Kings Winter
Gutes Timing ist alles

Interview

Mit „Edge Of Existence“ hat die deutsche Heavy-Metal-Band KINGS WINTER Anfang Mai einen sehr soliden Albumstart hingelegt. Eine gute Gelegenheit also, um das aus den Ehepartnern Jule und Tobias Dahs bestehende Duo mal etwas genauer zum Album, zur Vereinbarkeit von KINGS WINTER mit ihrer Hauptband LIVING ABYSS und zu allen möglichen anderen Themen zu befragen. Zwar konnte man sich Corona-bedingt leider nicht auf ein Bier treffen, denn Königswinter, der namensgebende Heimatort der beiden, liegt direkt um die Ecke, ein netter und informativer Plausch über Skype ist es aber trotzdem geworden. Die wichtigsten Informationen daraus lest ihr hier.

Kings Winter – Edge Of Existence Cover

 Hi, wie geht’s euch? Herzlichen Glückwunsch erstmal zum Release eures Debütalbums als KINGS WINTER. Seid ihr mit den Resonanzen zufrieden?

Tobias: Uns geht es super, danke! Wir sind total zufrieden und haben überwiegend positive Rückmeldungen bekommen. Wir sind aber natürlich auch für jede Kritik dankbar.

Ihr habt KINGS WINTER ja als gemeinsames Projekt für die Pausen von eurer Hauptband LIVING ABYSS gegründet, richtig? Arbeitet ihr für LIVING ABYSS auch schon fleißig an neuem Material oder gilt euer Hauptaugenmerk im Moment KINGS WINTER?

Jule: Ja, das kann man so sagen, bei LIVING ABYSS ist noch Pause, weil fast alle gerade Nachwuchs bekommen haben. Wir haben also nicht nur Corona-Zwangspause, sondern auch Baby-Zwangspause. So sind wir mit KINGS WINTER jetzt etwas freier was den Zeitplan angeht.

KINGS WINTER unterscheiden sich von Sound her ja auch recht deutlich von LIVING ABYSS. Ihr spielt ja im Grunde Heavy Metal, klingt aber insgesamt recht modern. Gab es irgendwelche Inspirationsquellen oder Vorbilder, die ihr im Hinterkopf hattet?

Tobias: Damals vor der EP waren wir in Schottland und haben Last-Minute-Tickets für ein RITCHIE BLACKMORE-Konzert ergattert, was mich dann erstmal für drei Monate auf einen RAINBOW- und DEEP PURPLE-Trip geschickt hat. Beide Bands waren ja ein großer Einfluss für klassischen Heavy Metal, außerdem sind wir beide riesige IRON MAIDEN-Fans, das war also die Hauptinspiration. Jules alte Band kam auch aus dieser Richtung und wir haben ohnehin schon länger darüber nachgedacht, sowas zu machen. RITCHIE BLACKMORE war dann quasi der Auslöser.

Jule, ich hatte mich in meiner Rezension ja ein wenig kritisch zum Gesang geäußert, wobei ich ja auch durchaus Stärken wie deine Rockröhre und auch vereinzelte Shouts betont habe. Experimentierst du da noch ein wenig herum und sind das Sachen, die du in Zukunft vielleicht noch verstärkt einsetzen willst?

Jule: Was die Shouts angeht, das mache ich ja bei LIVING ABYSS live schon ziemlich viel. Hier dachten wir halt: das passt jetzt ganz gut, das probieren wir mal. Ich habe das hier tatsächlich auch zum ersten Mal bei einer Aufnahme gemacht und das ist schon was anderes als live. Ich mache das aber sehr gerne und da die Resonanz dazu auch sehr gut war, haben wir schon beschlossen, dass bei KINGS WINTER in Zukunft auch häufiger einzusetzen.

Tobias: Dazu muss man noch kurz klarstellen, dass bei LIVING ABYSS auf Platte unser Gitarrist für die Growls zuständig ist und Jule für den Klargesang, live unterstützt sie ihn aber. Deshalb war das jetzt eben auch das erste Mal, dass sie das im Studio gemacht hat und wir sind total zufrieden. Ich verrate jetzt mal, dass ich auch schon an neuen Songs für KINGS WINTER arbeite und da wird es definitiv noch ein paar mehr Growls geben.

Ich habe schon letztes Jahr mit einigen Musikern gesprochen und öfter die Frage diskutiert, wie sich die Pandemie und die damit verbundene Auszeit im Livesektor auf den kreativen Prozess auswirkt und ob uns jetzt möglicherweise mehr Veröffentlichungen ins Haus stehen als sonst. Wie sieht das bei euch aus?

Tobias: Ich habe letztes Jahr im März meinen Job gewechselt und musste vor dem Antritt der neuen Stelle noch 1 ½ Monate Elternzeit nehmen. Wir hatten uns eigentlich darauf gefreut, ein paar Konzerte zu besuchen und mal ein paar Tage wegzufahren und pünktlich zum letzten Tag bei meiner alten Stelle hieß es dann: Lockdown! Also habe ich 1 ½ Monate lang eigentlich nichts anderes gemacht als Musik zu schreiben, wenn unser Nachwuchs Mittagsschlaf gemacht hat. Ich finde aber auch, dass viele Veröffentlichungen kommen und eben auch viele echt gute Sachen.

Die Pandemie hat die Musikszene ja teilweise recht hart getroffen und besonders Bands, die mit der Musik ihr Geld verdienen haben es grade echt schwer. Hat Corona großen Einfluss auf eure Bandaktivitäten, mal abgesehen davon, dass ihr nicht auftreten könnt?

Jule: Uns betrifft das eigentlich gar nicht so. Wir haben mit KINGS WINTER natürlich den Vorteil, dass wir zusammenwohnen und so arbeiten können wie immer. Klar, wir können nicht live spielen, aber das tangiert uns mit der Band im Moment nicht.

Tobias: Und mit LIVING ABYSS hatten wir das Glück, dass wir eh grade Pause haben.

Jule: Wir haben mit LIVING ABYSS das letzte Mal vor einem Jahr geprobt, kurz nach dem ersten Lockdown. Und seitdem haben wir uns größtenteils auch nicht mehr gesehen. Da merkt man natürlich schon, dass nicht nur die Konzerte fehlen, sondern auch das Miteinander.

Wie sehen eure Pläne mit KINGS WINTER denn allgemein aus? Habt ihr auch vor Konzerte zu spielen, wenn das wieder möglich ist?  

Tobias: Also insgeheim sind wir ja eigentlich schon zu fünft. Marco, der Schlagzeuger von RAVENFIELD, der auch die Platte eingetrommelt hat, wird mit ziemlicher Sicherheit im Live-Lineup mit dabei sein. Vor drei, vier Wochen haben dann auch die letzten Musiker zugesagt, die wir angefragt hatten.

Jetzt habe ich erstmal angefangen, die Songs in Tabs aufzuschreiben. Ich habe ja bei den Aufnahmen Gitarre und Bass selbst eingespielt und das nie sauber notiert, jetzt sitze ich da natürlich und muss das rekonstruieren.

Wir haben jedenfalls tatsächlich auch schon Gig-Anfragen für April, wo wir natürlich hoffen, dass Corona mitspielt. Und wir haben eine Anfrage für ein Livestream-Konzert, wo wir auch tierisch Bock darauf haben. Ich finde es auch gut, dass es da inwzischen so ein großes Angebot gibt und hoffe, dass wir bald proben können.

Eure Texte haben eine deutliche Message und beziehen Kante u. A. gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit. Wie wichtig ist es euch, da Stellung zu beziehen und was haltet ihr von Leuten, die meinen solche Themen hätten im Heavy Metal nichts verloren? Sowas hört man ja leider immer wieder. Und ist euch das auch bei eurem privaten Musikkonsum wichtig?

Tobias: Wir haben lange überlegt, wie stark wir in diese Richtung gehen wollen. Die Texte auf der EP waren ja auch schon ansatzweise sozialkritisch. Und ich kenne diese Leute, von denen du da redest natürlich auch. Fantasy, Drachen, Monster, mehr wollen manche halt nicht. Aber ich schreibe eben Texte über Dinge, die mich bewegen.

Da ich selbst aus der Post-Hardcore- und Punk-Szene komme und mit Bands wie RISE AGAINST und BAD RELIGION aufgewachsen bin, gehört das für mich schon immer dazu. Unser erster stark sozialkritischer Song war „The Next In Line“, der direkt nach dem Mord an George Floyd entstanden ist und damit war der Grundton der Platte gesetzt. Ich hoffe, dass Leute das auch ausblenden und die Musik genießen können, wenn es sie nicht interessiert. Aber ich möchte es nicht missen, Stellung zu beziehen.

Jule: Er fragt mich auch, ob manches vielleicht zu bissig ist und ob ich das so singen möchte. Aber wir sind schon größtenteils auf einer Linie und ich bin da auch ganz klar. Wenn ich mit Texten nicht einverstanden wäre, dann würde ich die auch nicht singen.

Bei meinem persönlichen Musikkonsum achte ich meistens nicht so sehr auf die Texte, mir muss die Musik gefallen. Wenn eine Band aber politische Texte schreibt und dabei eine Meinung vertritt, die überhaupt nicht meiner eigenen entspricht, dann kann die Musik dahinter noch so gut sein, das gehört dann nicht in meinen CD-Schrank.

Tobias: Wir hören beide viel 80s Hard Rock und sind große BLIND GUARDIAN-Fans, da geht es definitiv nicht um Politik. Für mich ist das also auch nicht zwingend wichtig, ich finde es aber cool, wenn solche Themen noch mit dazu kommen. Ich denke da jetzt z. B. an „Amazonia“ von GOJIRA und die zugehörige Aktion.

Ok, letzte Frage: Euer Name bezieht sich ja auf euren Heimatort Königswinter bei Bonn, schwingt da ein gewisser Lokalpatriotismus mit oder war das eher scherzhaft gedacht? Was habt ihr einen Bezug zu Königswinter und was macht den Ort für euch besonders?

Jule: Wir haben überlegt, ob wir für den Namen etwas aus der Heimat nehmen sollen, Drachen sind ja z. B. bei uns in der Gegend ein großes Thema [Anmerkung: Königswinter liegt in unmittelbarer Nähe zum Siebengebirge und zum Drachenfels]. Aber das hat alles nicht so richtig gepasst und dann habe ich irgendwann mal aufs Ortsschild geschaut und gesagt: „Hey, Königswinter, KINGS WINTER, wie wäre es denn damit?“ Das war erstmal eher scherzhaft gemeint, aber irgendwie haben wir dann weiter rumüberlegt und gedacht: Warum eigentlich nicht?

Tobias: Wir hatten auch mit Ideen wie Seven Mountains oder Seven Peaks rumgealbert und als Jule dann mit KINGS WINTER ankam, habe ich mich erstmal kaputtgelacht. Eine halbe Stunde später dachte ich mir dann, dass der Name ja schon irgendwie cool klingt und bei Metal Archives gab es den auch noch nicht. Der Name ist außerdem recht ambivalent gehalten und gibt nicht so krass die Richtung vor, wie z. B. der Name irgendeiner Tolkien-Figur. Der Bezug zu unserer Stadt gefällt mir auch ganz gut, Lokalpatriotismus würde ich das zwar nicht nennen, aber wir wohnen beide schon sehr gerne hier.

Super, vielen Dank euch beiden für das Interview, von meiner Seite war es das erstmal. Beim nächsten Mal kann man sich dann hoffentlich wieder bei gutem Wetter auf ein Bier treffen. Wenn ihr noch gerne etwas loswerden wollt, dann immer raus damit.

Tobias: Wir bedanken uns auch für das Interview und natürlich auch für die Gelegenheit, über das Album und die Band sprechen zu können.

27.05.2021
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