Bent Knee
Bandnamen sind nur Platzhalter für die Musik

Interview

Wir haben uns im Rahmen der Rubrik „Abseits der Wege“ vor kurzem der Diskografie der Bostoner Rock-Band BENT KNEE gewidmet. Da ließen wir uns es natürlich nicht nehmen, uns Mitbegründer Ben Levin zu schnappen und ihn mal über die musikalischen Visionen und Einflüsse der Band auszuquetschen – und über den Bandnamen.

Ben Levin sprach mit uns über…

… den Bandnamen BENT KNEE

Ich bin da etwas vorsichtig damit, mich festzulegen. Bandnamen sind meiner Ansicht nach im Grunde nur ein leeres Gefäß, das wir durch Musik mit Inhalt füllen. Deshalb wählten wir auch diesen wenig sagenden Namen, denn er erlaubt uns, kreativ zu sein. Nimm als Gegenbeispiel mal MEGADETH. Bei deren Musik gehst du ja mit einer gewissen Erwartungshaltung hinein. Variationen in Richtung lockerer Musik wäre da bei vielen Fans sicher fehl am Platz. Deswegen haben wir uns diese Hintertür offen gelassen. Wir wollen experimentieren und unsere eigene Musik erforschen. Wir möchten unser Publikum nicht mit Kontroversen verschrecken. Ebensowenig wollen wir das gleiche immer und immer wieder machen. Denn im Grunde ist eine Band ein lebender Organismus, der nach und nach dem Zerfall ausgesetzt ist. Wir wollen unseren Hörern also eine natürliche Entwicklung unseres Schaffens bieten.

… über die Bandgründung

Wir gründeten uns 2009, damals als Songwriting-Experiment von Courtney und mir. Unsere ursprünglichen Einflüsse waren unter anderem PORTISHEAD und MASSIVE ATTACK und ursprünglich war unsere Musik auch etwas entspannter. Nachdem wir dann die übrigen Musiker um uns scharen konnten, wurde das Projekt zu einer Band und wir brachten unsere Musik auf die Bühne. Im übrigen stammen die Songs vom Debüt von Courtney und mir, während die Songs von den folgenden Alben von der gesamten Band entwickelt worden sind.

… über den Stil der Band

Nun, wir versuchen bewusst, Genredefinitionen zu vermeiden. Wir wollen einfach mit der Musik unseren Gefühlszustand ausdrücken. Das ist für uns extrem spannend, denn es fordert uns musikalisch enorm heraus. Es ist der Fokus unseres Songwritings. Würden wir uns auf ein Genre festlegen, würde das den Schreibprozess vermutlich nur unnötig durcheinander bringen. Jede Platte soll eine Überraschung werden. Und sollten zwei Platten gleich klingen, dann nur, weil wir mit dem Sound mehr zum Ausdruck bringen konnten, als auf eine einzelne Platte passt. Es geht letztendlich darum, dass der Künstler die Musik machen sollte, die ihm Spaß macht. Der Hörer kann damit seine Freude haben, oder eben nicht. Vieles, was dem Publikum gefallen hat, war das Ergebnis einer Entwicklung. Und selbst wenn sie nicht angekommen ist, so ist sie doch das Zeichen des kreativen Feuers, das im Künstler lodert.

Damit will ich nicht sagen, dass wir irgendwann nicht auch in ein Muster hinein geraten. Vielleicht ist BENT KNEE in einigen Jahren auch nur noch eine Band von vielen, die mittelmäßige Musik produziert. Das hängt ja immer von der Energie ab, die jeder einzelne von uns aufwendet. Und die nimmt natürlich irgendwann ab, das ist einfach der natürliche Lauf der Dinge. Aber bis dahin möchten wir unserer Hörerschaft einfach die Schönheit des Unentdeckten zeigen. Wir als große Musikfans möchten unsere eigenen Gefühle erforschen und sie durch Musik ausdrücken.

… über das Debüt

Auf dem Debüt herrscht eine bedrückende Dunkelheit vor. Es geht um Depressionen, Trauer und generell negative Gefühle. Wir hatten mehrere Strategien, das auszudrücken. Zum beispiel rückten wir den Gesang in den Vordergrund, während wir die Instrumentierung zurück fuhren. Oder wir ließen die Negativität vor dem Ohr des Hörers explodieren, etwa mit verzerrtem Schlagzeug. Am ehesten erreicht man diese Dunkelheit, in dem man ein eindringliches Gefühl erzeugt. Wir kombinierten verschiedene Formen des Extremen miteinander um das hinzubekommen.

Man muss dazu sagen, dass Courtney und ich zum Zeitpunkt der Arbeiten am Debüt jeweils durch schwere Zeiten gegangen sind. Wir trafen uns quasi an diesem Scheideweg, an dem wir mit unserem neuen Leben klar kommen mussten. Es ist uns wirklich nicht gut gegangen, was sich umgekehrt jedoch positiv auf den kreativen Prozess ausgewirkt hat. Es verwandelt sich in ein Gefühlt, über das man singen möchte. Und das kann ja anderen durchaus Freude bereiten. Das Album steckt voller düsterer Sounds und intimer Gesangspassagen. Wir haben lange daran gearbeitet, sowohl im Bezug auf das Schreiben als auch das Aufnehmen der Songs.

… über „Shiny Eyed Babies“

Jedes Album trägt ja ein Stück seines Vorgängers in sich, „Shiny Eyed Babies“ hat also auch einige der düstereren Momente des  Debüts inne. Aber hier haben wir schon als Band an den Songs gearbeitet, ließen also die Energie aller Beteiligten mit einfließen. Daher ist die Bandbreite an Emotionen und Einflüssen hier auch größer. Die Arrangements wurden stärker und wir experimentierten mit zahlreichen Stilen, so auch dem Pop, unter anderem der von Regina Spektor. Wir orientierten uns an melodischen Mainstream-Künstlern und schufen so einen Sound, der uns als Band darstellt. Wir haben entsprechend lange an den Songs geschrieben, konnten diese mit den beim Debüt gemachten Erfahrungen jedoch schnell und effizient aufnehmen.

Mit dafür Verantwortlich ist unser Produzent Vince, der ebenfalls in der Band ist und neben Synthesizern auch für die Vocal-Arrangements bei unseren Auftritten zuständig ist. Er versucht immer, unseren Sound aus dem Blickwinkel des Zuschauers zu hören und von dort aus zu arbeiten. Er hat auch immer ein Auge respektive Ohr auf den Fluss des Materials, um diesen möglichst reibungsfrei und direkt zu gestalten. Im Grunde beginnt seine Arbeit als Produzent in dem Moment, in dem auch das Songwriting beginnt. Er fügt das Gesamtbild am Ende auch zusammen.

… über „Say So“

Das ist tatsächlich mein Lieblingsalbum von BENT KNEE bis dato. Hier gingen wir anders zu Werke als mit den Vorgängern. Die Songs waren innerhalb kürzerer Zeit geschrieben, anstatt ins Studio gingen wir mit ihnen jedoch direkt auf die Bühne. Lange Zeit haben wir mit ihnen getourt. Dann ging es für die Aufnahmen kurz ins Studio, anschließend wieder zurück auf die Bühne. Das hat so eine spezielle Energie für uns gehabt, die sich anders kaum reproduzieren lässt. An diesem Album haben wir dadurch noch am effizientesten gearbeitet. Im wesentlichen reicht es, jemandem den Song „Eve“ vorzuspielen, damit er weiß, was ihn auf „say So“ erwartet. Kurzum: Wer diesen Song mag, mag auch das Album.

Es ist insgesamt fröhlicher und aufgeräumter ausgefallen als seine Vorgänger. „Black Tar Water“ ist so etwas wie das Nachspiel schwerer Zeiten, unterdessen ist „Hands Up“ ein fröhlicher, geradezu romantischer Song geworden. Wir hatten uns dieses Mal unter anderem von KIMBRA inspirieren lassen, einer neuseeländischen Sängerin. Wir wollten als Band einfach etwas hervorbringen, was nicht verzweifelt, sondern optimistisch klingt. Hat einem bei „Shiny Eyed Babies“ noch mit jedem Song der Schmerz direkt ins Gesicht gebrüllt, so ist „Say So“ der cineastische Gegenentwurf, auch durch die leicht verdrehten, traumartigen Songstrukturen.

… über BENT KNEE live

Wir bemühen uns immer um einen sehr vielfältigen Live-Sound. Es gibt ja Bands, die einen vielfältigen Sound im Studio haben, der dann auf der Bühne jedoch eher fad rüberkommt. Es ist schwer, die Instrumente oder gar die Songs dann auseinander zu halten. Wir wollen auf der Bühne jedem Song einen eigenen Charakter verleihen. Daher gibt es bei uns auch jede Menge Überraschungen. (lacht) Erwarte einfach das Unerwartete.

… über die Tour mit THE DILLINGER ESCAPE PLAN

Die Tour mit denen hat uns wirklich viel Spaß gemacht. Es war vielleicht die coolste Tour, die wir bislang hatten und die Jungs sind eine echte Inspiration. Egal wie müde sie sind, sie geben immer 110 % auf der Bühne. Ähnlich wie diese jugendlichen Bands, die vor Energie nur so explodieren. Nur haben die ja oft das Problem, dass ihnen die Praxis fehlt. THE DILLINGER ESCAPE PLAN kombinieren diese Energie aber mit ihrer enormen Erfahrung und Übung. Das ist ihre Form, die Hingabe zu ihren Fans zu zeigen. Ich habe selten etwas live erlebt, das härter und heavier war als diese Jungs. Und es schmerzt mich offen gesagt, dass sie sich auflösen werden.

Wir haben wirklich viel von ihnen lernen können und freuen uns nun auf die kommenden Auftritte. Unsere Tour durch Europa haben wir auch schon bereits buchen lassen. Das machen wir in den Staaten ja selbst, für Europa macht das aber eine Agentur. Wir versuchen, aufzusteigen, möchten das aber nicht auf Kosten dieser Freundschaften machen. Wir sind froh, Teil dieser Tour gewesen zu sein, denn nicht nur hatten wir jeden Abend großartige Musik, wir sind natürlich auch mit jedem Abend besser geworden. Es war einfach eine tolle Erfahrung.

… über das kommende Projekt

Wir stecken gerade mitten in den Aufnahmen zum neuen Album. So viel kann ich aber schon mal verraten: Das neue Album unterscheidet sich schon ziemlich  von den vorangegangenen Werken. Ich mag die neuen Songs sehr. Sie klingen definitiv farbenfroher als die Songs der vorangegangenen Alben. Lasst euch einfach mal überraschen.

01.03.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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