Venom Prison
"Wir brauchen Feuer!"

Interview

Die neue Nachwuchshoffnung im Death Metal, VENOM PRISON aus Wales,  veröffentlichte vor kurzem mit „Erebos“ ihr neues Album. Gitarrist und Hauptsongwriter Ash Gray spricht mit uns über die Verbindung zu griechischer Mythologie, die Hardcore-Wurzeln der Band, wie die erste Performance auf dem Bloodstock 2021 sehr „feurig“ gewesen ist und vieles mehr! Viel Spaß mit dem ersten Teil aus dem XXL-Interview! Aufgrund von so viel Material wurde entschieden, das Interview in zwei Teile aufzuteilen, wovon der zweite demnächst folgen wird.


metal.de: Hi Ash, wie geht es dir? Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album, ich finde, es ist bisher euer rundestes, ehrgeizigstes Album in der Karriere! Es ist einfach zugänglicher, ein größerer Fokus liegt auf Melodien und kleineren Experimenten. Seid ihr speziell mit solchen Vorstellungen geplant ans Songwriting gegangen oder hat sich das einfach ergeben beim Schreiben?

Ash Gray (VENOM PRISON): Vielen Dank, ich kann nicht klagen! Die Entwicklung auf dem neuen Album war definitiv geplant von Anfang an. Wir wollen uns nicht wiederholen und zweimal dasselbe Album schreiben, also haben wir uns schon im Vorfeld überlegt, was wir ändern können. Wir wollten uns von unserem Kern nicht zu weit wegbewegen, gleichzeitig aber wesentlich dynamischer werden. Wir wollten dieses Mal „Songs“ schreiben. Nicht, dass wir in der Vergangenheit keine Songs gehabt hätten, aber wenn du die „Spielen“-Taste gedrückt hattest, klang es manchmal mehr wie eine Attacke von Riffs, es war vielleicht weniger strukturiert und überlegt. Wir haben dieses Mal uns mehr mit Strukturen beschäftigt, wie man eingängie Hooks konstrurieren und einbauen kann und so weiter. Also ja, definitiv geplant.

metal.de: Ich meine, die Frontalattacke ist immer noch da, aber es fließt irgendwie diesmal besser. Als ihr als Band angefangen habt, wie hat sich das ergeben? Du und Larissa, ihr habt ja beide Hardcore-Vergangenheiten, auch bei VENOM PRISON ist das definitiv noch im Sound wahrnehmbar, aber ich würde sagen das Pendel schwingt tatsächlich mehr zur Death-Metal-Seite raus. Als ihr die Band gegründet habt, wieso habt ihr euch für Death Metal entschieden?

Ash: Es war kein überlegter Prozess. Als wir mit VENOM PRISON begonnen, hatten wir gerade unsere jeweils alten Bands verlassen und damit abgeschlossen. Und wir wollten einfach wieder ein Projekt haben, Songs schreiben, vielleicht Demos veröffentlichen, Shows spielen. Und wir wollten einfach Metal spielen, wir sind definitiv eine Metal-Band. Es gab kein spezielles Ziel oder eine Vorstellung, wir haben einfach natürlich so geschrieben, da kam einfach Metal bei raus. Wir mussten das nicht lernen oder so, wir sind auch mit Death Metal aufgewachsen und ich würde sagen die Energie und Dynamik, daran sind vielleicht noch die Hardcore-Wurzeln auszumachen. Ob es ein Breakdown ist oder ein D-Beat, es sind für mich einfach dynamische Momente, die zusammen mit coolen Metal-Riffs eine tolle Mischung ergeben. Das macht es für mich spannend. Ich würde sagen die Hardcore-Einflüsse sind also eher dynamischer Natur als wirklich Wurzeln für VENOM PRISON, wenn ich ehrlich bin.

metal.de: Gab es irgendeine erwähnenswerte Szene in Wales oder wart ihr quasi die einzige Band, die Krach gemacht hat?

Ash: Oh, hier geht schon einiges. Es gibt viele verschiedene Bands und ich denke, die sind alle sehr kreativ. Das muss nicht einmal in dieser Musikrichtung sein, aber trifft auch auf harte Bands zu. Alle Bands unterstützen sich hier gegenseitig und probieren Grenzen zu verschieben, so kreativ wie möglich zu sein. Und ich denke, wenn du Musik schreibst, sollte das dein eigentliches Ziel sein, egal was für eine Form von Musik du machst. Du musst dich als Band weiterentwickeln, natürlich auch persönlich als Musiker. Leute reden immer gerne davon, dass Bands sich entwickeln, aber damit das passiert, müssen die Menschen innerhalb der Band natürlich willens sein, das geschehen zu lassen. Das ist nicht immer der Fall.

metal.de: Hm… würdest du sagen, dass die walisische Kultur irgendeinen Einfluss, vielleicht auch unterbewusst, in deiner Musik oder bei dir hinterlässt oder spielt das überhaupt keine Rolle?

Ash: Es ist schwer das irgendwo dran festzumachen. Natürlich bin ich hier aufgewachsen und die Musikszene hatte einen Einfluss auf mich. Es gab echt viele gute Hardcore- und Metalshows hier, vor allem natürlich Bands, die ständig hier durchkamen, und einer der Schuppen, PJs, war ein wirklich ikonischer Ort, leider hat er die Pandemie nicht überlebt. Ich habe ungefähr fünf Minuten entfernt davon gewohnt und es war wie im Traum, du gingst aus dem Haus und warst mir nichts dir nichts da. Und es gab Shows jede Woche. Dann gab es noch einen Pub wo jede Woche Hardcore-Shows liefen. Ich war also ständig während meines Lebens davon umgeben und mein Vater war auch ein ziemlich großer Metal-Fan. Also wenn du nach dem Einfluss fürs Schreiben fragst: Ich denke, man wird zwangsläufig von seiner Umgebung beeinflusst und manchmal entscheidet man sich vielleicht sogar bewusst dagegen beim Schreiben, das einfließen zu lassen, aber wenn der richtige „Headspace“ dafür da ist und sich alles authentisch anfühlt, dann ist da vielleicht doch irgendwo eine Beeinflussung da, aber die ist auch einfach ein Produkt der Zeit, in der sie stattfindet.

metal.de: Ich denke das Schreiben hat während Corona stattgefunden, hat dich das in einen anderen „Headspace“ befördert?

Ash: Ja, es hat einen definitiv beeinflusst. Nicht so sehr in der Art wie wir Songs schreiben, das hat sich im Vergleich zu früher kaum geändert. Glücklicherweise habe ich ein Home-Studio und auch unserer anderer Gitarrist Ben hat eines bei sich zu Hause, also wir können beide bei uns jeweils aufnehmen, das ist praktisch, um Gitarrenideen aufnehmen und uns gegenseitig Ideen senden zu können. Das hat sich also nicht viel verändert. Aber als wir in den Lockdown gegangen sind, hatten wir natürlich viel Zeit um zu reflektieren und ich habe die genutzt, durch unseren gesamten Katalog von VENOM PRISON zu gehen, mir alles genau anzuhören und schon vor dem Anfangen des Schreibens vom neuen Album eine Art Bestandsaufnahme zu machen. Vielleicht alte Ideen noch einmal anzuhören, zu entscheiden, was wir dieses mal anders machen wollen und so weiter. Ich denke, das hat sehr geholfen, sich nicht zu sehr zu wiederholen und neu auszuprobieren, aber auch beizubehalten, woher die Band kommt.

Ich denke, speziell mit „Erebos“ war das Riff-Schreiben eigentlich sogar einfacher als in der Vergangenheit. Die Strukturierung der Songs, das Vereinfachen, ohne jetzt natürlich vollkommen in Pop rüberzukippen, war als Prozess wesentlich schwieriger. Die Balance zu finden war das Schwierigste, ebenfalls diese ganzen neue Ebenen im Sound einzufügen, ohne dass es sich zu gezwungen anhört. Wir haben dieses Mal Synthesizer, akustische Gitarren und vieles mehr mit drauf, was es in der Vergangenheit noch nicht gab. Ich denke, die Hörer werden das wahrnehmen, aber nicht zu sehr davon abgelenkt sein, die neuen Elementen drängen sich hoffentlich nicht zu sehr auf oder in den Vordergrund. Es sollte sich konsistent und sauber im Übergang anhören von Anfang bis Ende, das war für mich während dem Schreibprozess das Wichtigste.

Wir haben einfach experimentiert. Ben kam mit einer Idee und fragte, was ich davon halte. Und ich fand das toll, also haben wir es einfach ausprobiert. Und die Reflektionszeit über unser altes Material, die ich dieses Mal dank der Pandemie hatte, war dafür die helfende Hand. Demos konnten wir uns länger anhören und mehr überlegen, ob wir damit zufrieden waren oder nicht. Und wenn du in dem normalen Zyklus aus Schreiben und Touren bist, hast du diese Reflektionszeit meistens nicht.

metal.de: Das ist etwas, was ich von sehr vielen Bands, die während der Pandemie neue Alben veröffentlicht haben, gehört habe. Neue Elemente in den Sound hinzuzufügen, ohne dass diese die „Show“ stehlen und sich nicht gezwungen anhören, kann ein schwieriges Unterfangen sein. Passiert es dir, dass du alte Ideen wieder hervorkramst und die für neue Dinge verwendest? Gibt es dafür vielleicht sogar Beispiele auf dem neuen Album? Oder ist das alles komplett neues Material?

Ash: Ich glaube in meinem Demo-Ordner hatte ich mehr als 20 Songs oder so. Viele Ideen habe ich nach dem Anhören beiseitegelegt, aber an anderen weitergearbeitet. Also ja, definitiv gibt es alte Ideen, die auf dem neuen Album wieder neu aufgegriffen wurden! Wie ich bereits sagte, wir haben penibel darauf geachtet, uns nicht zu sehr zu wiederholen. Ich habe mich ständig gefragt: Hört sich das zu sehr nach einem alten Song an? Dann wurde es nicht verwendet. „Golden Apples Of The Hesperides“ war ein Song, der sehr früh im Prozess geschrieben wurde, aber der wurde auf die lange Bank geschoben für eine lange Zeit. Ben erinnerte mich irgendwann daran, so dass wir darauf zurückkamen und ich hatte den Song für ein Jahr lang nicht gehört. Und für mich war das ein kleiner Aha-Moment, denn das war genau die Art von Song, die ich auf dem neuen Album haben wollte, weil es neu klang.

Also ja, das wäre ein Beispiel für eine ältere Idee, die neu aufgegriffen wurde. Natürlich wurde noch ein wenig dran gedreht, wir haben mit der Struktur gespielt, Dinge hinzugefügt und so weiter. Und wie ich bereits sagte, die Zeit zum Reflektieren hat dabei geholfen. Denn das war ein Song, von dem ich anfangs gesagt hätte, er kommt niemals aufs Album, aber mittlerweile gab es einen Reifeprozess, so dass ich sagen kann: Ja, dieser Song gehört verdammt nochmal aufs Album, denn er passte in dem Moment einfach perfekt! Also das ist tatsächlich etwas, was häufig bei uns passiert.

metal.de: Wenn mich nicht alles täuscht, habt ihr letztes Jahr auch das Bloodstock 2021 gespielt und das war euer einziges Konzert. Wie war diese Gelegenheit für euch und wie das Feedback der Fans?

Ash: (überlegt) … nein, ich glaube, das war letztes Jahr tatsächlich unsere einzige Show. Es war fantastisch! Wir waren vor dem Auftritt schon am Überlegen, wie wir unsere Shows noch ein wenig aufpimpen könnten und waren uns einig: Wir brauchen Feuer! Ben hat in unserer Band-WhatsApp-Gruppe geschrieben: „Leute, ich will Feuer!“ und ich hab dann einfach mal bei ein paar Leuten angefragt. Ehrlich gesagt hab ich nicht damit gerechnet, dass es so einfach war. Ben fragte mich, was ich getan habe, um das hinzubekommen, und ich antwortete ihm, dass ein paar Emails an die richtigen Leute gereicht haben. Als wir dann die Zusage beim Bloodstock hatten waren wir alle froh und aufgeregt. Und da gibt es einen Grund für: In der Lockdown-Phase haben wir noch eine Show gespielt, die letzte bevor keine mehr gingen, und das war das Damnation-Festival an der Leeds-Universität.

Es war auch eine tolle Show und ein paar Freunde und Bekannte haben gefilmt und während des Lockdowns habe ich das Videomaterial ständig mir angeschaut und überlegt, wie wir unsere Shows noch ein wenig verbessern können. Und rückblickend betrachtet hatte ich den richtigen Riecher, denn bei der Show dachte ich mir: „Was, wenn das die letzte Gelegenheit für uns in nächster Zeit ist, live spielen zu können?“. Also habe ich einfach Freunde und Bekannte angefragt, ob die nicht die Show filmen könnten. Und gleichzeitig haben wir uns auch Gedanken gemacht um die Show: Lasst uns Feuer besorgen, 20 Lautsprecherkabinette auf die Bühne, um eine Wand zu haben und so weiter. Natürlich hat der Show-Aspekt eine Rolle gespielt, aber auch die Überlegung, dass wir die letzte Show echt gut machen, bevor wir vielleicht im schlimmsten Fall erst in 2-3 Jahren wieder auftreten können. Und das war das Gefühl, was wir hatten, ehrlich gesagt. Also dass wir wenigstens ein tolles Memoire mit der letzten Show hatten, bevor wieder alles den Bach runtergeht, was Live-Aktivitäten angeht.

Aber es war echt cool und wir werden definitiv probieren, so etwas in kommende Shows auch einzubauen, die Leute waren toll und haben uns warm empfangen, tolle Reaktionen. Wir haben so lange keine Show gespielt und gehen dann ohne irgendeine Ahnung, was zu erwarten ist, wieder auf die Bühne und da habe ich nicht mit so einer positiven Stimmung gerechnet. Es ist im Moment Feuer überall, eine massive Lautsprecherwand, ein Meer von Leuten die klatschen. Ich glaube wir alle brauchten das wieder, nicht nur die Band. Auch die Fans.

metal.de: Wären Livealben oder vielleicht auch Videomaterial als Veröffentlichung etwas, was ihr euch mit VENOM PRISON gut für die Zukunft vorstellen könntet? Für viele Bands spielt so etwas mittlerweile kaum noch eine Rolle im Gegensatz zu „regulären“ Alben.

Ash: (versteht die Frage ursprünglich ein wenig falsch – Anm. d. Redaktion). Also ich bin ein großer Fan davon. Ich liebe es, Live-Studio-Performances zu gucken. Ich habe letztes schon von PLACEBO eine Studio-Session gesehen. Ich setze mich in VENOM PRISON dafür ein, selber auch so etwas zu machen, denn ich glaube, Leute mögen das auch. Es war am Anfang der Pandemie noch verbreiteter und wird immer weniger, da gebe ich dir Recht. Aber es gibt so viele neue Möglichkeiten, kreativ zu werden als Band heutzutage, vielleicht ist da einfach das Interesse und die Luft raus? Aber ich würde das für uns definitiv in Betracht ziehen.

metal.de: Ich meinte das nicht in Hinsicht auf Streaming-Shows, sondern eine Show aufzunehmen live und das dann als Album zu veröffentlichen, denke zurück an Livealben wie „S&M“ von METALLICA oder „101: Official Live“ von PANTERA; ich dachte mehr an solche Geschichten. Gefühlt machen das immer weniger Bands heutzutage. Natürlich ist das auch teuer und aufwändig und gerade kleinere Bands haben wahrscheinlich nicht die Mittel dafür, aber ist das grundsätzlich etwas, das ihr euch vorstellen könntet?

Ash: Oh, ich erinnere mich, dass wir ein Jahr nach Release von „Animus“ das Album mit drei Live-Performances neu aufgelegt haben. Ich mochte das sehr. Ich weiß nicht, ob wir ein komplettes Live-Album machen würden, zumindest nicht momentan. Aber ich mag die Idee davon. Aber ich glaube ich spreche für alle in der Band, wenn ich sage, wir alle mögen das sehr. Etwa alte OZZY OSBOURNE-Auftritte oder so, ich finde es toll, Liveaktivitäten auf Medium für die Nachwelt zu bannen.

metal.de: Vielleicht eine bessere Frage für Larissa, aber ihr kombiniert ja von Beginn eurer Karriere an sehr sozial verankerte Themen in den Texten mit griechischer Mythologie, die sich durch Songtitel, Texte wie auch Artwork zieht. Wie ist das zustande gekommen, wieso habt ihr euch gerade dafür entschieden?

Ash: Ja, das ist etwas, was wir seit „Animus“ bei uns mit dabei haben. Es ist oftmals sehr interessant, die Geschichten über verschiedene Charaktere in der griechischen Mythologie mit ihren Problemen zu lesen und dann zu realisieren, dass die vielen Probleme heute ganz ähnlich sind. Auch von einem kreativen und musikalischen Standpunkt aus macht eine „Verschleierung“ durchaus Sinn, damit vieles vielleicht nicht zu offensichtlich ist und eine gewisse „Mystik“ mitschwimmt. Ich denke, es hilft ein bestimmtes Gefühl und eine bestimmte Ästhetik zu transportieren. Wir senden beispielsweise beim Schreiben noch unfertige Stücke von den Texten und auch Musik zu Eliran, der dann darauf erste Skizzen für das Coverartwork anfertigt und uns seine Gedanken dazu mitteilt. Dieses Grundgerüst macht es einfacher, darum und damit zu arbeiten und zieht sich, wie du schon richtig gesagt hast, dann durch alles, also Text und Coverart. Wir haben viel Wert seit Anbeginn der Band auf ein komplettes „Paket“ gelegt und ich denke, dass wird auch Aushängezeichen bei VENOM PRISON bleiben.

metal.de: Wenn es zu Bands kommt, von denen ihr Einfluss zieht, welche wären das? Vielleicht auch ein wenig aufgeteilt: zwei Bands aus der Hardcore-Szene, zwei Bands aus dem Metal-Umfeld?

Ash: Oh, das ist eine schwere Frage, ich könnte Stunden darüber reden. Als ich aufgewachsen bin, habe ich schon immer mehr Gefallen an „metallischen“ Hardcore-Bands gefunden. Irgendein Typ in der Schule hat mir eine Hellfest-DVD geliehen und zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht den blassesten Schimmer, was das Hellfest war. Ich hatte einfach nur eine Camouflage-Jacke an, er dachte ich wäre ein Hardcore-Kind und hat die mir gegeben. Ich hatte vielleicht noch ein Skatebag dabei oder so und er meinte nur „Du bist doch bestimmt heiß auf Hardcore“. Und ich stand nur da und hatte keine Ahnung, wovon der redet. Also ich war in meiner Jugend echt großer Fan solcher Gruppen wie WALLS OF JERICHO, BLEEDING THROUGH, DISEMBODIED, BURIED ALIVE. Also für mich zieht es mich auch bei der Hardcore-Schiene eher zu solchen Bands zurück.

Und im Metal… hm. Es ist schwer, DYING FETUS nicht zu erwähnen, denn sie haben natürlich auch Bezüge zu Hardcore. Ich meine John (Gallagher, Gitarrist und Sänger von  DYING FETUS – Anm. d. Redaktion) trägt auf der Bühne TERROR-Shirts, natürlich hat die Band auch Breakdowns und so weiter. Dann vielleicht noch CARCASS und DEATH, eher noch CARCASS, da die natürlich für uns Briten eine legendäre Band sind. Die haben heute ja auch Twin-Leads und so weiter, also etwas sehr traditionelles im Metal. Also um die Frage final zu beantworten: DISEMBODIED und WALLS OF JERICHO für Hardcore, CARCASS und DYING FETUS für Death Metal.

metal.de: Wenn es zu eurer eigenen musikalischen Reise geht, was wären die wichtigsten Dinge auf deiner Reise als Musiker, die du einem anderen mitgeben würdest?

Ash: Ich als Gitarrist würde vielleicht sagen, die Musik ist am Ende wichtiger, als dein persönliches technisches Können oder deine Ego-Eskapaden. Ich war noch nie der technischste Gitarrist oder ein großer „Shredder“, das war nie etwas, weswegen ich Gitarre spielen angefangen habe. Ich war jung, mein Freund hat eine Gitarre bekommen, ich fand das cool und wollte auch eine. Wir haben in Punkbands gestartet, das hat sich dann irgendwann in die Hardcore-Bands entwickelt. Und diese Musik ist offensichtlich nicht darauf ausgerichtet, wie gut du Gitarre spielen kannst (lacht). Es geht mehr darum, wie du dich fühlst, Aggression herauszulassen. Es geht immer ums Gefühl, um den Vibe.

Ich habe den Eindruck, viele Personen haben ein bestimmtes Bild von sich oder ihren Gitarrenskills, dem sie nachkommen wollen, oder Idole, denen sie technisch nacheifern wollen und fokussieren sich zu sehr auf das Technische am Spielen. Vielleicht schaffen sie es, werden dann aber nur zu einer weiteren Kopie. Zu sich selbst zu stehen und einfach das zu schreiben, was einem liegt und was einen beschäftigt, was man fühlt, ist denke ich das Allerwichtigste. VENOM PRISON ist, denke ich, deswegen so anders, denn wir wollen alle nicht irgendeiner bestimmten Band oder Musikrichtung nacheifern. Die Art wie ich und Ben Gitarre spielen ist schon sehr unterschiedlich. Mein größter Ratschlag für jemanden, der Musiker ist und in einer Band spielen möchte, wäre, sich nicht zu eindimensional zu bewegen. Versuche nicht, wie deine Lieblingsband zu sein, sondern sei mehr wie du. Das macht dich einzigartig und ich glaube, das schätzen Leute dann auch später wert an deiner Band. Nicht, dass du klingst wie Band XY, sondern eigen.

metal.de: Vielleicht anders herum gefragt, was ist der beste Ratschlag, den du bislang bekommen hast?

Ash: Gute Ratschläge kommen meist von Leuten aus meinem nahen Umfeld. Ben, unserer zweiter Gitarrist, kennt mich in- und auswendig, weiß wie ich spiele, wir haben eine tolle Beziehung, ein großes Verständnis von der Art, wie wir zwei jeweils schreiben und spielen. Aber wir sind total unterschiedlich. Wir ergänzen uns somit perfekt. Wenn ich schreibe und Probleme mit gewissen Stellen habe, gehe ich einfach zu Ben und frage ihn nach Rat. Das ist, was ich einen „Ben-Moment“ nenne (lacht). Ich brauche unbedingt Ben dafür, um diese Nuss zu knacken. Scott (Atkins, der Produzent von „Erebos“, der auch andere Bands  wie SYLOSIS oder GAMA BOMB bisher produziert hat – Anm. d. Redaktion) im Studio hilft mir auch häufig, etwa indem er mich auf Fehler oder eine unsaubere Performance hinweist oder sogar im Schreibprozess, wo er sich einmischt. „Wieso muss das hier enden, das ist ein Killer-Riff! Doppel das einfach und spiel‘ länger, anstatt gleich wieder in den nächsten Part zu gehen!“, solche Sachen kommen dann von ihm. Man lernt einfach konstant in diesen Prozessen und ich denke auch dass es hilft, nicht zu sehr an seinen Parts und „Lieblingen“ kleben zu bleiben. „Kill your Darlings“ ist so ein Klischee, aber es stimmt. Es mag Ideen geben, von denen du super überzeugt bist und für die du kämpfen willst, wenn alle anderen aber nicht warm damit werden, macht es wenig Sinn, damit weiter zu machen.

Auf „Erebos“ hatte ich mehr Freiheit und Offenheit, ich weiß nicht warum. Wenn wir eine Idee hatten, haben wir sie aufgenommen und behalten, auch wenn sie auf den ersten Hör vielleicht nicht ganz zu VENOM PRISON passte. Und dieser Änderungsprozess, der kreative Prozess, kann sich bis ins Studio durchziehen, es ist immer Zeit für Änderungen oder neue kreative Entscheidungen. Auch, was etwa Equipment angeht. Ich habe wahrscheinlich nie auf einem vorigen Album weniger verwendet. Eine Gitarre, ein Amp, ein Overdrive-Pedal, das war es. Es gibt für gewisse Parts auf dem Album auch andere Effektgeräte, Delays oder so, aber davon abgesehen war alles relativ „basal“. Mein Gain war nie höher als auf Stufe 4 gedreht, also alles recht zahm. Oft kommt man an einen Punkt, wo man durch weiteres Herumprobieren etwas ruiniert, was schon gut klang. Noch ein Plugin, noch ein Effektgerät. Es ist erfrischend und befreiend, einfach mal bei den Basics zu bleiben und ganz die Musik sprechen zu lassen, anstatt mit immer weiteren Effekten oder Amps oder Pedalen überkompensieren zu wollen.

Das wären wahrscheinlich so meine Erfahrungen. Von Ben lerne ich immer recht viel, wie gesagt, aber auch unser Bassist Mike hilft mir oft, indem er mir ganz ehrlich sagt: „Das kannst du besser“, bei Parts die ihm nicht gefallen. Wir haben einen sehr transparenten Kommunikationsprozess in VENOM PRISON. Und natürlich habe ich auch Einflüsse von berühmten Gitarristen und so, aber das sind nicht die Personen, die um mich herum sind und die mir beim Schreiben oder dem Aufnahmeprozess zur Seite stehen. Und ich denke genau diese Leute sind die Wichtigsten für die Band. Nicht irgendwelche privaten Gitarrenvorbilder oder so.

metal.de: Was die Reaktion des Publikums angeht, wo seid ihr bislang am besten aufgenommen worden? Und wo spielt ihr vielleicht am liebsten?

Ash: Wir hatten glücklicherweise bislang echt tolle Möglichkeiten, hier im UK haben wir schon viele tolle Shows gespielt, Deutschland ist auf Tour auch jedes mal wieder toll. Wir sind auch schon bis nach Amerika gekommen. Es stand eigentlich eine Tour für Asien und Australien vor dem Lockdown an, aber das wurde natürlich abgesagt. Also wäre es toll, demnächst diese Shows nachholen zu können, vor allem, da es für uns eine Premiere ist. Aber Deutschland ist definitiv immer ein Land gewesen, wo wir uns gut aufgehoben gefühlt hatten und auch tolle Shows gespielt haben. Es ist schwer sich festzulegen. Wenn wir über die beste Show sprechen, würde ich tatsächlich Bloodstock von letztem Jahr sagen. Es war die beste Show, die wir je gespielt haben und auch die beste Resonanz auf uns als Band.

Quelle: Zoom Interview mit Ash Gray (VENOM PRISON)
13.02.2022
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