Dirkschneider & The Old Gang
"Ich denke, dass wir tatsächlich 12 Singles haben."

Interview

Am Rande der „Babylon“-Listening-Session nutzten wir die Gelegenheit, mit dem ehemaligen ACCEPT-Drummer und U.D.O.-Gitarristen Stefan Kaufmann über das Projekt „Babylon“ von DIRKSCHNEIDER & THE OLD GANG zu sprechen. Dazu gab uns Stefan einige Einblicke in seinen jetzigen Arbeitsalltag, was es mit den Roxx Studios auf sich hat und wie die Stimmung in Solingen nach den Attentaten im Sommer 2024 ist.

DIRKSCHNEIDER & THE OLD GANG (DATOG) – Babylon – Cover Artwork

Hallo Stefan, danke für Deine Zeit. Du hast Dein Studio in Solingen. Wie ist die Stimmung in der Stadt nach dem Attentat im Sommer? Wie hast Du den Tag selbst erlebt?

Wir waren an dem Tag im Studio und hatten eine Pause eingelegt und auf dem I-Pad die Nachrichten gelesen. Wir haben gar nicht so richtig begriffen, was eigentlich passiert ist. Okay, Solingen, Attentat. Für uns was das Thema zunächst surreal. Wir haben normal weitergearbeitet. Erst im Laufe des Abends, als wir Emails und Anrufe von Bekannten und Verwandten erhielten, ist uns die Tragweite bewusst geworden. Wir erhielten Nachfragen, ob wir okay sind und wie ob unsere Kinder und Familie in Ordnung ist. Einige Wochen vorher hatten wir eine Brandstiftung, wo ein Typ sauer auf seinen Vermieter war und dem deswegen das Haus abgefackelt hat. Ich weiß nicht, was in den Köpfen dieser Leute vorgeht oder welche Erziehung die genossen haben.

Du bist 2012 bei U.D.O. ausgestiegen. Was hast Du anschließend gemacht?

Ich wollte etwas anderes, produktiveres tun, als durch die Weltgeschichte zu düsen und 23 Stunden am Tag zu warten, damit ich eine Stunde auf der Bühne stehen darf. Tatsächlich ist der Tourbetrieb primär ein Warten. Du musst von A nach B. Wartest am Flughafen, wartest an der Lokation, wartest auf den Soundcheck und wartest auf den Auftritt. Ich wollte neue Aspekte angehen und vor allem meine eigene Produktivität erhöhen.

Udo ist da völlig anders, der genießt das Reisen und das Tourleben. Mir war das am Ende einfach zu viel und solche Projekte, wo wir neue Dinge kreieren können, wo jetzt Peter (Peter Baltes, Bassist, Anmerkung der Redaktion), der Mathias (Mathias Dieth, Gitarre, Anmerkung der Redaktion) und auch Udos Sohn Sven (Sven Dirkschneider, Drummer, Anmerkung der Redaktion) mit dabei sind, erfüllen mich weit mehr. Von daher war es eine gute Entscheidung nicht mehr in einer Band selbst aktiv zu sein, sondern sich auf die Produktion zu fokussieren.

Ich war der zweitälteste Mensch bei U.D.O. und ich hatte bereits zu ACCEPT-Zeiten Probleme mit dem Rücken. Insgesamt hat die Gesundheit durch das Tourleben gelitten, sodass ich mich in der Produzentenrolle wohler fühle. Zu ACCEPT-Zeiten, Ende der 80er Jahre, haben Wolf (Wolf Hoffmann, Gitarrist ACCEPT, Anmerkung der Redaktion) die Roxx-Studios gegründet, sodass ich neben der Bandtätigkeit immer auch ein Augenmerk auf die Produktion hatte. Anfänglich war es kein komplett eingerichtetes Studio, eher ein Proberaum mit Mischpulten. Die Kooperation mit Wolf endete und ich habe das Equipment übernommen und weiter ausgebaut mit entsprechender Aufnahmetechnik und ähnlichen Dingen.

Du betreibst die Roxx Studios in Solingen. Wer ist neben der Familie Dirkschneider noch so bei Dir und welche Art von Aufnahmen produzierst Du dort?

Ich übernehme das finale Mastering der U.D.O.-Platten und die Vocals von Udo wie auch die Drums von Sven. Die Gitarren mischt das Redhead Studios von Martin „Mattes“ Pfeiffer in Wilhelmshaven und das finale Mastering ist dann wieder bei mir. Zu den U.D.O.-Veröffentlichungen kommen noch die Nebenprojekte wie DIRKSCHNEIDER oder die Solosachen wie „My Way“. Dazu die Scheibe mit dem Orchester der Bundeswehr und Live-Veröffentlichungen. Viel mehr Zeit bleibt da nicht, sodass ich für weitere Projekte nicht die Kapazität habe.

Die EP „Arising“ von DIRKSCHNEIDER & THE OLD GANG wurde während Covid veröffentlicht und die Einnahmen gingen an in Not geratene Künstler:in. Wie ist der kommerzielle Ansatz für die komplette Scheibe? Gehen die Einnahmen ebenfalls in ein Projekt?

Dirkschneider & The Old Gang – Bandfoto_3 – Credits Eddi Bachmann

Nein, wir haben keine Pandemie mehr. Die gesamte Produktion inklusive der geplanten Videos kostet einen Haufen Geld. Wir wollen die unterschiedliche Musik mit den verschiedenen Einflüssen Musikliebhaber:in zur Verfügung stellen, die eine gute Produktion inklusiver visueller Aufbereitung zu schätzen wissen.

Wie schwierig ist es die Stimmen von Udo und Manuela gleichgewichtet abzumischen?

Technisch war das nicht so schwierig. Peter kommt als dritte Stimme auch noch dazu. Wichtig ist, dass jede Stimme mit seinen speziellen Eigenschaften in den Tracks zu finden ist. Die verschiedenen Stimmfarben der drei Protagonisten müssen miteinander harmonieren, wo die eigentliche Herausforderung beim Gesang liegt. Das reine Einpegeln der verschiedenen Stimmen ist vom technischen Aspekt eine Arbeit, die gemacht werden muss, aber nur ein Teil vom gesamten Gesang.

In den Anfängen von DIRKSCHNEIDER (ACCEPT Songs, die von U.D.O. gespielt werden, Anmerkung der Redaktion) bist Du nochmals auf die Bühne zurückgekehrt. Jetzt gibt es ein neues Projekt. Ist „Babylon“ auch für die Bühne konzipiert?

Im musikalischen Geschäft gilt sag niemals nie. Es muss aber passen. Zunächst haben alle sechs beteiligten Personen einen anderen Job. Ob es U.D.O. beziehungsweise DIRKSCHNEIDER ist oder Mathias mit seiner Anwaltskanzlei. Das gilt es zunächst unter einen Hut zu bringen. Wir gehen das Thema Bühne aber nicht proaktiv an. Die Nummern auf die Bühne zu bringen ist sehr komplex. Wir müssten einiges an Programmiertätigkeit vorab in einen möglichen Auftritt stecken, damit die Instrumente und die verschiedenen Stimmfarben funktionieren. Als Beispiel die Ballade, wo wir ein spezielles Keyboard nutzen. Live würden wir den gleichen Ansatz wählen, wie hier im Studio. Das bedeutet, dass neben den Vorarbeiten auch der Aufwand für die eigentliche Show deutlich höher ist als zum Beispiel bei U.D.O. Was ich mir eventuell vorstellen könnte, dass wir „Babylon“ ausschließlich auf Festivals präsentieren. Das hängt von einem entsprechenden Angebot ab, wo der Aufwand für die Präparation und den Auftritt an sich entsprechend bezahlt werden will. Am Ende ist es auch ein finanzieller Aspekt. „Babylon“ ist primär ein Projekt, was uns allen Spaß macht und das soll es auch bleiben.

Dann lass uns mal zu den Stücken springen. Der Titeltrack „Babylon“ wirkt wie eine Filmmusik. Hat es so eine Musik schon mal im Kosmos von Udo Dirkschneider gegeben?

Auf dem Album sind Dinge, die sind moderner und anders als das, was wir unter der Fahne U.D.O. oder DIRKSCHNEIDER produzieren. „Babylon“ als Titeltrack und die Ballade „Blindfold“ spannen die Brücke zu der EP „Arising“ mit den entsprechenden Melodien, wie zum Beispiel bei „Where The Angels Fly“. Natürlich war es für Udo eine Herausforderung Stücke, die mit Klavier begleitet werden und eher auf Manuela zugeschnitten sind, mit seiner brummigen Stimme zu interpretieren und das in Kombination mit den Vocals von Manuela. Aber er wollte gerne etwas anderes machen, auch wenn es für Udo eher ungewöhnlich ist. Wobei wir die Stimmfarben nicht so verteilt haben, dass Manuela immer nur die soften und weichen Parts übernimmt und die beiden Männer die rotzig metallischen Akzente setzen. Die verschiedenen Stimmfarben sollen miteinander harmonieren, egal wer welchen Part singt.

Die zweite Ballade „Strangers In Paradise“ hat ein gehöriges Hitpotential. Soll das eure Single werden?

„Strangers In Paradise“ ist aus verschiedenen Bestandteilen entstanden, die wir bereits fertig liegen hatten. Unter anderem hatte ich einen Chorgesang von Udo aus den 80ern, den ich interessant fand und den ich Udo vorspielte. Ich hatte ursprünglich die Vorstellung, dass Udo und Peter den Hintergrundgesang liefern. Das haben wir im ersten Ansatz so aufgenommen, jedoch war das Klangbild eine Spur zu tief. Wir haben anschließend den gesamten Song transponiert mit dem Ziel, dass das gesamte Klangbild eine Spur höher rüberkommt. Das war für Peter und Udo nicht ganz einfach, aber so hat sich der Refrain mit dem Chorgesang entwickelt. Wir hatten und haben nicht vor einen Hit oder eine spezielle Single zu kreieren. „Strangers In Paradise“ ist mehr oder weniger ein Zufallsprodukt, das so nicht geplant war.

Worum es bei „Propaganda“ geht, lässt sich aus wenigen Worten ableiten. Inwieweit hat euch der US-Wahlkampf bei dem Thema beeinflusst.

Fake News Halleluja, es geht nicht nur um Trump, es geht genauso um Putin oder andere Institutionen, die Fake News verbreiten. Wir leben auch hier in Deutschland nicht auf einer Insel der Glückseligkeit. Irgendwann weiß niemand mehr was richtig oder falsch ist und das führt zu einer Verunsicherung der Menschen, egal ob in den USA oder Europa. Auf den Gesang von Manuela würde ich gerne hinweisen, der zwar hier nicht im Vordergrund steht, aber für das gesamte Klangbild des Tracks von enormer Bedeutung ist. Manuela agiert in anderen Höhen als Peter oder Udo. Wenn ich Manuela aus dem Chorgesang herausnehmen würde, wäre die Wirkung eine komplett andere und „Propaganda“ würde deutlich an Charme verlieren. Das gleiche gilt auch bei dem eher old-schooligen „Metal Sons“, wo die verschiedenen Stimmfarben im Chorgesang ebenfalls von großer Bedeutung sind.

Das Release-Datum ist am 03.10.2025. Was passiert bis dahin?

Im April kommt das erste Video. Wir wollen dann jeden Monat ein weiteres Video veröffentlichen, sodass wir am Ende für alle 12 Tracks ein Video haben. Das bedeutet, dass wir auch nach der Veröffentlichung der LP im Oktober noch weitere Videos aufnehmen und veröffentlichen werden. Wir bringen vor dem eigentlichen Release nach heutigem Stand fünf Videosingles raus. Du wirst circa ein halbes Jahr bedient, bis die Platte auf den Markt kommt. Wenn dich das Projekt interessiert, bekommst du bis zum Release ständig News, mit dem Stand der Dinge und den neuen Songs. Anders ausgedrückt: wir gehen jetzt mit der 40 Jahre „Balls To The Wall“ auf Tour. Während einer Tour ist es schwierig mit neuer Musik, sodass die Videos zu „Babylon“ auch eine Art Kompensation für die Fans darstellt. Wir müssen uns den allgemeinen Marktbedingungen genauso stellen, wie alle anderen Musiker:in in dem Geschäft. Die Präsenz auf den sozialen Medien ist auch für uns unabdingbar.

Am Ende veröffentliche wir 12 Videosingles zu Babylon. Ich denke, dass wir tatsächlich 12 Singles haben, die genauso funktionieren. Die Bandbreite ist mit DIRKSCHNEIDER & THE OLD GANG eine andere als bei Udos Hauptaktivitäten. Neben dem eher modernen Sachen gibt es aber auch Stücke, die sich an den 80ern und ACCEPT orientieren, sodass wir auch unseren alten Fans etwas bieten können. Wir wollen neue Fans gewinnen, ohne dass wir unsere alten Fans vernachlässigen. Natürlich werden eher traditionelle Metaller meckern. Uns gefallen die Songs. Es ist aber niemand gezwungen sich die Sachen anzuhören. Das Projekt ist eine Entfaltungsmöglichkeit für uns Sechs, wo wir eine andere musikalische Ader ausleben können, als es bei zum Beispiel mit U.D.O. möglich wäre.

Lieber Stefan, das ist ein passendes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch und die Information.

Gerne, danke für das Interesse an „Babylon“.

Quelle: Interview mit Stefan Kaufmann, 14.01.2025
29.09.2025

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