zu sagen, dass wir weiterhin alles tun werden,um euch all das zurück zugeben. Wir lieben unsere Fans wirklich. Ohne sie wären wir nichts und ich merke das an jedem einzelnen Tag. Danke an euch.

 

Quelle: Brandan Schieppati
28.05.2018

It`s all about the he said, she said bullshit.

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