Jolly
Interview mit Schlagzeuger Louis Abramson

Interview

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An Selbstbewusstsein mangelt es den vier Herren von JOLLY nicht. An Talent und Verve übrigens auch nicht. Mit dieser unschlagbaren Kombination haben die Amerikaner in den letzten drei Jahren sehr große Schritte machen können und mit ihrem neuen Album „The Audio Guide To Happiness“ erneut ein deutliches Achtungszeichen in der Progressive-Szene hinterlassen. Mit Louis Abramson (dr) sprachen wir über den Wechsel zu InsideOut Music, den Griff in die binaurale Trickkiste und wissenschaftlich fundierte Musik.

In meiner Rezension zu eurem neuen Album habe ich geschrieben, dass Wünsche manchmal in Erfüllung gehen. Meiner war es, dass ihr beim renommierten Label InsideOut Music landet, und so kam es denn auch. Das war noch schöner, als euer erstes Signing damals bei Galileo Records schon war. Es ist immer schön, wenn gute Musik mit entsprechender Anerkennung honoriert wird, und ihr habt dadurch ja auch spürbar einen Fuß in die Tür bekommen. Wie sind InsideOut an euch herangetreten, nachdem bei Galileo Records nur die Hörprobe via Myspace ausgereicht hat?

Nun, InsideOut haben uns erzählt, dass da jemand einen ganz dringenden Wunsch geäußert hätte – aber ernsthaft: Von Myspace ging es zu Galileo, und von dort aus über Manager Rob Palmen zu InsideOut. Wie du vielleicht weißt, managt Rob zwei großartige Bands, RIVERSIDE und THE PINEAPPLE THIEF. Letztes Jahr spielten wir ein paar Shows in Europa mit RIVERSIDE und PURE REASON REVOLUTION, bei denen auch ein paar Leute von InsideOut anwesend waren. Ein paar Monate später haben wir uns dann zusammengesetzt, um einen Vertrag auszuhandeln… und jetzt kommen wir angerollt, mit Mäusen und Moneten wie Dagobert Duck!

Wie seht ihr euer Debüt-Album „46:12“ im Nachhinein? Es wurde seinerzeit mit offenen Armen begeistert empfangen, wurde von den Kritikern nahezu geliebt. Wenn Neil Armstrong einen kleinen Schritt auf dem Mond machte, wie groß war dann euer Sprung als Band mit diesem Album?

„46:12“ hat einen ganz besonderen Platz in unseren Herzen. Es hatte überhaupt kein Budget (abgesehen vom Mastering) und wurde komplett bei mir im Keller aufgenommen. Und gerade wegen dieser Umstände waren die überwältigend positiven Kritiken umso schöner. Es war ein weiter Weg, und viel hat sich seitdem getan – denn „The Audio Guide To Happiness“ haben wir immerhin auf dem Mond aufgenommen. Jetzt ernsthaft. Auf dem Mond!

Der Titel eures Debüts war sehr simpel und einleuchtend, ein unkomplizierter Startschuss. Euer neues Album trägt dagegen ziemlich dick auf. Während es auf dem Debüt nur um die Länge ging, dreht sich der aktuelle Titel vor allem um den Effekt, die Langzeitwirkung. Was genau bedeutet der „Audio Guide To Happiness“?

Unsere Albumtitel scheinen eher Beschreibung als irgendwelche zufallsmäßigen Referenzen zu Dingen zu sein, die sowieso niemanden interessieren. Wir wollten unser neues Album ebenfalls „Forty-Six Minutes Twelve Seconds of Music“ nennen, aber da wir diese geniale Idee schon verbraucht haben, entschieden wir uns einfach für „The Audio Guide To Happiness“.
Die Idee dahinter liegt in der Figur des Hörers. Im progressiven Bereich der Musik wie auch generell geht es doch meistens immer um die Musiker, aber für uns ist Musik vor allem eine Erfahrung des Hörers. Wir arbeiten bereits seit Jahren daran, diese Erfahrung immer weiter zu verbessern. Durch einige clevere Einfälle und pures Glück konnten wir auch tatsächlich mit einigen Wissenschaftlern zusammenarbeiten!

Es klingt vielleicht albern, aber der Trick ist ja nicht, dass wir irgendwelche magischen Frequenzen in unsere Musik einbauen, sondern genau darauf schauen, welche Elemente besonders emotionale Reaktionen beim Hörer verursachen, selbstverständlich durch entsprechende Tests und Auswertungen. Dabei geht es um Texte, Melodien, Texturen und alles andere ebenso. Die sogenannten Schlüsse, die wir daraus gezogen haben wurden mit binauralen Stimulationen kombiniert, um das Erlebnis noch zu intensivieren.

Ich kann es immer wieder nur betonen: Wer glaubt, dass dieser binaurale Kram Blödsinn ist, kann es getrost ignorieren. Lass unsere Musik vor allem Rock sein, darum geht’s. Der Rest ist sozusagen das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Wer sich dafür interessiert, den laden wir zum Eintauchen in unsere Klangwelt ein. Der einzige Grund, warum wir glauben, mit sowas davon zukommen, ist unser uneingeschränktes Vertrauen in unsere Musik. Ohne das würde die gesamte Struktur in sich zusammenfallen.

Für mich als Insider war es klar, dass ihr bei so einem vielversprechenden Titel nicht hinterm Berg haltet, und man sich wieder mal die Superlative bereit halten kann. Du hast es gerade schon angesprochen – meinst Du nicht, dass man vielleicht auch ein paar Leute mit solchen Details wie binauralen Tönen „verschreckt“?

Ja, manche scheinen durch sowas schnell vom eigentlichen Kern abgelenkt zu werden. Uns geht es vor allem um das Extra an Erfahrung, an Erlebnis beim Hörer, aber Ablenkung trifft es wohl leider gut, wenn es um die Wahrnehmung bei manchen Leuten geht. Wir werden wohl abwarten müssen, was der Konsens ist. Das wichtigste ist ohnehin die Musik und deren Effekt auf die Hörer. Der Rest ist irrelevant.

Das Album besticht mal wieder durch einen einzigartigen Mix aus alternativen und progressiven Sounds, angereichert durch Blues und Jazz. Arpeggio-Riffs, polyrhythmische Strukturen, Rhodes Piano, mächtige Choruslinien, emotionale Melodiebögen und generell die Erzählqualität der Musik – so ungefähr habe ich es bereits in meiner Rezension versucht zu beschreiben. Ein besonderes Beispiel ist das Lied „The Pattern“, der sich sofort zu meinem persönlichen Highlight entwickelt hat. Man hört dort eines eurer mächtigsten Riffs, und überhaupt erscheint mir das Album deutlich gitarrenlastiger vom Klang her. Wie hat sich „The Audio Guide…“ entwickelt, wie seid ihr an das Album herangegangen?

Danke für all das Lob, fühlt sich immer wieder gut an! Was die kraftvolleren Gitarren betrifft liegt das wohl hauptsächlich an der höheren Qualität der Produktion. Wir wollten unsere Songs heftig aber auch friedlich klingen lassen, und diese Balance haben wir dieses Mal deutlich besser und feiner herausgearbeitet. Man könnte auch sagen, dass unser Debüt deshalb rein organisch ein melancholischeres Album geworden ist. Unsere Songs und Alben werden einfach zu dem, was sie werden wollen.

Nochmal kurz zu „The Pattern“: Ihr hattet ja für das dazugehörige Video den tollen Einfall, einfach die Reaktion eines Hörers, der das Stück noch nicht kennt, zu filmen. Ich muss allerdings sagen, dass eure Testperson irgendwie nicht euphorisch genug war – mich hättet ihr mal filmen müssen, hehe! Wer hatte denn die Idee dazu? Und wie wär’s, wenn ihr einfach eure Fans darum bittet, euch solche Videos zu schicken?

Nun, Andrew, unsere Testperson, hat das Stück tatsächlich zum ersten Mal gehört, und in meinen Augen ist er völlig ausgerastet dabei! Wir haben das Video ursprünglich nicht mit der Absicht, es mal zu veröffentlichen, gedreht, aber Andrews Reaktion war einfach zu großartig, um das der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Obwohl… manchmal habe ich das Gefühl, dass er doch ein bisschen geflunkert hat. Wir haben auch schon darüber nachgedacht, unsere Fans um solche Videos zu bitten – schick uns doch einfach mal eins von Dir!

In unserem ersten Interview vor zwei Jahren hast Du mir erzählt, dass die Zeit, in der „46:12“ entstand, vor allem eine Art Entdeckungsphase für euch war. Was hat sich nun mit „The Audio Guide…“ geändert, welche Dinge sind konstant geblieben?

In mancherlei Hinsicht fühlt sich „The Audio Guide…“ wie unser erstes Album an, vor allem deshalb, weil wir ziemlich konkrete Vorstellungen davon hatten, ohne auch nur einen Ton aufgenommen zu haben. Wir haben das Album entworfen und dann Stück für Stück realisiert. „46:12“ fing als Demo an und endete, nachdem uns Galileo Records eine Veröffentlichung anboten, als Album. Gleich geblieben ist auch, dass wir auch während der Aufnahmen nicht mit dem Schreiben von Songs aufgehört haben. Wenn sich überhaupt etwas Signifikantes ergeben hat, dann die Tatsache, dass uns dieser simultane Prozess des Komponierens/Aufnehmens noch vertrauter geworden ist.

Der Kreis schließt sich ja auch irgendwie beim Artwork, was an das besagte Demo erinnert. Mit „Still A Dream“ begegnet uns ein Song, der ursprünglich im Anschluss an „46:12“ als Download veröffentlicht wurde. War dieser Song einfach zu gut, um ihn nicht einfach so zu belassen, sonderm auf den „Audio Guide“ zu nehmen?

Könnte man so sagen – wir wussten, dass wir dieses Stück auf jeden Fall in irgendeiner Version auf dem „Audio Guide“ haben wollten, also haben wir es auch gleich mit aufgenommen.

Ein interessantes Detail im Artwork ist, dass dort bereits alle Songs (inkl. Texte!) vom zweiten Teil abgedruckt sind. Heißt das, dass der zweite Teil bereits fertig ist und nur noch auf seine Veröffentlichung wartet? Dann doch auch hoffentlich irgendwann als schönes Doppelpack. Was können wir vom zweiten Teil erwarten?

Der zweite Teil ist in der Tat bereits fertiggestellt und verstaubt bereits irgendwo auf dem Regal. Du hast es „jollyous greatness“ genannt – und nicht weniger kann man davon erwarten. All unsere Songs haben so unterschiedliche Charaktere und Gefühlswelten, die man genauso auch auf dem zweiten Teil finden wird. Es wird dann sicherlich eine Albumversion geben, in der sich beide Teile befinden, aber das ist natürlich auch eine Entscheidung des Labels. Mal schauen, was draus wird.

JOLLY gehört zu den Bands, deren Musik sich eigentlich millionenfach verkaufen könnte, es aber nicht tut. Was bedeuten euch Verkaufszahlen, außer, dass ihr mit eurer Musik irgendwie ein bisschen Einkommen habt. In der heutigen Zeit, mit Gratismentalität und illegalen Downloads, in der selbst ehemals platinausgezeichnete Bands wie FILTER nur noch 16 000 Exemplare ihres neuen Albums verkaufen, scheint es mir für Bands wie euch verdammt schwer, die Leute zu erreichen, die euch auch tatsächlich unterstützen.

Nun ja, glücklicherweise hängt unser Erfolg nicht von Bands wie FILTER ab. Die hatten doch nur einen Song in gut 15 Jahren, oder? Aber „Hey Man Nice Shot“ war schon ein verdammt geiler Song! Ich glaube, gerade für Bands wie FILTER ist es viel schwerer, zu neuem Publikum vorzudringen als für eine blutjunge Band wie uns – weil ihr Erfolg eine ganz andere Zeit repräsentiert. Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn du einen guten Sound hast und bereit bist, unmenschlich viel Zeit und Energie reinzustecken, dann könntest du davon auch was wiederbekommen.

Es gehört ja auch zu den großen Missverständnissen, dass Bands sich heute durch’s Touren und Merchandise über Wasser halten können – aber das klappt auch nur bei Bands mit fetten Majordeals. Wie sieht das bei Euch aus? Können Konzerte und T-Shirts wirklich verlorene Albumverkäufe kompensieren oder ist jeder Tag ein Überlebenskampf?

Trotz der ganzen illegalen Downloaderei – wenn du einen Hit hast, also einen echten Hit, siehst du dafür auch Geld. Aber alles darunter braucht auf jeden Fall Tourneen. Wir sind noch nicht so oft auf Reisen gewesen um genau sagen zu können, ob das für uns wirklich profitabel ist. Aber da es nun mal unser Ziel ist, extensiv zu touren und eine feste Säule in der Welt des Rock zu werden, sehe ich kein großes Problem, was unsere Finanzen betrifft. Wir kriegen das schon irgendwie hin, so oder so. JOLLY sorgt sich um uns, JOLLY liebt uns.

Wohin wird denn die Reise demnächst gehen? Ich hoffe doch, dass ihr auch wieder Deutschland beehren werdet.

Darauf kann ich dir fast Brief und Siegel geben. Wir kommen voraussichtlich im Herbst, also haltet die Augen und Ohren offen.

Kurz vor Schluß noch zwei eher ungewöhnliche Fragen. Erstens: Was ist denn eigentlich so interessant an Eric Stoltz? Wolltet ihr etwa auch schon immer wissen, wie „Back To The Future“ mit ihm ausgesehen hätte?

Wie wäre es damit: Was ist denn eigentlich NICHT interessant an Eric Stoltz?! Dieser Typ ist eine LEGENDE! Er hat im zweiten Teil der Fliege mitgespielt!

Zweitens: Ihr habt mal einen Song von Taylor Swift gecovert, ohne, dass der auf einem Album gelandet wäre. Gibt es Songs, die ihr so gerne mal covern würdet, dass ihr sie sogar mit auf ein Album nehmt?

Sehr wahrscheinlich „Stairway To Heaven“ (LED ZEPPELIN) oder „Free Bird“ (LYNYRD SKYNYRD).

Also „Free Bird“ würde ich wirklich gern mal als Jolly-Version hören! Ok, danke für das Interview!

Ebenfalls danke, hat Spaß gemacht, und auch danke, dass du uns seit Anbeginn die Treue hälst – glaub ja nicht, dass wir das vergessen! JOLLY loves you!

08.05.2011
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