Conjurer
"Ein Abend mit fünf Death-Metal-Bands hintereinander und auch in den Umbaupausen Death Metal kann ganz schön anstrengend werden"

Interview

CONJURER sind die Band der Stunde, bzw. der Pandemiejahre, so scheint es. Wir sind nicht ganz so pünktlich, ist das neue Werk „Páthos“ doch schon seit Anfang Juli draußen. Ihr Debüt „Mire“ hat um 2018 eine kleine Explosion im Untergrund ausgelöst. Nach energiegeladenen Shows und interessanten Splitbeiträgen hat mit Nuclear Blast für das neue Album „Páthos“ gleich ein dicker Fisch angebissen. Bassist Conor Marshall erzählt über Soundentscheidungen, die erste große Tour seit Corona und vieles mehr. Viel Spaß!

metal.de: Glückwunsch zunächst einmal zum Release von „Páthos“! Die gute Nachricht ist, dass Fans wie Presse das Album ziemlich mögen, die traurige Nachricht, dass dies das letzte Album mit euerem langjährigen Schlagzeuger Jan Krause ist, der euch vor kurzem verlassen hat. Welcher Gentleman wird also seinen Posten in Zukunft ausfüllen?

Ja, das stimmt, Jan ist leider nicht mehr bei uns. Noah See, der auch schon die letzten Liveshows mit uns gespielt hat, wird ihn ersetzen. Er ist schon seit letztem Jahr November mit dabei und hat auch auf der Tour mit CELESTE in Europa mit uns zusammen gespielt. Da hat er für Jan ausgeholfen, der zeitlich verhindert war und zu diesem Zeitpunkt hat Jan uns auch noch gar nicht mitgeteilt, dass er uns verlassen würde. Also haben wir ihn schon gut kennen lernen können. Als Jan uns dann eröffnet hat, dass er uns verlassen würde, war Noah die logische Schlussfolgerung. Wir haben zwar so halboffiziell Auditions abgehalten, aber eigentlich war es schon klar und nur noch Formsache. Er kannte die Songs, hat live mit uns gespielt, wir kannten und verstanden uns super. Noah spielt auch in einer Band namens POLAR, die mehr Richtung Hardcore/Metalcore gehen und wir kannten ihn schon bereits vor den Liveaktivitäten. Das hat definitiv für einen relativ unproblematischen Übergang sehr geholfen.

metal.de: Wo wir gerade beim Thema Touren sind, korrigier mich wenn ich falsch liege, aber die Europatour mit CELESTE war für euch die erste große Tour nach der Pandemie, habt ihr sonst vereinzelt Shows oder Festivals gespielt oder war auch für euch das Bloodstock 2021 der erste große Auftritt?

Wir hatten ein Festival davor, das Download. Es war ein wenig ein Test, hier in England um festzustellen, ob Festivals nach Corona wieder gut anlaufen können. Es gab eine limitierte Kapazität von zehntausend Leuten, man musste getestet sein, es wurde von der Regierung unterstützt und begleitet und so weiter. Das haben wir noch vor dem Bloodstock gespielt, was quasi das erste „richtige“ Festival war. Wir hatten echt Glück, denn nicht nicht jede Band hatte solche Gelegenheiten. Aber sonst hast du Recht, es war die erste große Tour für uns zusammen mit CELESTE im Frühjahr.

metal.de: Wie war es zurück auf Tour zu sein? Nach dem was ich so wahrnehme sind die Anfänge etwas verhaltener, es trauen sich vielleicht noch nicht so viele Leute raus. Hattet ihr volles Haus, waren die Leute enthusiastisch oder war noch ein wenig Müdigkeit zu spüren?

Ja, das war definitiv ein wenig zu spüren und ich kann das auch verstehen. Manche Leute haben vielleicht Tickets gekauft, saßen zwei, drei Jahre darauf und irgendwann verlässt einen dann die Lust oder andere haben vielleicht Angst schon wieder rauszugehen. Aber bis auf ein, zwei Shows wo kaum Leute da waren fand ich die Besucherzahlen überraschend gut. Vor allem natürlich in den größeren Städten und es war eine coole Tour. Es hat sich gut angefühlt wieder draußen zu sein und ehrlicherweise wären wir auch mit einer mehr schlechten als rechten Tour zufrieden gewesen, daher umso schöner, dass es wirklich eine gute Tour geworden ist und wir positiv überrascht worden sind. CELESTE sind eine tolle Band und fantastische Menschen, also war es keine Qual einen Monat lang im Tourbus gemeinsam durch Europa zu fahren (lacht).

Wir haben tolle Shows gespielt, neue interessante Menschen kennen gelernt, also alles super. Teilweise war es so, dass einige Besucher sogar extra angefeuert waren, da es die erste Show für sie in über zwei Jahren war. Also war das eigentlich ein positiver Aspekt, obwohl wir uns natürlich alle gewünscht hätten, nicht zwei Jahre darauf verzichten zu müssen. Es war eigentlich alles super, die Shows hätten vielleicht wieder kurzfristig abgesagt werden müssen wegen Regularien, weil jemand in der Band COVID bekommen hätte oder sonst welchen Gründen, aber es hat alles geklappt.

metal.de: Super zu hören! Wie war es verglichen mit einem Festivalsetting wie dem Bloodstock?

Das Feedback war echt gut und cool, wir mögen auch die großen Festivals wie Bloodstock. Das ist früher als Kind immer das, dem du am meisten entgegen fieberst, was so der Musikertraum ist, aber ich denke wir sind eher eine Indoor-Show-Band. Kleine, intime Shows in Clubs sind natürlicher für uns und die Rezeption war auch sehr gut. Die großen Festivals waren toll, verstehe mich nicht falsch, aber es hat sich ein bisschen falsch angefühlt mit der Pandemie und allem drum herum. Du hast nicht den direkten Kontakt mit den Fans, stehst vor tausenden von Leuten, ist ein wenig anonymer. Aber die Tour mit CELESTE ist exakt die Umgebung, in der wir als Band am meisten liefern können.

metal.de: Es ist interessant, denn ich hatte mehr oder weniger ein ähnliches Gespräch mit Ash Gray von VENOM PRISON, der sagte, dass in der Band genau das Gegenteil der Fall war. Angesichts der Pandemie, vorsichtigen Besuchern und so weiter wäre vielleicht mit weniger enthusiastischen Bandmitgliedern zu rechnen gewesen, aber er sagte, dass alle ziemliches Feuer gefangen hatten.

Ja, es ist ein bisschen was von beidem. Wir hatten definitiv die Nerven das ein oder andere mal flattern und mussten uns ein wenig anders vorbereiten wegen der Pandemie, was die ersten Shows ein klein wenig schwer und auch komisch machte. Aber wie Ash schon dann scheinbar sagte, was wir einfach lieben, was der Grund für uns alle ist in einer Band zu sein, ist live zu spielen und raus zu gehen. Und das zwei Jahre lang  nicht tun zu können hat schon geschmerzt. Nachdem der Knoten nach den ersten Shows dann ein wenig gelöst war, hat es sich definitiv wieder fantastisch angefühlt. Du gehst raus und probierst 100% zu geben, da du diese verlorenen Jahre irgendwie wieder raus holen möchtest (lacht).

metal.de: Es war natürlich auch eine tolle Gelegenheit, neue Songs vorzustellen.

Ja, vor der Pandemie haben wir uns eigentlich geschworen keine neuen Songs zu spielen ehe das Album draußen ist, aber wegen den zwei Jahre Pause haben wir nach einem überlegten Blick auf unsere Setlist uns doch dazu entschieden, ein wenig mehr Material mit hinein zu nehmen. Einfach um es ein wenig neu und frisch auch für uns selber in der Band zu halten, gar nicht so sehr um das neue Album vorzustellen. „It Dwells“ war der erste Song, den wir tatsächlich auf jeder Show nach der Pandemie bisher gespielt haben und auf der Tour mit Celeste haben wir dann „Rot“ dazu gepackt. Die neuen Songs waren ein guter Grund dafür, gespannt zu sein wieder auf Tour zu gehen. Es ist nicht so, dass wir unsere alten Songs nicht mehr mögen, wir spielen sie immer noch gerne, aber es gibt einen kleinen extra Kick, wenn frisches Material den Livetest bestehen muss.

metal.de: Etwas was ihr tut und das ich sehr toll und nachahmenswert finde, ist das Veröffentlichen der kompletten Transkriptionen eurer Songs. Für Gitarre und Bass habt ihr das bei „Mire“ gemacht. Gibt es Pläne, das auch für „Páthos“ zu wiederholen?

Ich glaube sogar, dass wir alles transkribiert haben, die Schlagzeugspuren sollten auch mit dabei sein. Für „Páthos“ ist das auch geplant, wir wissen nur noch nicht wann. Wir wollten es ursprünglich zusammen mit dem Album heraus bringen, aber haben uns dann doch dagegen entschieden. Aber ja, das machen wir gerne, denn wir schreiben schon ständig in GuitarPro für unser Songwriting und es ist so oder so da, also warum nicht teilen? Deshalb haben wir es auch für PWYW (Pay what you want – Anm. d. Redaktion) auf unserer Bandcampseite. Wir haben kurz darüber nachgedacht, ob wir es vielleicht verheften und bei irgendeinem Verlag herausbringen sollten, aber warum? Wir lernen die Parts selber so. Wenn ich einen Basspart geschickt bekomme den wer anders geschrieben hat, mache ich das auch mit Guitarpro. Und es ist ein leichtes, das dann zu bündeln und allen zur Verfügung zu stellen. Manche zahlen dann einen Cent und manche etwas mehr, das ist vollkommen in Ordnung für uns, macht was immer ihr möchtet. Wir hatten weder hohe Kosten noch großen Mehraufwand deswegen, deshalb PWYW.

metal.de: Toll, dass ihr das macht! Häufig werden Bands ja von Fans gefragt oder es kommt ein Playthroughvideo auf Youtube oder was auch immer, daher die Frage: War das eine Idee von euch oder wurde das quasi von außen an euch  heran getragen?

Ja, du hast Recht, solche Fragen kommen definitiv immer mal wieder rein: „Welches Tuning spielt ihr?“ oder „Hast du Tabs für diesen Song?“. Es kam nicht häufig vor bei uns, aber immer mal wieder und früher oder später hätten wir dem Drängen wahrscheinlich nachgegeben, aber die Idee kam definitiv von uns ausgehend, denn wir hatten die Tabs ja eh schon, warum dann nicht rausgeben? Und es ist immer cool, wenn du ein Cover von deiner eigenen Band auf Youtube entdeckst. Die Leute scheinen sie zu kaufen und zu mögen, also ja, alles gut!

metal.de: Es passt wundervoll zu eurer kleinen Beschreibung auf Bandcamp –  „UK RIFF MUSIC“ – , daher vielleicht die Frage an dich, was ein gutes Riff ausmacht?

Niemand bei uns in der Band ist wirklich musiktheoretisch irgendwie begnadet, wir können alle natürlich ein wenig und nutzen das vielleicht, aber uns geht es immer erst ums Gefühl und wenn du das spürst, ist es für mich ein gutes Riff. Alles was wir tun ist gefühlsbasiert, wenn du ein gutes Riff hörst und sich dein Ausdruck verändert, vielleicht zu dem typischen „Stank-Face“, dann weißt du, es ist ein gutes Riff. Das einzige was wir  beim Spielen einer Show wollen ist in die Menschenmenge zu blicken und zu sehen, wie alle bei einem bestimmten Riff abgehen, also eine Reaktion zu bekommen. Wenn ein Riff dich etwas fühlen lässt oder du eine wie auch immer geartete Reaktion darauf hast, es kann auch Traurigkeit sein oder Fröhlichkeit, dann ist es ein gutes Riff für mich.

metal.de: Ihr habt definitiv einen sehr eigenen und ich würde sagen, auch schwermütigen Vibe in eurer Musik. „Mire“ war schon sehr düster, desolat, aber auch ziemlich heavy. Das neueste Album hat ein wenig mehr Diversität und auch Entschleunigung, aber es brodelt definitiv immer noch etwas unter der Oberfläche. Mir persönlich hat diese Öffnung im Sound sehr gefallen, es gibt aber natürlich wahrscheinlich auch Fans, die eher die „schwere“ Seite von „Mire“ bevorzugen. Was ist die wichtigste Komponente für euch dabei, diesen sehr distinkten Sound zu bekommen? Du hörst kurz rein in einen Song und weißt eigentlich nach ein paar Sekunden: Ja, das sind CONJURER.

Das ist etwas, worüber ich nie nachgedacht habe, denn wir sitzen beim Songschreiben nicht wirklich herum und überlegen uns, wie etwas klingen muss oder ob das nach uns klingt oder nicht. Es kommt ziemlich natürlich aus uns. Und das finale Produkt ist quasi der Kompromiss aus uns allen Vieren, was wir alle mögen. Die Art und Weise wie wir schreiben und was wir selber mögen hat auch ein wenig etwas damit zu tun, dass wir sehr langsam sind beim Produzieren neuer Alben, denn wenn nicht alle von uns dahinter stehen oder wir Ideen noch einmal und noch einmal durchkauen muss das solange passieren bis alle zufrieden sind. Das ist manchmal ziemlich hart, aber ich denke daher kommt auch unser Sound. Dan, unser Gitarrist und Sänger, ist ein wenig unser Hauptsongwriter, daher würde ich sagen das Hauptfeeling und wie unsere Songs klingen kommt durch ihn zustande. Das ist einfach, wie er schreibt. Aber es ist natürlich auch durch uns beeinflusst. Wie höre ich ein Riff, wie hat Jan ein Riff gehört und interpretiert und dazu dann Drumparts probiert und so weiter.

Wir gehen dann alle gemeinsam durch diesen Prozess. Ein Song ist nicht fertig ehe alle von uns zufrieden oder zumindest nicht alle total abgeneigt sind. Der CONJURER-Sound kommt durch diesen Prozess. Dan ist zwar Hauptsongschreiber, aber wir alle geben unseren Senf dazu. Es klingt nach uns, weil es wir SIND. Es ist nicht einfach eine Bande von Musikern, die die Ideen eines einzelnen Hauptsongschreibers verwirklichen. Alle hatten einen Input auf ein Riff oder einen Song, auch wenn wir nicht alle daran geschrieben haben. Ich und Brady schreiben sehr viel weniger, aber kommen auch mit eigenen Ideen an und probieren an kleinen Stellschrauben zu drehen. METALLICA klingen wie METALLICA wahrscheinlich wegen James und Lars und Kirk wird wahrscheinlich auch noch ein wenig mitzureden haben, auch wenn er nicht so direkt involviert ist. Aber ja, der Punkt ist, wir klingen wie wir, weil wir alle die Band sind, falls das irgendwie Sinn macht.

metal.de: Als ihr mit dem Schreiben oder Ideen sammeln zu „Páthos“ angefangen habt, gab es irgendein Ziel oder eine Herangehensweise, habt ihr euch irgendwelche Herausforderungen gesteckt oder so?

Ja, wir wollten uns definitiv ein wenig herausfordern, das einzige Ziel das wir uns gesetzt haben war eigentlich uns nicht zu wiederholen und ein zweites „Mire“ zu schreiben. Also wir wollten schon ein wenig mehr experimentieren. Aber das war eigentlich auch schon das einzige Ziel. Niemand hat sich selber irgendwelche Ziele gesetzt im Sinne von ich muss unbedingt dieses Arpeggio spielen oder ich muss noch besser spielen können oder meine Schlagzeugparts müssen noch schneller werden. Es ist eher die Art, ständig daran zu denken, nach was der Song verlangt.

Also wenn der Song nach einem langsameren oder ruhigeren Part verlangt, kommt er mit hinein. Oder anders, wenn er nach einem krassen Drumfill verlangt, dann hat Jan eins eingebaut. Aber nicht im Sinne von der Song braucht einen krassen Schlagzeugpart, sondern eher hier passt ein krasser Schlagzeug. Wir wollten also neue Gebiete auskundschaften. Wir sind immer noch heavy wie auf „Mire“, wollten aber ein wenig mehr die Atmosphäre und die musikalischen Ideen ausreizen anstatt „nur“ heavy Riffs zu haben.

metal.de: Ich finde gerade die Rhythmusgruppe scheint ziemlich, also die Parts, wo nur du zusammen mit Jan zu hören bist oder die Gitarren ein wenig im Hintergrund sind, tragen auch wegen dem tollen Sound einfach ungeheuer viel zu eurer Musik bei. Gab es irgendetwas, was ihr verglichen mit „Mire“ anders gemacht habt? „Mire“ habt ihr ja alleine produziert und jetzt für „Páthos“ mit Will Putney zusammen gearbeitet, trotzdem hat sich der Sound nicht wahnsinnig verändert, nur in kleinen Nuancen. Lag das an den kleinen „finishing touches“ von Will oder war das so geplant?

Es ist ein bisschen was von beidem. Wir haben speziell mit Will zusammen gearbeitet, da wir seine Arbeit und wie seine produzierten Alben klingen sehr mögen. Wir wussten, wie wir verglichen mit „Mire“ klingen wollten. Es ist nicht so, dass wir den Sound von „Mire“ nicht mögen, aber wir wollten einen verschiedenen Sound zu „Mire“ und mochten Wills Sound und wussten, dass er eine der besten Adressen dafür wäre. Vor allem, da er einen Liveauftritt von Kerrang! auf unserer Nordamerikatour 2019 für uns gemixt hat, der dürfte auch auf Youtube zu finden sein. Zu dem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass er die Audiospur vom Video gemixt hatte.

Aber wir haben das Video gefunden und so wollten wir klingen oder so sollte unser Album klingen: Wie unser Livesound, nur ein wenig „polierter“. Der ursprüngliche Plan war es, alles bei Will in seinem Studio aufzunehmen und zu ihm zu fliegen, er hat fantastisches Equipment und Bedingungen, aber dann hat uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Also haben wir alles bei uns selber aufgenommen und ihm dann rübergeschickt. Was du sagtest hinsichtlich der eher stilleren Parts wo nur Bass und Schlagzeug zu hören ist, ich betone noch einmal, das hat sich einfach so natürlich ergeben.

Wir sind nicht extra hingegangen und haben uns überlegt „hier muss der Song noch einen Bass- und Schlagzeugpart“ haben. Ich denke es kommt einfach davon, wie Jan komponiert, oft muss ich bei seinen Bassparts gar nichts mehr justieren oder verändern, das meiste spiele ich einfach nach. Was den Sound angeht, wir haben tatsächlich gegenüber „Mire“ nicht viel verändert. Und wie du schon sagtest, Will hat seine „finishing touches“ hineingebracht und deshalb klingt „Páthos“ so, wie es klingt.

Und ich denke wir haben ein bisschen mehr Zeit mit Details verbracht, am Ton gearbeitet, Effekten, Mikrofonpositionierung, diese ganzen kleinen Handgriffe, die sich letztlich auf den Sound auswirken. Wie du schon sagtest, auf „Mire“ gab es solche Parts auch schon, aber noch nicht ganz so ausgereizt, es war mehr auf die Zwölf und nach vorne raus, dieses mal haben wir uns mehr um einen besseren Sound bemüht, eben weil wir viel mehr von diesen ruhigen Parts mit drin hatten, da fällt das eher auf. Also das war die einzige bewusste Entscheidung von uns und den Rest verdanken wir Will Putney, er hat einen fantastischen Job gemacht.

metal.de: Dem würde ich zustimmen. Könnt ihr eigentlich verraten, wie ihr so einen brutalen Sound hinbekommt oder ist das Betriebsgeheimnis?

Nein, nicht wirklich (lacht). Es ist interessant, denn normalerweise nimmst du in ein Studio deine eigenen Gitarren, Amps und so weiter mit, aber wir wollten ursprünglich ja zu Will rüber fliegen und in seinem Studio aufnehmen, er hat ja Top Equipment. Aber weil wir das nicht tun konnten und wieder selber aufnehmen mussten, ist da kein großes Geheimnis. Was du auf dem Album hörst ist unsere Hardware, die wir auch live verwenden und die eben eigentlich genauso klingt. Es gibt kein Geheimnis, es ist einfach unser Equipment. Wir haben auch unseren FOH-Mann der live unseren Sound macht ebenfalls mit während der Produktion dazu genommen und er hat uns auch beim Recorden geholfen, also die Kabinette mikrofoniert und so weiter, denn er weiß wir live klingen wollen und verpasst uns immer unseren Sound, also ist das auch ein wenig sein Verdienst wahrscheinlich.

metal.de: Ich weiß nicht ob du so Sounddiskussionen überhaupt verfolgst, aber häufig ist in Kommentaren ja von zu „cleaner“ Produktion oder so zu lesen, zu artifiziell, gern auch mit dem Wechsel zu größeren Labels verbunden oder begründet. Daher hab ich mich einfach bei diesem massiven Sound gefragt, was dahinter steckt und wie du sagtest, gibt es da wenig „Magic“, eher harte Arbeit in Form von Mikrofonierung und so weiter.

Ich hab ebenfalls dieselbe Kritik auch bei Wills Band schon gelesen, habe aber gleichzeitig auch etwa auf Youtube Aufnahmen zu den Alben gesehen und weiß, dass er versucht seine Drums etwa ziemlich natürlich zu produzieren, aber komischerweise klingt das für andere Leute scheinbar eher künstlich. Vielleicht liegt es auch an meinen eigenen komischen Ohren.

Jan und Will hatten ungefähr eine Woche, wo es hoch zwischen ihnen her ging per Mail, bevor der Rest von uns in den Mixingprozess eingestiegen ist, denn Jan hat natürlich alles live aufgenommen. Das war der schwierigste Part und der Raum in dem du aufnimmst spielt natürlich auch eine große Rolle. Ich weiß nicht aus technischer Sicht wie viel Samples mit drin stecken oder andere Details, ich weiß nur, dass eine Menge Arbeit hineingeflossen ist in den Sound, ob die Leute ihn nun mögen oder nicht (lacht). Es ist definitiv nicht alles nur MIDI. Es interessiert mich nicht ob Leute denken es klingt zu getriggert oder nicht natürlich genug oder sonst wie. Ich weiß nur, Jan hat alles selber eingespielt und es wurde viel Arbeit hineingesteckt.

metal.de: Ihr seid musikalisch natürlich auch ziemlich vom Hardcore beeinflusst. Seht ihr euch auch szenezugehörig oder spielt die Unterscheidung zwischen Metal und Hardcore für euch keine so große Rolle?

Wir haben wahrscheinlich mehr Shows im Metalkontext als im Hardcorekontext gespielt, aber was mir an dieser Band sehr gefällt ist die stilistische Vielfalt, es ist schwer uns zuzuordnen und das macht es praktisch, uns quasi in die unterschiedlichsten Tourpakete oder Festivals zu „schummeln“. Wir können gut zwischen einer Doomband spielen, aber auch auf einem Hardcorefestival oder gemeinsam mit einer Stonerband, da wir irgendwie zu allem ein wenig eine Verbindung haben. Als wir zu „Mire“ getourt sind, haben wir das ein wenig ausgenutzt. Vielleicht schwankt es mehr zu einer oder der anderen Seite, wir sind natürlich auch alle mit Hardcorebands und auch Shows aufgewachsen, aber natürlich genauso eben mit Metal.

Wir probieren uns nicht speziell in einer Szene positionieren, wir mögen beides ganz gerne und ich finde es toll, dass wir einfach diverse Anknüpfungspunkte haben. Wir mögen all diese Genre- und Labeldiskussionen eh nicht wirklich, da wir denken, dass sie künstliche Grenzen ziehen, die eigentlich gar nicht da sind. Es gibt natürlich Bands deren Standing ist, wir spielen Death Metal und uns kommt nichts anderes in die Tüte was sowohl Sound als auch Tourangebote und so weiter geht und das ist auch ok, aber wir haben so viele Einflüsse und Vorlieben, dass das bei uns gar nicht zur Diskussion steht. Genauso wie es schwer ist uns auf dem Album stilistisch einzusortieren sollte es auch sein uns einer Szene zuzuordnen. Wir mögen es, vielleicht auf eine Tour mit einem kompletten Death-Metal-Package gehen zu können und so ganz neue Zuschauer zu erreichen und dann wieder mit einer Post-Hardcore-Band zu touren oder so. Klar, du magst als Band natürlich ein wenig herausstechen, aber das ist vielleicht auch ein Bonus, da Leute so eher auf dich aufmerksam werden.

Es reflektiert auch uns als Personen, wir mögen und hören ganz unterschiedliches Zeug, auch wenn wir selber zu Shows gehen. Ein Abend mit fünf Death-Metal-Bands hintereinander und auch in den Umbaupausen Death Metal kann schnell ganz schön anstrengend werden. Wir mögen Abwechslung und finden es super, auf verschiedene Festivals zu gehen, mit unterschiedlichen Bands zu spielen und so weiter.

metal.de: Du bearbeitest ja auch den Tieftöner bei SYLOSIS, also wie wird das in Zukunft für dich sein, wenn es live wieder los geht? Du kannst dich ja schlecht teilen.

Es ist bereits jetzt schon ziemlich kompliziert, es erfordert eine Menge Organisation von deinem Kalender. Es liegt nicht nur an mir, der Schlagzeuger Ali spielt ja auch noch bei BLEED FROM WITHIN etwa, also man muss mehrere Personen mit mehreren Bands koordinieren. Josh ist mit ARCHITECTS natürlich involviert, die ja logischerweise ein größerer Deal sind wie SYLOSIS in Sachen Bekanntheitsgrad, also ist auch das etwas kompliziert. Bislang gab es noch keine Überschneidungen, aber mal schauen wie das in Zukunft wird. Nach dem „Comeback“ von SYLOSIS im Frühjahr 2020 war es ja erst mal ziemlich still, dann kam Corona und nun müssen wir uns langsam wieder nach vorne kämpfen wie alle anderen auch.

Aber ich denke alle anderen Bands haben momentan Priorität über SYLOSIS und wenn wir irgendwo Zeit freigeschaufelt haben, können wir uns wieder dem widmen. Es gibt durchaus Pläne für ein neues Album und auch Touren, aber noch nichts konkretes. Es war auch schon beim Eintritt in die Band so dass jeder wusste, ich bin und bleibe in CONJURER und das ist meine Hauptbeschäftigung. Und ähnlich sieht es eben auch für alle anderen bei SYLOSIS aus. Und demensprechend sehen alle in der Band das entspannt, denn bei Ihnen selber ist das nicht anders. Es ist immer noch ein wenig komisch, ich bin technisch gesehen jetzt drei Jahre Bassist und wir haben nur eine Show gespielt (lacht). Aber hoffentlich können wir bald ein neues Album produzieren und dann Touren mit SYLOSIS.

Für Josh ist es auch ein wenig einfacher als Vollzeitmusiker wieder zu starten im Gegensatz zu mir, denn ich hab noch einen „normalen Job“, meine Frau und so weiter, es wird wahrscheinlich eher am Rest der Band liegen, die übrigen Verpflichtungen zeitlich irgendwie zu regeln.

metal.de: Wenn du irgendwas in der Musikindustrie ändern könntest, was wäre das?

Das ist eine harte Frage, es gibt einige Dinge. Das soll nun nicht nach Meckern klingen, denn wir haben mit einem Album schon so viel mehr erreicht als wir uns je vorzustellen gewagt hätten, bevor es jetzt mit „Pathos“ erneut Wellen geschlagen hat, daher leben wir quasi gerade den Traum, aber natürlich gibt es einige Punkte wie den finanziellen Aspekt. Es wird viel gestreamt, davon bleibt aber wenig bei den Künstlern hängen. Dabei geht es mir gar nicht so sehr um das Geld selbst, wir machen das hier nicht wegen Geld, aber wenn du mehr verdienen würdest, wärst du vielleicht nicht mehr auf deine tägliche Arbeit angewiesen und das wäre ziemlich angenehm. Und das würde die Band verbessern, denn wir könnten mehr Zeit mit allem möglichen verbringen, mehr touren, schneller Alben heraus bringen und so weiter.

Dann ein anderer Aspekt, der glaube ich unterschiedlich von Leuten bewertet wird, denn manche Künstler mögen es, andere nicht und das ist der „Konsumaspekt“ der Musik. Es geht heute nicht mehr nur um die Musik, sondern auch um den Look, bist du auch auf TikTok, solche Fragen. Wenn dich als Band dieser ganze Zirkus nicht interessiert mag das deinem Bekanntheitsgrad schaden. Es hört sich sich nach Klischee an, aber ich persönlich würde mir wünschen, wir würden uns wieder ein wenig mehr auf die Musik an sich konzentrieren und weniger auf das Drumherum. Ich mag Social Media und betreue zusammen mit Brady unsere Kanäle für CONJURER und scrolle selber den halben Tag durch mein Telefon, aber ich denke es nimmt heutzutage zu viel Platz ein. Im Metal ist das vielleicht noch nicht ganz so ausgeprägt, aber man sieht es bei Popkünstlern oder Hip Hop wo es nur noch um Singles und Social Media Content geht. Das wären die zwei Dinge die mich wahrscheinlich am meisten aufregen.

Es ist ein zweischneidiges Schwert. Denn so sehr ich hier über Streaming oder Social Media meckere, so sehr bin ich natürlich mit schuldig, denn ich nutze es ja selber. Als Konsument ist es ein Schlaraffenland, ich kann so viel Musik hören wie ich will mit ein paar Klicks in meiner Hosentasche, früher musste ich noch einzelne CDs kaufen, als Produzent dieser Musik ist diese Entwicklung eher schlecht.

metal.de: Da gibt es sicher Vor- und Nachteile. Deshalb gehen heute viele Bands ja auch vermehrt ins Netz um da eigene Strukturen aufzubauen oder sich zu finanzieren, ich erinnere mich an eine GoFundMe-Kampagne von NE OBLIVISCARIS für ein Album, Bands wie SPIRITBOX oder KARDASHEV nutzen das Internet und die Interaktion mit den Fans auch sehr gezielt für sich zu verstärken. Siehst du in solchen Vorgängen gute Alternativkonzepte?

Wie du schon sagtest, es gibt Vor- und Nachteile, auch als Fan ist das natürlich eine super Gelegenheit, seine Lieblingsbands zu unterstützen. Wir sind natürlich auch als Band selber immer noch große Fans von anderen Bands. Die Möglichkeit immer näher an einem Künstler zu sein ist einerseits gut, es gibt viel mehr Einblicke hinter die Kulissen, die Musik ist inklusiver. Wir Musiker sind immer noch normale Menschen mit Träumen, also dass eine Band wie SPIRITBOX so explodiert ist fantastisch! Wenn die also erfolgreich werden mit ihren Träumen ist das super. Aber es ist auf der anderen Seite glaube ich dieser Forderungsdrang auf Fanseite. Wenn SPIRITBOX sich entscheiden würden, zwei Jahre Pause zu nehmen zum Schreiben und wieder runterkommen könnte sie das ziemlich was kosten an Bekanntheit, Verkäufen und so weiter.

metal.de: Würdest du sagen, dass viele Fans auch vielleicht eine zu romantisierte Vorstellung vom Bandleben haben? Was würdest du sagen ist der nervigste Aspekt daran, in einer Band aktiv zu sein?

Was mich am meisten stresst ist dieser Balance-Aspekt mit dem „normalen Leben“. Da bin ich vorhin ja schon drauf eingegangen, wenn ich es mir leisten könnte würde ich meinen Job kündigen und Vollzeit Musik machen, aber das geht eben nicht. Jedes Tourangebot das wir bekommen, muss ich erst einmal mit meinem Boss besprechen und Urlaub dafür nehmen. Das ist definitiv der nervigste Aspekt, denn das würde bedeuten, ich muss vielleicht fantastische Möglichkeiten für die Band hinten anstellen, da ich keinen Urlaub bekomme. Der Rest der Band hat zum Beispiel ohne mich ein Festival in Tasmanien gespielt, was ich natürlich verpasst habe und dadurch diese Erfahrung nicht machen konnte. Das kann schon sehr frustrierend sein.

Wir haben alle natürlich auch Partner, Ehefrauen und so weiter und glücklicherweise supporten die uns zu 100 %, aber es ist natürlich auch hart für die, wenn wir wochenlang weg sind und sie uns nicht sehen können. Sie müssen allein zu Haus bleiben, während wir in einem Bus durch Europa sausen, das ist auch hart für die andere Seite. Dieser Balanceakt ist nicht ganz einfach. Hoffentlich wird das eines Tages besser.

metal.de: Kannst du uns etwas über dich oder einen deiner Buddies in der Band erzählen, was die Fans vielleicht noch nicht wissen?

Das ist schwer, wir sind alles sehr langweilige Typen (lacht). Ich denke wir haben das auch gut dokumentiert in dem Material was es über uns gibt. Wir machen nicht wahnsinnig viel, haben keine ausgefallenen Hobbies oder so. Brady und Dan sind ziemliche Filmnerds, aber das ist heutzutage glaube ich nicht mehr sonderlich ungewöhnlich. Ich glaube das einzige was ein bisschen komisch ist, waren die Bands auf die wir uns mit Jan zu seiner Zeit in der Band einigen konnten. Das waren SYSTEM OF A DOWN, SLIPKNOT und CARLY RAE JEPSEN, das war das einzige Konzert wo wir als Band zusammen hingegangen sind. Ich sehe CARLY RAE JEPSEN bald auch live in London. Aber die Leute die die Band eh schon kennen wissen das eh schon. Also wenn ihr neu seid, jetzt wisst ihr es auch: Wir mögen CARLY RAE JEPSEN (lacht).

metal.de: Ich habe eure Landsmänner FAMYNE schon gefragt, was wäre ein Song den ihr bei einer Einladung zur Queen spielen würdet und warum gerade den Song?

Sie würde wahrscheinlich keinen unserer Songs hören wollen (lacht). Es gibt zwei Wege um das anzugehen. Entweder zeigen wir unseren „besten“ Song der sie am ehesten überzeugen könnte oder wir nutzen das krasseste Zeug was wir gemacht haben, um ein Statement zu setzen. Also sollten wir entweder „All You Will Remember“ vom neuesten Album nehmen, der auch mein persönlicher Liebling ist, oder wir nehmen „Suffer Alone“, auch vom neuen Album, der quasi die CONVERGE-2-Minuten-Abrissbirne ist. Wir könnten also der Queen unsere experimentelle Seite zeigen oder einfach nur sagen „Ab in den Pit mit dir“.

metal.de: Vielen Dank, viel Erfolg mit „Páthos“ und alles Gute!

Quelle: Nuclear Blast/Conjurer
03.08.2022
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