Alaun
Das andere Leben...

Interview

Ein sehr ungewöhnliches Release ist jüngst auf dem kleinen deutschen Underground-Label Lichtpfade erschienen. „Waldfrühling“ von ALAUN weist zwar diverse Bezüge zum Metal-Underground auf, darüber sprechen wir gleich, ist jedoch eine reine Lesung des deutschen Natur- und Heimatdichters Hermann Löns.

Ein ungewöhnliches Release, welches einige Fragen aufgeworfen hat. Wir haben uns Marko „Mäx“ Neumeister geschnappt und sind tiefer in die Welt von ALAUN eingetaucht.

Grüß dich Marko. Erstmal vielen Dank für dieses eher ungewöhnliche Interview. Um direkt mit der Tür ins Haus zu fallen, bist du selbst als Musiker aktiv und falls ja, an welchem Instrument?

Nein! Zwar habe ich zu Schulzeiten und etwa 20 Jahre danach im Chor mitgewirkt und dort eine Art Gesangsausbildung und Training genossen, als Musiker möchte ich mich nicht bezeichnen, jedoch behaupten, dass ich singen kann. Ich denke, ich besitze ein Gefühl für gewisse Stimmlagen und Phrasierungen, kann aber beispielweise keine einzige Note lesen. Improvisieren ist da schon mehr mein Fall.

Dennoch gibt es nun eine Veröffentlichung auf einem Metal-Label von dir. Wie kam dir die Idee zu einer CD mit Lesungen bzw. Hörspielelementen?

2016/2017: Der Impuls kam von einem Gast in einer meiner Führungen durch das Bergwerk. Die Besucherin war fasziniert vom Klang meiner Stimme und könne sich vorstellen, damit ein Hörbuch aufzunehmen. Der Gedanke hat mir natürlich gefallen, ich bin auch riesiger Fan dieser „Spoken-Word-Passagen“ bei Metalsongs, ich sag‘ nur „Woe to you oh earth and sea, for the devil sends the beast with wrath…“, das legendäre Intro zu „The Number of the Beast“ von IRON MAIDEN.

Sollte ich wirklich in der Lage sein, ebenbürtige Beiträge zu leisten? Warum nicht? Also habe ich mir einen Audiorekorder gekauft und starke Texte gesucht, die zu Metal-Lyrics passen könnten: klar, Dantes „Die Göttliche Komödie“, Miltons „Paradise Lost“, Goethes „Faust“, antike Texte von Lukrez „Über die Natur“ und schließlich „Gegen die Natur“, das Gedicht von Adam [Schattenpfade]. Mit ihm teile ich ja die Begeisterung für Hermann Löns` Naturschilderungen, diese Gemeinsamkeit haben wir 2019 nach meinem Gemeinschaftsexperiment mit ISGALDER „Der Alte vom Berge“, eine Löns Dichtung, entdeckt. Er hat mir dann ein Löns-Buch aus seinem Privatfundus als Leihexemplar überlassen und hier haben mich dann auf Anhieb zwei Erzählungen überzeugt: „Das Erwachen des Waldes“ und „Der Märchenwald“, welche ich für ein digitales Album aufgenommen habe. Diese sind zu finden bei Bandcamp

Nach dessen Veröffentlichung im Mai 2020 wurden im Freundes- und Bekanntenkreis tatsächlich Stimmen laut, ob es diese Stücke denn auch auf Tonträger gäbe, so habe ich mich mit dem Gedanken beschäftigt und entschieden, wenn, dann soll eine potenzielle CD auch eine Spielzeit in Albumlänge bekommen, also bedarf es noch eines dritten Stückes, „Der Waldgraben“. Auffällig war, das alle drei Erzählungen viel über den Frühling berichten und eben jeweils das Wort „Wald“ im Titel tragen – somit stand das Konzept, angereichert und umgesetzt mit (selbst aufgenommenen) Naturgeräuschen.

Sehr interessant, danke. Welche Beziehung hast du denn zur Dichtung von Hermann Löns bzw. möglicherweise auch anderen Heimatdichtern?

Mit Löns` bildhaften und fachkundigen Naturbeschreibungen kann ich mich wirklich bestens identifizieren, da ich derartige Beobachtungen selbst bewusst erlebe. Seine Ausführungen vervollständigen meine Wahrnehmung. Was Löns schreibt, ist für mich komplett nachvollziehbar und auch eine Inspiration, die eigene Umgebung intensiv zu erkunden und genau(er) kennenzulernen. So ist es mit der Wahrnehmung eines einzelnen Baumes etwa nicht getan. Mich interessieren die „Randbemerkungen“, die Fülle an kleinen Details, die dem Baum die Kulisse bieten, in welcher er mir begegnet. Ich bin fasziniert von den einzelnen Elementen, die ein großes Ganzes, das Porträt einer Landschaft entstehen lassen und Löns nimmt sich hemmungslos die Zeit, diese von mir geliebten „Randerscheinungen“ so liebevoll auszuschmücken, dass ich gar nicht anders kann, als seine Texte zu vertonen. Was ich (vor)lese, bin ICH!

„…Das andere Leben ist aber tagtäglich dort zu beobachten für den, der dafür Augen und Ohren hat und der leise zu gehen versteht.“

Dieser Appell, den Hermann Löns vor reichlich einem Jahrhundert an seine Leserschaft richtet, hat an Bedeutung und Wahrheit nichts verloren: Wertschätzung und erfüllende Lebenszeit – für mich Tugenden, die ich versuche zu leben und die gern wieder in den Alltag einziehen dürfen. Ich bin mir sicher, dass sich auch Werke anderer Heimatdichter ähnlich intensiv auf ALAUN auswirken werden, allerdings suche ich nicht bewusst danach und kann derzeit kein Beispiel nennen. Ich mag mich auch nicht auf die Heimatdichtkunst versteifen bzw. konzentrieren, dafür gibt es noch genügend weitere Literatur aus Fantasy, Mythologie und Sachbuch, die darauf wartet, alaunisch vertont zu werden.

ALAUN – ein grimmig freundliches Selbstportrait

Hast du bei der Erstellung von „Waldfrühling“ die Texte von Löns „lediglich“ rezitiert oder auch Veränderungen vorgenommen?

Ich habe tatsächlich ein paar wenige regionale Wald- und Flurbezeichnungen herausgekürzt, um die Landschaftsbeschreibungen etwas zu verallgemeinern. Ich meine, Wald und Gehölz, so wie Löns es schildert, gibt es nicht allein in Niedersachsen. Ich lese ja aus Thüringer Sicht und habe bei den Schilderungen sicher andere Naturplätze vor Augen, als Löns und so soll es eben auch der Hörerschaft gehen, sich an Orte und Aufenthalte zu erinnern, die dem/der Einzelnen bekannt sind und nicht mit Namen konfrontiert zu werden, zu denen kein Bezug besteht.

Zum Abschluss noch eine Frage zu dir und der Black-Metal-Band DAUÞUZ. Dort bist du in den Liner Notes von zwei Veröffentlichungen zu finden. Ebenso ist „Waldfrühling“ über das Metal-Label Schatten- bzw. Lichtpfade erschienen. Welche Verbindungen hast du in diesen Bereichen?

Mit den Jungs von  DAUÞUZ teile ich ja die Passion für Bergbau. Ich selbst arbeite als Gästeführer in einem Schaubergwerk und zeigte mich natürlich sehr begeistert, das damalige Waldhalla-Bandgespräch (Waldhalla 2, die Printausgabe) zu verfolgen. Die eigentliche Kontaktaufnahme verlief dann über Social Media, mit gegenseitigem Anschreiben und Gedankenaustausch, schließlich ein gemeinsames Treffen und seitdem sind wir befreundet. Das muss wohl um 2018 gewesen sein.

Ebenfalls in diese Zeit fällt die Verbindung zu Adam. Er hatte in einem der ersten Waldhalla-Hefte ein eigenes Gedicht veröffentlicht, „Gegen die Natur“. Ich fand es passend für ALAUN, habe es vertont und ihm vorgestellt. Adam war dann auch damit einverstanden, die Rezitation via Youtube zu präsentieren. Auch hier reger Gedankenaustausch und eine bis heute bestehende Freundschaft. Schattenpfade war damals noch in der Vorbereitung und mit dem Wissen um meine bildnerisch-künstlerischen Ambitionen (Kunststudium und diverse Metal-Artworks) hat er mich gefragt, ob ich sein Label-Logo gestalten möchte, analog dazu dann die Anfrage auf Umsetzung des Lichtpfade Ablegers im letzten Jahr.

Marko, vielen Dank für dieses interessante Gespräch und die vielen persönlichen Einblicke!

Danke euch, metal.de. Glück Auf aus dem Thüringer Schiefergebirge!

Quelle: Interview mit Marko, Juli 2022
20.06.2022

Stellv. Chefredakteur

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